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Laufberichte

Liebe auf den ersten Blick

 

Nach Sirnach verläuft die Strecke flach. Unterwegs passieren wir einen verträumten Weiler mit alten Fachwerkhäusern. Die Zuschauer sind hier top motiviert. Hinter dem km 15 Schild weisen uns Helfer scharf rechts unter der Bahn hindurch und auf der anderen Seite steil bergauf. So umgehen wir den Ortskern.

Auf geschottertem Weg laufen wir wellig oberhalb des Bahndamms abwechselnd im Wald und dann wieder mit schöner Aussicht. Im Wohngebiet sind viele Schlachtenbummler auf der Straße. Kinder bieten Mandarinenschnitze und Getränke an. Sogar an Abfallbehälter für gebrauchte Becher ist gedacht. Hinter einem Haus ist ein großes Partyzelt aufgebaut. Davor herrscht lockere Stimmung. Eine Frau bietet mir Appenzeller an, eine Spezialität der Region. Ein Stück Käse wäre jetzt ganz gut. Sie flitzt nach hinten und bringt mir - naja mit Käse hat das nichts zu tun - ein kleines Gläschen mit Likör. Ui - ist der scharf. Aber da muss ich durch. Im letzten Jahr habe ich Ewald, einen einheimischen Läufer kennengelernt. Er wurde damals beinahe in jedem Ort zu solch einer kleinen Pause „gezwungen“ und es hat ihm auch nicht geschadet.

Jetzt sammle ich immer häufiger Waffenläufer ein. Natürlich versäume ich nicht, jeden gebührend anzufeuern. Mit diesem Gewicht auf dem Rücken würde ich keine 5 km weit kommen. Jedes Mal antworten die Angesprochen freundlich zurück. So vergeht die Zeit wie im Flug.

Wil ist in Sicht. Eine private Verpflegungsstelle bietet Getränke an, die die vier Waffenläufer vor mir gerne annehmen. Im Vorbeilaufen erkenne ich auch eine Frau unter den Waffenläufern. Es geht weiter an der Straße entlang. Wie überall an der Strecke werden unübersichtliche oder gefährliche Stellen von Helfern, meist Militärangehörige, gesichert. Sie sorgen dafür, dass die Läufer ungefährdet und ohne anhalten zu müssen, vorwärts kommen. Besonders hier in der Stadt sind sie gefordert. Wir erreichen den Bahnhof und müssen durch eine Unterführung. Auf der anderen Seite liegt die breite Fußgängerzone. Es ist nicht viel los. Auf einem kurzen Begegnungsstück kommen gerade zwei Waffenläufer und dann noch eine Waffenläuferin. Dann geht es rechts durch die kleine Kirchgasse. Scharf links liegt das Schnetztor, durch das wir den historischen Marktplatz betreten. Wie bereits im letzten Jahr bewundere ich das tolle Ambiente.

Bereits im 8. Jahrhundert besiedelten die Toggenburger den weithin sichtbaren Wallberg. Nach wechselvoller Geschichte mit vielen Kämpfen ist Wil heute ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt zwischen St. Gallen, Winterthur, Frauenfeld, Zürich und Bodensee. Die Altstadt gilt als eine der besterhaltenen Kleinstädte der Ostschweiz. Hinter einem großen Marathontor liegt die VP im Kontrast zu den bunten, perfekt restaurierten Fassaden von Hof, Gerichtshaus und Hauptmannshaus.

Hier war vor gut 20 Minuten der Start des Halbmarathons und die Helfer sind gerade dabei, das Chaos zu beseitigen. Ich genieße die tolle Kulisse und einen Becher Bouillon, dann geht es den Marktplatz entlang und bergab bis zur Fußgängerzone. Auf der Begegnungsstrecke einen kurzen Blick auf die hinter mir Laufenden, dann werde ich scharf rechts geleitet. Hier lockt mich laute Musik und der himmlische Geruch gebrannter Mandeln. Ein kleiner Vergnügungspark unterhält vor allem jüngere Besucher. Es folgt ein längeres Stück im Wohngebiet. In Bronschofen kommen wir am alten Schulhaus vorbei. Wir überqueren die Bahn und müssen dann rechts über eine Wiese. Der Regen hat ganze Arbeit geleistet; es wird immer matschiger.  Am Ende der Wiese halten wir uns links auf den Feldweg zu. Ein langes flaches Stück folgt (km 25).

