marathon4you.de

 

Laufberichte

„Florenz liegt Euch zu Füßen“

29.11.09
Autor: Klaus Duwe

Erste Hälfte

Nach vier Kilometern ungefähr empfangen uns viele Zuschauer an der Porta Romana. Das mächtige Stadttor sicherte einst den südlichen Zugang zur Stadt über die Via Cassia von Rom. Erstaunlich schnell hat sich das Feld sortiert und schon an der ersten Getränkestelle bei km 5 gibt es kaum Gedränge. Wir laufen in westlicher Richtung, machen kehrt und sind kurz am Arnoufer, bevor wir durch den alten Stadtkern noch einmal zur Porta Romana  (km 10) laufen. Sofort danach sehen wir rechts den Palazzo Pitti, der 1458 ursprünglich für den Kaufmann Luca Pitti erbaut wurde, später aber den Medicis als Wohnsitz diente. Heute sind in dem festungsartigen, ziemlich schmucklosen Palast mehrere Museen mit Werken unter anderem von Tizian, Raffael und Rubens.

Wir laufen jetzt direkt auf die große Zuschauermenge zu, die sich an der Ponte Vecchio (km 11) versammelt hat. Vor der berühmten Brücke biegen wir rechts ab und laufen ganz entspannt am Arnoufer entlang, bevor wir über die Ponto San Niccolo auf die andere Flussseite (km 13) wechseln und gen Osten laufen. Widerstandslos habe ich mich bisher von den Pacemakern 4:15 und 4:30 Stunden überholen lassen. Als jetzt die große Gruppe um die 4:45-Pacer bei einem Fotostopp an mir vorbei ziehen, ist aber Schluss. Die will ich auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Einerseits will ich nämlich eine für mich einigermaßen anständige Zeit laufen, andererseits verbreiten die Jungs und Mädels eine so gute Stimmung und Laune sowohl unter den Läufern als auch bei den Zuschauern, dass ich davon unbedingt profitieren will - gerade jetzt, wo die Strecke auf den nächsten Kilometern nicht so viel hergibt. Also nichts wie hinterher.

In der Viale Malta, dort wo die Marathon-Expo mit der Startnummernausgabe ist, wird die Halbdistanz erreicht. Die Messe hier ist nur mit der in Rom vergleichbar. 70 Aussteller präsentieren ihre Produkte und Veranstaltungen, es gibt viel Unterhaltung und Information, dazu Pasta, Dolce und Espresso. Mit der Startnummer mit integriertem Chip (Leihgebühr 5,00 Euro) gibt es ein hochwertiges Asics-Langarm-Shirt. Viele sind damit heute schon unterwegs.

Zweite Hälfte

Mir  ist schon oft in Italien aufgefallen, dass bei der Halbdistanz viele Läufer aussteigen. Auch in Florenz ist man darauf eingerichtet und empfängt die „Halben“ in einem Zelt mit Tee und Wärmefolien. Die Differenz zwischen Melde- (10.104) und Finisherzahl (8.206) ist dann auch ziemlich groß. Die wahren Marathonis laufen weiter zum „Stadio Comunale Artemio Franchi“, wo der AC Florenz seine Heimspiele austrägt. Luca Toni spielte dort und erzielte in der Saison 06/07 31 Tore. Das sprach sich bis nach München rum. Jetzt kickt er dort (manchmal).

Zuschauer sind auf den letzten Kilometern eher selten. Aber selbst wenn irgendwo auch nur ein paar Leute zusammenstehen, meine Pacer Michele, Arturo, Claudio und Jenny fordern mit Trillerpfeifen und Zurufen erfolgreich Beifall ein. Ich bin als „Klause, il Tedesco“ längst integriert. Immer wenn sie mich bei einem Fotostopp einholen, rufen sie im Chor meinen Namen und freuen sich wie die Könige. Obwohl wir uns kaum verständigen können, haben wir einen Riesenspaß zusammen.

Nach der Stadionumrundung kommt die einzige nennenswerte Steigung der Strecke - es ist die Brücke über die Eisenbahn bei km 25. Nur zwei Kilometer weiter sind wir bei der Galleria dell Accademia (Kunstakademie). Ihr erinnert Euch, dort steht Michelangelos Original-David.

Wir laufen links in die Via Ricasoli, eine schmale Straße mit drei- bis vierstöckigen Wohn- und Geschäftshäusern rechts und links. Es ist schattig und kühl. Die Straße ist fast menschenleer. Vor uns zeichnet sich ein großes weißes Gebäude ab. Es scheint, als würde es die Straße erhellen. Immer deutlicher sind die Nordfassade und der Campanile des Doms zu erkennen – und dann sind wir auf dem Domplatz (km 28). Es ist unbeschreiblich. Die Pracht des Doms und die Begeisterung der Zuschauer wetteifern um die Gunst der Läufer. Bis zur Piazza della Pubblica wird gejubelt, dann wird es etwas ruhiger.

Auf der anschließenden 6 km langen Runde durch den Parco delle Cascine (km 30/36) werden wir dann mehrfach mit Live-Musik begleitet. Der Park wurde schon im 15. Jahrhundert errichtet und später von Cosimo I. (schon wieder der) erweitert. Zuvor war hier eine Rinderzucht, daher auch der Name (Cascine = Viehzucht). Die majestätische Baumallee wurde im 17. Jahrhundert angelegt. Heute gibt es hier verschiedene Sport- und Freizeitanlagen und einen Rummelplatz.

Wieder geht es in Richtung der berühmten Ponte Vecchio, diesmal auf der anderen Flussseite. Unter die Zuschauer mischen sich auch viele in glänzende Folien gekleidete Finisher. Die unebene, gepflasterte Straße und einige normalerweise kaum spürbare Bodenwellen gehen mächtig in die Beine. Kampf ist angesagt. Die Piazza della Signoria mit dem Palazzo Vecchio, dem Neptunbrunnen, dem David und den Uffizien, dann noch einmal der Domplatz (km 40) und viele Zuschauer lenken ab.  

Der Kilometer durch die schmucklose Via Ghibellina will nicht enden. Ich höre die Trillerpfeifen und Parolen der 4:45-Pacer. Sie werden mich doch nicht einholen? Mir scheint, sie kommen näher. Ja, steh‘ ich denn? Endlich wieder am Arnoufer. Links stehen die LKW’s mit den Kleiderbeuteln.  Mancher Finisher feuert die Kollegen an, mancher schaut nur mitleidig. Egal, gleich ist es geschafft. Dann der blaue Teppich, die Piazza Santa Croce. Herrlich. Begeisterte Zuschauer. Ich bin im Ziel. Danke.

Gleich kommen Michele, Arturo, Claudio und Jenny, meine Pacer. Sie feiern mich und rufen: „Klause, il Tedesco!“ Sie hatten mich aus den Augen verloren und geglaubt, ich hätte schlapp gemacht. Hätte ich vielleicht auch – ohne sie. 

123
 
 

Informationen: Firenze Marathon
Veranstalter-WebsiteE-MailHotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner
 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024