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Laufberichte

Heavy Metal for the battle

 

Baden ist, was Unterhaltung auf der Strecke betrifft, deutschlandweit führend. Ist Karlsruhe der Tanzmarathon schlechthin, sind hier 42 Bands zu unserer Unterhaltung auf 21 km verteilt, das zu dividieren sogar ich noch schaffe. Theoretisch erfolgt für mich also jeweils nach knapp drei Minuten ein musikalischer Ansporn, alle zu fotografieren bekomme ich allerdings nicht hin, denn ein wenig Laufrhythmus schadet ja auch nicht. Die erste Band, die ich entdecke, trägt die Nr. 3 von 42, offensichtlich befinden sich die ersten beiden noch im Tiefschlaf.

Dann entspannt sich die Laufsituation doch schneller als befürchtet, zuschauerbegleitet geht es an den nördlichsten Punkt des Kurses. Nach Unterquerung der Eisenbahnlinie bei km 3,5 nehmen wir Kurs auf die Innenstadt. Durch eher ruhige Wohnstraßen, aber immer wieder zuschauerunterstützt, durchlaufen wir nach der ersten Verpflegung mit der Haydnstraße eine, die hält, was sie verspricht. Herrliche Villen erfreuen unsere Augen beiderseits, zu denen der junge Mann, der uns mit seiner Flüstertüte in Phantasieuniform in Adolf-Manier lautstark Beine macht, einen interessanten Kontrapunkt setzt.

Kurz vor km 6 kommt die erste Wechselstelle des S’Cool-Runs, aber die dreißig Schüler-/Lehrerstaffeln sind nach uns gestartet und haben uns noch nicht eingeholt. Gähnende Leere also. Dann die Mozartstraße, ein Gedicht und eine weitere Steigerung gegenüber der Haydnstraße. Hier könnte ich es auch aushalten.

Unbestätigten Gerüchten zufolge soll es im Ausnahmefall in Freiburg auch schon mal Sonne und ein paar Wärmegrade geben, nur heute nicht. Sowohl auf der ersten, als auch auf der zweiten Runde habe ich Glück: Der auf den Schloßberg führende Schrägaufzug überquert, wie bestellt, auf einer Brücke just in dem Augenblick unsere Strecke, als ich darunter herlaufe. Dann, nach sieben km, kommen wir in die Innenstadt. Und es gibt sie tatsächlich: Dicke, fette Kroketten, die in den schönsten Farben auf dem mittleren Grünstreifen prangen, der Hin- und Rückweg voneinander trennt. Das wird heute nicht die letzte Begegnungsstrecke bleiben, allzu kreative Läufer hindert man durch eine geschickte Anordnung der Zeitmeßmatten erfolgreich an der Ausübung ihrer Untaten.

Weiter in der Innenstadt rummst es wieder einmal gewaltig: Der Rhythmus des Schwermetalls läßt einen älteren Herrn erneut nicht unbeeindruckt. „Heavy Metal for the battle“ sorgt doch für den einen oder anderen kurzen Stop im Laufgefecht, erst zum Fotografieren, dann zum Headbangen oder beides gleichzeitig. „Highway to hell“, „Hells Bells“, „Easy Livin’“, „Smoke on the water“ höre ich, leider nur im Vorbeilaufen, auch „Ballroom Blitz“ habe ich gefühlte 100 Jahre nicht mehr gehört. Gott sei’s geklagt, hier kennt mich keiner, ich kann mich also der Mucke hingeben. Vor dem Herrn Chefredakteur brauche ich mich auch nicht mehr zu schämen, nachdem er sich heute Morgen als AC/DC-Fan geoutet hat.

Die unterquerte Schloßbergbrücke, einen Fußgängerübergang, zieren jede Menge Reliefs, die ich gerne betrachtet hätte, aber leider wird die Zeit nicht angehalten. Also weiter. Dann die nächste Begegnungsstrecke, am Rand derer die ersten Straßenbahnschienen liegen, die uns noch viel Verdruß bereiten werden. Eine Halbmarathonia wird spontan ein paar Meter von einer Freundin vom Streckenrand begleitet. „Oh je, hoffentlich darf man das?“ „Ach wo, das interessiert doch keinen!“ Vor allen Dingen, der laufende Reporter hat den Frevel bereits bildlich eingefangen. Dann entdecke ich ein vergleichsweises Rinnsal, an dem wir entlanglaufen. Das wird doch nicht etwa? Tatsächlich, es ist die Dreisam. Irgendwie hatte ich mehr erwartet. Warum, weiß ich auch nicht, vielleicht, weil man „Dreisam-Stadion“ so oft hört? 180°-Kehre und auf der anderen Seite wieder zurück.

