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Laufberichte

Erst Schneeberg, dann Hitze

14.07.07

Wenn nur die Fahrerei nicht wäre

 

Stuttgart – Nürnberg – Bayreuth und noch weitere 40 Kilometer und ich wäre nach dreieinhalb Stunden Fahrt im Fichtelbegirge gewesen. Aber man muss auf der A6 bis Nürnberg fahren und auf dem elenden Autobahnabschnitt vor Nürnberg läuft es nie wie es soll. Auch an diesem Freitagnachmittag kam ich kaum vorwärts, zwei Stunden Stau wegen eines ausgebrannten Lastwagens. Als ich dann endlich gegen 21.20 in Wunsiedel ankam, war die Startnummernausgabe natürlich geschlossen. Da musste ich eben am nächsten Morgen früher aufstehen, um an meine Startnummer zu kommen.


Normalerweise lasse ich das Fichtelgebirge bei meinen Fahrten in den Norden stets rechts liegen, diesmal jedoch war ich mitten drin. Der Marathon führt von Weißenstadt nach Wunsiedel, über den mit 1.052m höchsten Gipfel des Fichtelgebirges, den Schneeberg. Das Höhendiagramm zeigte zwei An-stiege, einen mit vielleicht 430 Metern und einen mit knapp 200 Metern und insgesamt sollten es etwa 800 Höhenmeter sein. Klaus Duwe versicherte mir dann noch, dass ich die Anstiege alle joggen könn-te. Ich war also optimistisch, im Fichtelgebirge einen lockeren Lauf machen zu können.


In Wunsiedel, im Gebäude der Fa. Dronco, konnte man am Lauftag von 6-6.45 Uhr seine Startunterla-gen abholen und um 7.30 Uhr dann von dort aus mit dem kostenlosen Bus zum Start nach Weißenstadt fahren. Das Ziel war im Stadion von Wunsiedel, keine 300 Meter von der Fa. Dronco entfernt. Also parkte ich dort mein Auto und fuhr anschließend mit dem Bus zum Start. Nach Weißenstadt zu fahren und dort das Auto zu parken ist keine gute Idee, denn ein Transport nach dem Lauf hierher zurück wird nicht angeboten.


Hatten wir in den vorangegangenen Tagen noch kaltes, regnerisches Wetter, war es am Freitag bereits warm geworden und für den Lauftag waren Sonne und Temperaturen bis zu 29 Grad angesagt. Da die Strecke aber größtenteils im Wald verlief, machte ich mir da keine großen Sorgen.


Blauer Himmel, angenehme Temperatur, ein idyllischer See – wirklich beste Bedingungen in guter Stimmung den Lauf zu beginnen. Alles wuselte geschäftig umher, einlaufen, dehnen, Gepäckabgabe und kurz nach 8.30 Uhr war dann Start.


Weiß der Teufel warum, aber heute fühlte ich mich gar nicht gut. Viel gefrühstückt hatte ich nicht, trotzdem hatte ich ein Gefühl wie nach einem opulenten Mahl. Bereits nach ein paar Metern spannten meine Waden, als wäre ich gestern bereits einen Marathon gelaufen. Kurz und gut, ich kam kaum vorwärts und war mal wieder in Windeseile Letzter, obwohl ich diesmal nicht langsam losgelaufen bin.


Zu allem Übel drängte mich auch noch ein menschliches Bedürfnis - aber weit und breit keine Gele-genheit. Offensichtlich ging es einem Kollegen genauso, denn als wir am Freibad vorbeikamen, rannte er geradewegs auf die Türe mit der Aufschrift „WC“ zu. Schön, dann war ich wenigstens nicht mehr Letzter. Ein paar hundert Meter später hatte auch ich endlich Gelegenheit, einen Busch aufzusuchen.


Die ersten Kilometer führten uns rund um den Weißenstädter See, mit schönen Ausblicken auf das Wasser, und wenn meine verspannten Waden nicht gewesen wären, hätte ich das alles genießen können. So aber machte ich einen erbärmlichen Anblick, wie ich humpelnd daherkam. Da ich jedoch als Letzter lief, der Kollege hinter mir noch auf dem WC war und alle anderen weit vor mir, konnte das niemand sehen, auch nicht, dass ich nach drei Kilometern auf der absolut ebenen Uferstraße in den Gehschritt überging. Das war mir aber auch noch nie passiert. Konnte ich denn heute den Marathon überhaupt durchstehen?



