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Laufberichte

Firenze 2010 – eine nasskalte Rückkehr

28.11.10

Mein Plan B musste herhalten - beim Dublin-Marathon Ende Oktober war ich aufgrund einer langwierigen Magen/Darm-Infektion nur als Zuschauer am Straßenrand dabei - also auf in die Toskana.

Nach exakt 4 Jahren steht der Marathon in Florenz wieder auf dem Programm. Wieder der letzte Sonntag im November. Die Erinnerung ist toll: herrliche, ja fast spätsommerliche Temperaturen, Sonne, abwechslungsreiche Strecke im Zentrum der italienischen Renaissance, alles gut organisiert.

Heuer aber ganz anders: ein Adriatief überquert – wie angekündigt – gerade am Rennsonntag die Toskana und trübt die Erwartungen. Regen, Wind, Kälte, vielleicht 2 oder 3 Grad, sind bereits beim morgendlichen Canossa-Gang zu den Garderobenwägen, aufgestellt entlang des Arnoufers, unsere Begleiter. Haube und Handschuhe werden ausgepackt. Oben auf der Piazzale Michelangiolo legt der kalte Wind nochmals zu. Wer kann, sucht Schutz unter den wenigen Partyzelten. Vom Veranstalter werden wir mit schmucken, grünen Kunststoffsäcken ausgestattet, sie werden dankbar angenommen. Die Hüter der Chiesa San Salvatore al Monte zeigen Erbarmen mit der Läuferschar und wir verbringen die letzten Minuten vor dem Start in der Kirche, Kerzenflackern und Muskelöl, Rosenkranz und Sportsgeist, eine neu, angenehme Erfahrung, so eine „spirituelle“ Startvorbereitung kann sich sehen lassen, hatte ich noch nie.    

Dann wieder raus in Härte des (Läufer-)Lebens, Regen, ein tropfnasser David in Stein, kein Aufwärmen, nur geduldiges Warten auf den Start des Rennens, endlich der Countdown, .... tre, due, uno, ....  in bocca al lupo. Die Streckenführung wurde heuer verändert, die Höhendifferenzen wurden den internationalen IAAF-Standards angepasst. Wir laufen nur kurz bergab und überqueren nach 1 Kilometer wieder den Arno, es geht Richtung Zentrum, unter den Geleisen des Bahnhofes Santa Maria Novella hindurch, hinaus zur Pferderennbahn in der Parkanlage Parco delle Cascine.

Mein Laufkollege und ich reihen uns brav hinter den Männern mit den gelben Luftballons 3 : 00 ein, sehr eng, dieses zeitliche Limit haben sich wohl sehr viele Teilnehmer gesetzt. Doch nein, ein Schmerz an der Rückseite des rechten Oberschenkels zwingt mich schon bald zur Temporeduktion – Muskelfasereinriss, wie sich heute leider herausstellte, im Training habe ich die Signale naturgemäß ignoriert, jeder Schritt tut bereits weh – spätestens bei Kilometer 10 oder 11 wird mein Abstand zu den Luftballons immer größer, mein Freund hängt noch dran, ich kämpfe alleine weiter. Aufhören oder Weitermachen. Diese Frage werde ich nicht mehr los.

Wir laufen über die Ponte della Vittoria wieder auf der andere Seite der Stadt. Der Regen lässt nicht nach, wird eher stärker, nass sind wir alle schon. Es geht vorbei am monumentalen Palazzo Pitti, der angeschlossene prachtvolle Boboli-Garten steht noch auf meinem Besichtigungsprogramm, wieder über den Arno, KM 20, dann Halbmarathon-Marke. Eigentlich liege ich noch ganz gut im Rennen, das rechte Beinchen schmerzt aber zusehends, die nasskalte Witterung dämpft weitere Spekulationen und Erwartungen.

Organisation und Logistik sind – wie beim ersten Mal - tadellos, der Tee an den Verpflegungsstellen allerdings meist schon kalt (warum komme ich auch so spät ....). Die Zeit wird alle 5 Kilometer gemessen, keine Gefährdung durch ungestüme Fiats oder Alfas. Trotz des miesen Wetters ist das Zuschauerinteresse für italienische Verhältnisse durchaus in Ordnung. Bravi, bravi, dai, dai wird aus Pelzkrägen gerufen. Die Motivation kehrt zurück. Draußen beim Fussballstadion des AC Fiorentina wird es dann wirklich bitterkalt. Regen peitscht mir ins Gesicht. Warum bin ich hier?

Dann endlich die magische 30iger-Markierung. Zurück ins Zentrum und vorbei am prächtigen Dom mit Brunelleschis gigantischem Kuppelbau. Man quert die Piazza della Repubblica. Auf dem rutschigen Pflaster ist Vorsicht geboten. Die eine oder andere Wasserlache wird voll getroffen. Wieder entlang des Arnos, dann hinüber über die Ponte San Trinita, zurück über die Ponte Vecchio mit ihren vielen Verkaufsläden. Mitten auf der Brücke die Tafel mit KM 39. Jetzt Durchbeißen. Bitte.

Knapp nach Kilometer 41 wird eine junge Athletin, auf dem Boden liegend, eingepackt in wärmende Folie, von der Ambulanza versorgt, für sie wohl Ende des Rennens. Die letzten Meter werden zäh wie schon lange nicht. Doch da erwacht kurzfristig der Kämpfer in mir, ein paar Läufer kann ich doch noch überholen, mein Oberschenkel brennt. Endlich der blaue Teppich auf der Piazza Santa Croce. Stehenbleiben. Medaille um den Hals. Der Kopf von Dante, dem Nationaldichter, ziert das Metall. Ein paar Tränen habe ich schon in den Augen, so schwer wie heute war es wohl noch nie. Die 3 Stunden 11 Minuten sind Nebensache. Humpelnd hole ich meine Tasche, keine Fotos, die Finger sind viel zu kalt gefroren, mein Laufkollege ist schon im Hotel und steht unter der heißen Dusche. Alla prossima volta a Firenze .... aber dann wieder mit prächtigem Sonnenschein, per favore.

Bestens organisierter Stadtlauf zum Weiterempfehlen, wunderbare Kulisse, asics-Sportartikel für jeden Starter, Teilnehmer aus der ganzen Welt        

 

Informationen: Firenze Marathon
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