In St. Margarethen ist nicht viel los. Oje, hier ist die Baugrube eines Neubaus vollgelaufen. Es muss viel geregnet haben. Wir haben wirklich Glück mit dem Wetter. Kurz darauf ist auch schon die VP da. Bananen sind aus, dafür gibt es Müsliriegel.  Das folgende flache Stück führt durch grüne Weidelandschaft. Alle paar hundert Meter wird für einen Color-Run geworben. Die großen Schilder scheinen mir deplatziert in der schönen Natur. Nach einer kurzen Steigung  hinter einer Kurve sehe ich bereits die nächste VP in einem kleinen Wäldchen. Wie im letzten Jahr gibt es hier Kuchen! Ich greife doppelt zu, was die Helfer sichtlich erfreut. Ein Junge kommt mir entgegen. Er verspricht mir zusätzliche Kraft wenn ich ihn abklatsche. Das mache ich natürlich.

Es geht leicht bergab. Wer läuft denn da vor mir? Das muss Markus sein. Ich erkenne seine weißen Haare. Und tatsächlich erinnert er sich auch noch an mich. Er ist heute etwas langsamer und so bin ich zu schnell an ihm vorbei. Trotzdem schaffen wir es noch ein paar herzliche Worte zu wechseln.

In einer weiten Schleife gelangen wir bergab nach Lommis (km 30). Die VP liegt in einer Kurve im Wohngebiet. An einer Kreuzung müssen wir über die Straße. Hier hat sich der halbe Ort versammelt und feuert uns an. Wie bereits vorher an einigen anderen Stellen, sind sogar Bierbänke aufgebaut; Speisen und Getränke werden angeboten. Die Anwohner machen aus dem Laufevent ein privates Fest.

Plötzlich steht mir ein Mann im Weg. Er bietet Kekse an, eine Spezialität aus der Gegend. Sie sehen unseren Springerle ähnlich, sind aber rund und schmecken nur leicht süß. Ich bleibe für ein kurzes Schwätzchen stehen. Bis Weingarten geht es zunächst flach, dann wieder leicht bergauf. Der Ort kommt mir bekannt vor. In einem Hof war letztes Jahr ein privates Fest und einer der Gäste hatte mir ein Bier spendiert. Schon von weitem kann man Festgeräusche hören. Erwartungsvoll biege ich um die Kurve. Augenscheinlich hat man aufgerüstet. Zwei riesige Kessel dampfen und eine Menge Leute sitzen an Biertischen. Der Verein kochender Männer von Lommis bietet Biergulasch aus der Gulaschkanone an. Leider ist das Gulasch schon aus und nur Wasser kocht noch in den Kesseln. Bevor man mich einladen kann, suche ich schnell das Weite. Vielleicht schaffe ich heute mal die fünf Stunden. Wenn ich aber überall stehen bleibe, wird das wieder nichts. Es geht bergauf. Oben hinter der nächsten Kurve kommt erneut eine VP.

Es geht in Halbhöhe wellig dahin, immer mit schönem Ausblick auf das tiefer liegende Thurgau. In Stettfurt, bei km 35, treffe ich auf Bekannte. Die Familie vom Anfang mit ihrem „Press here for power“-Schild“  verteilt immer noch Kraft. An der VP ist man schon langsam am Abbauen. Trotzdem gibt es immer noch Rivella, Banane und Müsliriegel. Jetzt wird es wieder flach. Es ist nicht mehr weit und die Kilometer werden nun einzeln angezeigt. Das motiviert zusätzlich.