Nach etwa vier Kilometern war der See umrundet. Hier warteten die zwei Fahrradfahrerinnen, die offensichtlich den Schluss machen wollten. „Dich haben wir aber auch nicht gesehen!“, begrüßten sie mich, als ich langsam vorbeijoggte. „Ja, ich war kurz Mal draußen! Aber hinter mir kommt noch mal einer.“ Da hatte ich aber Glück gehabt, dass ich nur der Vorletzte war. Stets, wenn ich später zurückblickte, sah ich, wie sie ganz dicht hinter dem bedauernswerten Letzten drein fuhren. Das grenzte ja schon an Psychoterror!


Zuerst liefen wir noch ein paar hundert Meter auf einer Landstraße und schwenkten dann nach links weg in den Wald. Bis jetzt waren wir in der Sonne gelaufen, die aber um diese Uhrzeit noch nicht allzu warm war. Einen ersten Eindruck aber konnte man aber jetzt schon bekommen, wie das noch werden würde. Ich war also ganz froh, dass es im Kühlen weiter ging, denn nun kam der Anstieg, hoch auf den Gipfel des Schneeberg. Wenigstens auf diesen knapp acht Kilometern würde man wohl Schatten haben? So war es dann auch.


Da meine Waden immer noch größten Ärger machten, begann ich sofort beim ersten leichten Ansteigen zu gehen. Da es im Wechsel immer wieder mal eben wurde musste ich immer wieder Mal joggen. Wie durch ein Wunder ging es mir immer besser und etwa ab Kilometer sieben hatte ich endlich keine Beschwerden mehr.


Allerdings hatte mir Klaus zuviel versprochen, bzw. hatte mich viel zu gut eingeschätzt. Joggen war hier und heute für mich kaum möglich. Eine kerzengerade, steile Teerstraße führte uns jetzt hoch. An der Verpflegungsstelle machte ich ein Bild vom Anstieg und musste mir sofort anhören, dass das hier noch längst nicht der steilste Abschnitt sei.


Froh, dass ich meine Beschwerden los war, marschierte ich mit flottem Schritt die Straße hoch und konnte hier endlich ein paar Läuferinnen und Läufer überholen. Oben angekommen sah ich den Turm, der mir bereits gestern bei der Anfahrt unangenehm aufgefallen war, ragte doch da ein massiver, gedrungener Klotz auf der Kuppe des Schneebergs aus dem Wald heraus. Irgendwie gefiel mir dieser Turm nicht. Er sah aus wie ein Wasserturm, konnte das aber nicht sein, da man auf so einem hohen Berg keinen Wasserturm errichtet, allerhöchstens einen Wasserbehälter.


Mein schlechtes Gefühl hatte mich nicht getrogen. Dieser Turm diente nach dem 2. Weltkrieg den US-Streitkräften, um mit Antennen und Parabolspiegeln den „Feind im Osten“ zu belauschen. Später dann baute auch die Bundeswehr Antennenmasten zu „Aufklärungszwecken“. Nach der militärischen Entspannung wurden dann in den Jahren 1992 bis 94 die militärischen Anlagen aufgegeben und jetzt sind hier nur noch Mobilfunkantennen in Betrieb und der hässliche, bedrohliche Turm könnte eigent-lich abgerissen werden.



Ich war froh, dass ich den Gipfel erreicht hatte. Durch das viele Gehen hatte ich viel Zeit verloren, 81 Minuten für 11 Kilometer war nicht berauschend. Ich hoffte also, dass ich ab jetzt joggen konnte. Tat-sächlich führte die Strecke die nächsten 12 Kilometer mehr als 500m abwärts, sie verlief im schattigen Wald, und ich konnte hier bestens laufen.


