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Laufberichte

Eine Stadt, zwei Länder

01.06.14

Marathonläufe durch mehrere Länder haben einen besonderen Sammlerwert. Besonders die an der Ostgrenze (z. B. Görlitz- und Usedom Marathon), wo es erst seit Dezember 2007 offiziell keine Passkontrollen mehr zwischen Deutschland und Polen gibt.

Der Görlitz Marathon hat aber noch eine andere Attraktion - und das ist die Stadt selbst. Im 2. Weltkrieg sind zwar viele historische Städte zerbombt worden, trotzdem gibt es ca. 4.000 historische Gebäude aus verschiedenen Zeitepochen. Im Altstadtbereich findet man die spätgotischen, Renaissance- und Barockbürgerhäuser und im Umkreis die aus der Gründerzeit. Görlitz wurde zu einem Modellfall für Stadtsanierung,  da der Verfall der historischen Gebäude besonders schlimm war. Zu DDR-Zeiten gab es den Spruch: "Ruinen schaffen ohne Waffen".

Eigentlich gibt es Görlitz zweimal, einmal die Stadt Görlitz in Sachsen und auf der anderen Seite der Neiße in Polen die Stadt Zgorzelec, was in deutsch auch Görlitz heißt und früher die Ostvorstadt von Görlitz war. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Grenze durch die Lausitzer Neiße gezogen und seit dem gibt es die polnische Stadt Zgorzelec. Das schöne ist, dass beide Städte schon seit langem eine enge Freundschaft pflegen und in vielen öffentlichen Bereichen zusammen arbeiten.  

So auch im Sport, wie z. B. beim EUROPA Marathon. Neben dem Marathonlauf gibt es noch den Marathon für Handbiker, Skater, Tretroller/Rollstuhlfahrer. Wer es gern kürzer hat, kann den Halbmarathon laufen oder skaten oder auch am 5km oder 10km Lauf teilnehmen. Für die Jüngsten gibt es den Bambinilauf und ganz neu in diesem Jahr das 2km Kinder-Skaten. Wer sich bis zum Dreikönigstag anmeldet, bezahlt nur 25€ für den Marathon. Die Zeitmessung erfolgt mit dem Champion-Chip.

 



Quartier beziehe ich bei meinem Lauffreund und M4Y-Reporterkollegen Günter Schmidt in Wermsdorf. Wir fahren früh morgens los und erreichen gegen 8 Uhr die Innenstadt von Görlitz. Am Morgen gibt es noch viel Platz zum Parken und so haben wir auch nur 5 Minuten zu Fuß bis zum Augustum-Annen-Gymnasium, wo wir unsere Startunterlagen abholen. Unterwegs treffen wir auf meinen Lauffreund Klaus Egedesø vom Horsensrun/Klub 100 Marathon DK. Klaus hat eine Anreise von 800km hinter sich.

Dann geht es zum Start, der sich nur 100m hinter dem Dicken Turm, wie er von den Görlitzern genannt wird, befindet. Der 46m hohe Frauenturm wurde 1250 errichtet als Teil der Stadtbefestigung. Hinter dem Turm befindet sich zwischen der Elisabethstraße ein Grüngürtel, der jetzt schon gut frequentiert ist von Läufern und Zuschauern.

Hier treffe ich auf Gerd Papcke, den Schwaben aus Hamburg. Gerd ist 81 Jahre alt und wird heute seinen 410. Marathon laufen. Günter trifft Lukas Küpper aus Aachen, mit dem er sich die Schiedsrichterkabine als Schlafplatz beim Senftenberg Hallenmarathon geteilt hat. Lukas hat dort den Marathon gewonnen, heute sagt er, wird er nicht mit vorne dabei sein.

Gerade sind die Marathon-Handbiker und kurz danach die Marathon Skater/Tretroller und Rollstuhlfahrer gestartet. Es ist 9:10 Uhr  und los geht es für unsere kleine Marathongruppe von rund 150 Startern. Die ersten 200m geht es bergab und alle rennen los, als wollten sie den Lauf gewinnen. Nach den ersten 500m geht es aber bereits etwas aufwärts und die Gruppe zieht sich ganz schnell auseinander.

 



Wir umlaufen den Stadtpark und kommen schon nach dem Km-Schild 1 an die deutsch-polnische Grenze. Vor der Lausitzer Neiße sind wir in Görlitz und hinter der Friedensbrücke sind wir in Zgorzelec, dem Polnischen Görlitz. Hier werden wir lautstark von einer Trommelgruppe empfangen. Wir laufen zum Andrzeya Blachanca Park. Viele große Hinweise auf billige Zigaretten und Wechselstuben gibt es hier. Die Polen haben ja noch keinen Euro, man muss also in Zloty bezahlen.