Wir laufen auf ein kleines Wäldchen zu. Hier kommt Musik aus einem Radio. Volksmusik ist nicht unbedingt meins - aber hier passt es. Hinter km 37 geht es nochmals bergauf. Oben verlassen wir den Feldweg und gelangen auf die Straße. Bis km 38 müssen wir weiter bergauf. An der letzten VP genieße ich einen letzten Schluck Rivella und ein Stück Schweizer Schokolade. Dann folgt der Endspurt. Zuerst steil bergab. Dann kommt endlich die letzte Steigung. Frauenfeld ist in Sicht. Viele Spaziergänger nutzen die gesperrte Straße für einen kleinen Spaziergang am Sonntagnachmittag und feuern mich an.

Km 39. Am Ortseingang haben sich nochmals viele Schaulustige versammelt. An der Kreuzung geht es dann links und sofort wieder nach rechts. Also nicht die gleiche Strecke, die wir zu Anfang gelaufen sind. Über Nebenstraßen erreichen wir das kleine Wäldchen Pfaffeholz. Auf dem schmalen Schotterweg machen die Spaziergänger sofort Platz und feuern mich an. Km 40. Ich überhole noch zwei Waffenläufer. Nun geht es endgültig bergab. Die Straßen sind wie ausgestorben, nur die weithin sichtbaren Streckenposten feuern mich an. Nochmal rechts herum, dann links herum nähere ich mich dem Ziel.

 Km 41. Wieviel Kurven kommen denn noch? Jetzt höre ich den Sprecher. Die Straße ist großzügig abgesperrt. Dann folgt aber nochmals eine Abzweigung nach rechts. Endlich ist das erste Zieltor in Sicht,  der Zielkorridor liegt vor mir. Ich bin im Ziel. 4:59:xx.

Norbert erwartet mich bereits. Es wird heißer Pfefferminztee angeboten. In der großen Halle gibt es Rivella. Jeder Finisher kann zwischen einer Medaillennadel, 10 Franken oder einem Glas Honig auswählen. In der Halle gibt für kleines Geld ein Läuferessen (Suppe, glacierter Schweinsbraten, Kartoffelstock, Erbsli und Rüebli), während gleichzeitig draußen die Siegerehrungen laufen.

2.246 Läuferinnen und Läufern bedeuten einen neuen Teilnehmerrekord für diesen 80. Frauenfelder Militärwettmarsch mit 15. zivilen Marathon und Halbmarathon. Von den 205 Waffenläufern waren immerhin 78 unter 40 Jahren. Das heißt für mich, dass auch junge Leute noch, oder wieder Interesse am Waffenlauf haben. Beim Marathon waren es hingegen von 228 Läufern nur 65 Jüngere.

Gerade als wir den Zielbereich verlassen wollen, kommt auch Markus ins Ziel. Er wird herzlich von Frau und Tochter in Empfang genommen. Gratuliere zum 41. Frauenfelder!

 

Siegerliste

 

Waffenlauf 42 km
 

Männer

1. Schefer Christoph, Lüchingen              2:40.50,5 
2. Feremutsch Christoph, Kölliken            2:41.23,5
3. Brennwald Adrian, Aeugst am Albis         2:46.55,0

Frauen

1. Zimmermann Denise,  Mels                   3:23.34,9
2. Müller Astrid, Russikon                   3:26.48,3
3. Siegenthaler Jeannette, Ettenhausen TG    3:42.39,9


Marathon
Männer

1. Schefer Christoph, Lüchingen              2:40.50,5
2. Feremutsch Christoph, Kölliken            2:41.23,5 
3. Brennwald Adrian, Aeugst am Albis         2:46.55,0

Frauen

1. Brod Jutta,  D-Konstanz                    2:58.31,2
2. Rohrbach Regula, Zürich                   2:58.46,3
3. Eggerling Brigitte, Chur                  3:05.00,2

 

12
 
 

Informationen: Frauenfelder Marathon
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