Durch den vielen Regen in den Tagen zuvor, war der Wald noch sehr feucht; stellenweise musste man sogar Wasserpfützen ausweichen. Gerade diese Feuchtigkeit aber sorgte dafür, dass es auch sehr angenehm kühl war. Wir hatten also beste Bedingungen. Vor allem aber war der Abstieg vom Berg hinunter sehr abwechslungsreich. Mal steiler bergab, mal ganz sanft, dann wieder eben oder gar ein kurzes Stück wieder aufwärts, stets auf Wirtschaftswegen, die ganz unterschiedlich waren, vom gewölbten Weg, bis zum ganz fein geschotterten, flachen Untergrund, gab es alles.


Da ich bei meinen letzten fünf Wettkämpfen stets auch lange Abwärtspassagen laufen musste, war ich das abwärts Laufen gewohnt und mir fiel dieser Abschnitt sehr leicht. Als ich dann kurz vor Kilometer 21 unten war und aus dem Wald herauskam, zeigte die Uhr eine Laufzeit von 2:35 h. Wenn der zweite Anstieg nicht mehr so steil war, konnte das vielleicht eine Endzeit um die fünf Stunden geben.


Der Wald lag hinter uns, wir liefen jetzt ganz ungeschützt in der Sonne. Es war 11 Uhr vorbei und damit schon sehr warm. Nun, irgendwann würde es schon wieder in den Wald gehen. Zuerst aber ging es auf der ehemaligen Bahntrasse nach Tröstau, in der Hitze durch den Ort, bis zur schattigen Verpflegungsstelle am Ortsausgang. Hier holte ich auch den ältesten Teilnehmer des Wettbewerbs ein. Wenn ich irgendwann auch in der M 70 laufe, hoffe ich, dass ich dann noch so fit bin wie dieser Läufer.



Wie bisher auch, war diese Verpflegungsstelle bestens ausgestattet, verschiedene Getränke, incl. Cola, aber auch Brotstückchen, Schokolade, Bananen und was weiß ich. Auch die Abstände zwischen den Verpflegungsstellen waren intelligent ausgedacht. Anfänglich kamen sie alle vier bis fünf Kilometer. Danach waren die Abstände kürzer und auf den letzten 10 Kilometern kam beinahe alle zwei bis drei Kilometer eine Station, ideal also für alle, die auf der zweiten Hälfte gute Betreuung brauchten.

 

Insgesamt 12 Verpflegungsstellen hatte man aufgeboten und, aufgrund des heißen Wetters, auch noch ein paar Wasserstellen dazwischen positioniert. Überall wurde man sehr herzlich bedient, da spürte man, dass alle mit Herzblut dabei waren. Großes Lob an alle!


Auf einer Teerstraße ging es hinaus aus Tröstau und hoch, vorbei an einer gepflegten Golfanlage, bis es dann links von der Straße weg ging und man bald wieder im Wald lief. Schlagartig war es wieder angenehm, keine Spur mehr von der brütenden Hitze.


Wie erhofft konnte ich den zweiten Anstieg größtenteils joggen, eine Zeit um die fünf Stunden war immer noch realistisch. Vielleicht zweihundert Meter bevor ich den zweiten Anstieg geschafft hatte, sah ich wie sich plötzlich ein Läufer vor mir umdrehte und mir entgegen kam. Wollte der tatsächlich aufhören? Ich sprach ihn an und überredete ihn, weiter zu laufen. Wir seien doch gleich oben und ab da würde es sehr viel leichter werden. Wenn er jetzt aufgeben würde, würde er sich noch lange Vorwürfe machen.

 

Tatsächlich ließ er sich umstimmen und ging wieder mit hoch. Das sei sein erster Ma-rathon, bisher sei er aber bereits viele Halbmarathons gelaufen. Nun, da hatte er einfach nicht bedacht, dass ein Marathon eben nicht nur die Summe zweier Halbmarathons ist. Hier bei Kilometer 27 war ihm der „Mann mit dem Hammer“ begegnet. Ich empfahl ihm noch, viel Cola zu trinken und verab-schiedete mich dann. Leider fand ich ihn nicht in der Ergebnisliste. Vermutlich ist er irgendwann doch noch ausgestiegen.