Der Laufclub 21 ist am Spendensammeln, trotzdem ist Peter Hübner nach 4:22 Std. im Ziel, Respekt! Den Pumuckl habe ich dieses Mal aber leider verpasst. Wie verlassen die Dreisam und kommen durch das eingerüstete Schwabentor in die Altstadt, jetzt wird’s haarig. Einerseits wunderschön durch etliche im Krieg unversehrt gebliebene Bürgerhäuser und guten Zuschauerzuspruch, andererseits wird der Straßenbelag echt übel: Grobe Kopfsteine mit teilweise löchrigen Zwischenräumen, gepaart mit Straßenbahnschienen, verlangen größte Aufmerksamkeit. Insbesondere auf der zweiten Hälfte wird das eine echte Herausforderung, ich muß dem Untergrund mehr Beachtung schenken, als ich will, und kann die Umgebung gar nicht so intensiv bewundern, wie ich möchte.

Schön, daß man in Freiburg die Masse der Wasserkanäle („Bächle“) an den Straßenrändern erhalten und saniert hat. Das vermittelt Atmosphäre und läßt Bilder entstehen, die man kaum noch kennt: Wo, bitteschön, sieht man noch kleine Jungs, die ein Holzschiffchen an einem Faden hinter sich herziehen? Erinnerungen werden wach.

Viel los ist immer an den Wechselstellen des S’Cool-Runs, dann laufe ich auf einen Helden auf. Neun Startnummern auf der Rückseite seines Umhangs weisen ihn als bald zehnfachen Finisher aus. Er ist so mit sich selbst beschäftigt, daß er nicht einmal mitbekommt, wie ich ihn von vorne aus nächster Nähe knipse.

Dann beginnt der für mich schönste Teil der Altstadt: Die Haupteinkaufsstraße, Kaiser Joseph-Straße („KaJo“) mit Namen, die wir durch das weltberühmte McDonalds-Tor betreten. Das kennt Ihr nicht? Doch, steht doch deutlich an beiden Seiten drauf!

Bei km 15,4 soll sie singend stehen, das GZSZ-Häschen Jeanette Biedermann. "So einen Star haben wir noch nie gehabt", wird Gernot Weigl, Chef des Veranstalters Runabout, zitiert. Als ich vorbeikomme, herrscht auf der Bühne gähnende Leere. Ob ich etwas verpasst habe? Noch ein bekannter Mensch ist unterwegs: Luan Krasniqi, der Ex-Profiboxer und mehrfache Schwergewichts-Europameister. Der startet beim Halbmarathon und nutzt seinen Start zum Testen seiner Laufform für einen persönlichen sportlichen Höhepunkt: Am 13. Oktober 2013 wird er sich in München an die volle Distanz wagen. Bei beiden Läufen startet er für einen guten Zweck: Mit seinem Engagement möchte der Rottweiler auf die Arbeit der SOS-Kinderdörfer im Kosovo aufmerksam machen und zu Spenden aufrufen. Mit 1:48:23 wird er sich durchaus achtbar aus der Affäre ziehen.

Das Symbol des Laufs schlechthin, zumindest in meinen Augen, erreichen wir kurz vor km 18: Die blaue Wiwili-Brücke über die Gleisanlagen. Der Name hat nichts mit GleichFerdinand oder ÄhnlichHubert zu tun, er kommt von der nicaraguanischen Partnergemeinde, in der zwei Freiburger während eines humanitären Hilfseinsatzes ermordet worden waren. Beeindruckend ist das sich mir bietende Bild, links und rechts blaue Stahlträger, geradeaus die Doppeltürme der Herz-Jesu-Kirche. Wirklich schön, dieses Foto hat auch mal den Titel eines unserer Printmagazine geziert.

Dann geht es fast schon auf die Zielgerade, drei km durch nicht ganz so aufregendes Gebiet sind noch zu absolvieren. Erfreulicherweise haben die Bands an der Strecke noch Schwung, dann teilt sich das Feld am Ende der letzten Brücke. Allerdings sehr ungleichmäßig, denn mehr als fünfmal so viele Halbmarathonläufer biegen nach rechts ab als wir Bescheuerten, die meinen, nach links und damit noch eine zweite Runde laufen zu müssen. Gut, daß mich der Chef heute früh nochmal daran erinnert hatte, sonst wäre ich aus Versehen rechts abgebogen!

Nein, im Ernst, die Strecke ist wirklich schön, der Service gut, zur Abrundung fehlen nur ein paar Grad und die passenden Sonnenstrahlen. Mit 1:59 liege ich zwar gut in der Zeit, merke aber vor allem die Füße doch mehr, als mir lieb ist. Die Schuhe werden hinterher direkt in der Tonne landen. Mein treues Weib erwartet mich leicht frierend zur Anfeuerung, zur Belohnung gibt’s einen salzigen Schmatz und ein kurzes Schwätzchen, soviel Zeit muß sein.

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Informationen: Mein Freiburg Marathon
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