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Laufberichte

Gescheidgut

17.06.12

Zwischen Kilometer 6 und 7 laufen wir am Ortsrand von Muggendorf. Im Jahr 1632 wurde Muggendorf niedergebrannt und die Dorfbewohner haben sich mit Kind, Kegel und dem wertvollen Vieh für mehrere Jahre in der „Oswaldhöhle“ verschanzt, zu der wir nun über den Dooser Berg aufsteigen. Recht schnell bekommen wir am Körper zu spüren, warum man dies auch das „Muggendorfer Gebirg" nennt. Über Wurzeln und Steinstufen, schon fast wieder vergessen, sind wir plötzlich am Eingang der Höhle durch die wir jetzt hindurch müssen.

Weitläufig ist er nicht, der Gang in der Höhle aber immerhin doch 63 Meter. Schon nach einigen Schritten ins Innere verändern sich die Geräusche von draußen, das Licht dämmert weg. Die Augen brauchen einen Moment, um sich an das Halbdunkel zu gewöhnen. Die Feuerwehr, so hieß es, würde die Höhle ausleuchten damit keiner aufgrund der geringen Deckenhöhe einen unfreiwilligen Scheitel gezogen bekommt. Die Beleuchtung, nicht mehr wie der Schein eines Teelichtes, unterstreicht das außergewöhnliche Szenario. Jetzt stecken wir mitten drin, in einem deutschen Abenteuer. Drinnen, ist es kühl und etwas rutschig.


Himmel, wie schön kann die Hölle sein


Hier könnte er schlummern, der Teufel mit seinen drei goldenen Haaren. Kurz genieße ich den Augenblick bevor ich mich dem Ausgang nähere. Ich atme tief durch bevor wir weiter aufsteigen. Eine Gedenktafel an der Höhle erinnert an die ersten Höhlenforscher. Auch Reste einer Schutzmauer aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs sind zu erkennen.

Am Ende der Höhle erkennen wir die Reste einer langen Nacht von einem gutem Dutzend Studenten, die wahrscheinlich durch die vor uns Laufenden geweckt wurden. Wie das so ist in diesem Alter, lassen sie sich nicht aus der Ruhe bringen und so werden erst einmal anständig die Zähne geputzt. Die hätten sich ein schlechteres Fleckchen aussuchen können.

Nun laufen wir vorbei an skurrilen, moosbewachsenen Felsen durch einen wahrhaftigen Märchenwald. Seit Urzeiten ist diese Gegend besiedelt; Hänge boten Schutz vor Hochwasser, Bergkuppen vor ungebetenen Gästen. Wer im fünften vorchristlichen Jahrtausend dort umherstreifte oder siedelte, weiß man heute nicht mehr. Das wir hier herumstreifen wird man noch in vielen Jahren nachlesen können – in der Ergebnisliste.


Abkürzung

 

Etwa bei Kilometer 10 kommen wir aus dem Wald. Die Beschilderung gibt uns die Richtung nach rechts vor. Trotzdem sind wir für eine Sekunde stutzig. Laufen links nicht eine ganze Menge Läufer? Tatsächlich ist das so. Diese haben jedoch die kleine „Schlupp“, wie wir Hessen sagen, bereits gelaufen. Die „kostet“ uns etwa so 10 Minuten, schätzen wir, führt uns dafür aber auch wieder an einem Highlight vorbei.

Hier wäre es ein leichtes, einfach nach links abzubiegen und die (Hochdeutsch) „Schleife“ einfach mal zu „vergessen“. Keine Matten, die die Durchgangszeiten registrieren, keiner da, der sich unsere Nummern notiert. Aber, die, die hier laufen, wollen 42 Kilometer und keinen Kilometer weniger!

Wieder ist eine Verpflegungsstelle erreicht. Wie bei den vorherigen stehen einige Wasserflaschen und einige Pappbecher auf einem Festzelttisch. Daneben der „gelbe Sack“. Das war´s - mehr braucht´s auch nicht. Nun verstehe ich auch was in der Ausschreibung stand: „Eine Zusatzversorgung für die Laufstrecke  wird in Eigenregie empfohlen“. Wir haben genügend „Ride Shots“ dabei aber noch benötigen wir keine zusätzliche Energie in Form von Kohlehydraten. Man wird uns hier aber nicht verhungern lassen, ab Kilometer 15 erhalten wir zusätzlich auch „PowerBar“ Riegel und Gels, Bananen, Cola und alkoholfreies Bier.

Etwa bei Kilometer 11 befindet sich, auf einem Jurabergkamm gelegen, der Ort Engelhardsberg. Er wirkt, als wäre hier die Zeit stehengeblieben. Die einzigen, die es eilig haben sind wir. Es gibt nur wenige Häuschen. Am Ortsrand wird gerade ein Neubau fertiggestellt. Er hat große Fenster,  einfach ideal bei diesem Panorama. Ich beneide die, die hier einziehen werden.

An einem alten Haus sind Hühner mit Eierlegen beschäftigt, die Kirschbäume tragen üppige Früchte und über die schmale Straße läuft eine kleine graue Katze - groß genug, um vor uns mit ihrer erbeuteten Maus zu protzen. Bewohner sind keine unterwegs, die sind wahrscheinlich alle in der Kirche.

Am Ende des Dorfes wieder ein Laubwald und sagenumwobene Felsgebilde. Warum beschleicht uns an manchen Orten ein so merkwürdiges Gefühl? Vielleicht waren sie Schauplätze historischer Tragödien, Kultstätten für Rituale, oder auch Quellen unergründlicher Kräfte und Magien? Was oder wer wurde vielleicht dort den Göttern geopfert. Der Gedanke treibt mir die Gänsehaut und Schauer über den Rücken. Jedoch nur bis ich das Schild entdecke: „20 Minuten Aufstieg bis zur Riesenburg“. Der Schauer ist verschwunden. Willkommen in der Realität.

Ich habe die Serpentinen nicht gezählt, auf denen wir uns bis zur Höhle unter der Riesenburg hochschrauben. Verwunschen, schluchtenähnlich ist der Weg. Immer wieder geht es auch an kleinen Höhlen entlang und immer wieder vorbei an moosbewachsenen Felswänden, von denen das Wasser tropft. Rechts und links des Trails wachsen hüfthohe Farne, modert Altholz im Moosmantel, ragen flechtenüberzogene Steine aus dem angenehm weichen Waldboden. Wir haben Glück, dass uns die Natur wenigstens einen schmalen Pfad gelassen hat.

 
 

Informationen: Frankenweg-Trail
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