Die nächsten Kilometer verliefen teils eben, teils ging es angenehm abwärts. Ich war noch erstaunlich gut beieinander, kam flott voran und konnte ab jetzt doch noch einige ein- und überholen. Auch an Ralf kam ich vorbei. Wir waren 2003 gemeinsam beim Marathon des Sables. Aber schon vor dem Start hatte er mir gesagt, dass er diesen Wüstenlauf heute nicht mehr schaffen würde. Er lief nur noch so zum Spaß, keine längeren Läufe mehr, im Jahr vielleicht noch fünf Marathons. Offensichtlich war er heute zu schnell gestartet und musste das jetzt mit Krämpfen büßen.



Bereits die letzten Kilometer war es auch im Wald merklich wärmer geworden und als wir etwa bei Kilometer 35 den Schatten verließen, wurde es richtig unangenehm heiß. Es war Mittag, die Sonne stand nahezu senkrecht und die angekündigten 29 Grad waren ganz locker erreicht und wohl auch übertroffen. Überall auf den Wiesen war Betrieb, es wurde Heu gemacht. Gras wurde gemäht, oder das bereits angetrocknete Gras gewendet. Hätte ich nicht laufen müssen, wäre heute ein Bilderbuch-sommertag zum Faulenzen gewesen.


Aber erstaunlicherweise hatte ich immer noch Reserven. Ich konnte auch in der Hitze mein Tempo halten, trank an allen Verpflegungsstellen, die jetzt sehr dicht aufeinander folgten, je zwei Becher Cola und rechnete mir eine Zeit knapp unter fünf Stunden aus. Noch zwei oder drei Läufer konnte ich über-holen, bevor ich dann im Stadion im Ziel war: 4:56:40 zeigte die Uhr, ich war zufrieden.



Während ich ein alkoholfreies Bier trank und auf Ralf wartete, fand die Siegerehrung der Halbma-rathonis statt. Nebenbei fand die Sprecherin aber noch Zeit, jeden einzelnen Finisher persönlich zu begrüßen und vorzustellen. Auch konnte sie noch über das Laufen philosophieren. Drei Dinge gleich-zeitig, da muss eines leiden! Nicht anders ist ihre Behauptung zu erklären: „Wer den Marathon hier nicht innerhalb der vorgesehenen 5:30 Stunden schafft, sollte sich überlegen, ob er nicht besser Halbmarathon läuft!“ Da hat sie sich aber mächtig vergaloppiert, da ist sie aber weit hinter dem derzei-tigen Trend. Die Läuferinnen und Läufer werden immer älter und damit nicht automatisch schneller. Leute, überlegt euch, das Zeitlimit zukünftig auszudehnen auf sechs, besser 6,5 Stunden!


Aber ansonsten kann man diesen Marathon nur in den höchsten Tönen loben. So eine interessante Veränderung der Eindrücke, das anspruchsvolle Profil, bei dem es jeweils rechtzeitig wieder abwärts ging, bevor die Kräfte nachlassen, der schöne Wechsel zwischen Wald und Landschaft, die intelligent gestaffelten Verpflegungsstellen mit den herzlichen Leuten – was will man mehr!

 

Marathonsieger

Männer

1. Klaus Wießner Lauffreunde Gößweinstein  02:57:00
2. Ewald Weißengruber SV Gallneukirchen 02:57:50
3. Thomas Herget LG Fulda 02:59:08

 

Frauen

1.  Birgit Lennartz LLG St. Augustin  03:41:15
2.  Brigitte Bärnreuther FSV Großenseebach   03:47:02
3.  Angela Frisch ESV Lok Adorf  03:47:12


Kosten

Marathon: 20 Euro bis 30 Euro je nach Anmeldezeitpunkt.
Halbmarathon: 10 Euro bis 15 Euro je nach Anmeldezeitpunkt.


Zeitnahme

Zeitmessung kostenlosem Leihchip.


Streckenbeschreibung 

Punkt zu Punkt Strecke; vom Start in Weißenstadt (620m) über den Schneeberg (1.050m) bis nach Wunsiedel.

 

Auszeichnung

Medaille, Urkunde per Internet.


Verpflegung

Insgesamt 12 Verpflegungsstationen: Wasser, Iso, Cola, Bananen, Schokolade, Brot, usw.

 

Zuschauer

Wenige am Start und natürlich im Ziel, unterwegs allerhöchstens Wanderer.

 

Finisher

190 beim Marathon, 203 beim Halbmarathon

 

Informationen: Fichtelgebirgsmarathon
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