Wir umrunden einen Teil dieses sehr großen und sehr schönen Parks. Kaum sind wir 2,5 km gelaufen,  kommt schon die 2. Versorgungsstation. Das ist heute mehr als vorbildlich. Verdursten wird heute keiner, selbst bei 30 Grad (was schon mal vorkam), würden die Wasserstationen ausreichen.

Nun folgen wir einer sehr langen Geraden, die uns bis zum Stadtrand bringt. Dort gibt es eine Marathonwende. Fast das ganze Feld kommt uns entgegen. Am Wendepunkt sind es 4,3km. Günter unterhält sich mit Djuro Dobrijevic aus Selb, vielen Ultras bekannt durch seine Spendenläufe für krebskranke Kinder. Man könnte sagen, dass er heute eine Kurzdistanz läuft, denn seine Strecken sind die 50 bzw. 100km Läufe oder auch die 6h, 12h, 24h und 48h Läufe. Der heute 70-jährige hat noch in 2002 (M55) einen persönlichen Rekord von 319,64 km bei einem 48h Lauf aufgestellt.

Nach der Wende passieren wir das 5km Schild, kurz danach kommt ein Anstieg. Auf halber Höhe laufe ich zum Rollstuhlfahrer Daniel auf. Hier am steilsten Stück hat er schwer zu kämpfen, denn ist mit einem ganz normalen Rollstuhl unterwegs. Ich ihm gerne helfen, das hätte aber seine Disqualifikation zur Folge. Hinter uns fährt das Schlussfahrzeug. Denen würde der Hilfsdienst nicht entgehen. Also allein weiter über den Berg und ab in die Wohnsiedlung. Viele Bewohner sind beim Kirchgang.

Wir kommen an einem Friedhof vorbei, auf dem 2292 polnischen Soldaten begraben sind, im Frühjahr 1945 hier gefallen sind. 7 km sind geschafft und die Sonne heizt uns schon richtig ein. Das bedeutet, viel trinken. Das ist heute aber kein Problem.

Einen Kilometer weiter haben wir wieder ein kurzes Begegnungsstück. Am nächsten Versorgungspunkt fällt eine riesige und sehr ungewöhnliche Kirche auf. Es ist die St. Josef Kirche, in der bis zu 800 Personen Platz finden. Sonntags werden hier bis zu sieben Heilige Messen gelesen.

 



Bei der Wende sind 10 Km erreicht, zwei Kilometer weiter ist die Schleife absolviert und es geht in Richtung Zgorzelec Innenstadt und über die Neiße verlassen wir wieder Polen. Im Stadtpark heißt es recht freundlich sein, denn dort sitzt ein Fotograf. Es ist nicht irgendeiner, sondern Martin, einer der Veranstalter vom Chemnitz Marathon. 1000 Meter weiter liegt  Dirk mit der Kamera auf der Lauer, der andere Marathon-Macher. Es gibt eine, nein zwei herzliche Begrüßungen und auch ein kurzes Schwätzchen.

Zwischen Km 14 und 15 geht es für uns wieder einmal aufwärts. Hier kommen uns die Skater bergab entgegen geschossen. Gut,  dass die die Außenbahn haben.  Wir kommen zum Bahnhof und folgen der B99. Vorbei an Kleingärten und Wohnsiedlungen kommen wir wieder raus aus der Stadt.

Innerhalb einer weiteren Schleife wird die Halbdistanz erreicht. Zurück geht es über Rauschwalde und Schlauroth. An den Autohäusern machen wir eine Trinkpause. Die Helfer erklären uns, dass wir noch um die Landeskrone laufen müssen. Weit im Hintergrund stehen auf einem 420m hohen Basaltkegel die Reste der ehemaligen hochmittelalterlichen Burganlage. Es ist noch weit, aber wir sind ja auch erst 27,5km gelaufen. Irgendwie müssen die 42 km zusammen kommen.

Es geht durch die Dorfstraße. Neben lauter Musik gibt es auch Bier. Na gut,  zwei Schluck, das reicht. Ein paar Häuser weiter sitzen wieder einige Leute zusammen, um auch noch die letzten Marathonis zu bestaunen. Auch hier lautet die Frage: Wasser oder lieber Bier?  Diesmal nur ein Foto und weiter geht’s.

Zwischen Feldern und der Landstraße kommen nach Pfaffendorf. Der Ort entstand während der fränkisch-thüringischen Besiedlung im 12. Jh. Wir kommen an einem Hexenhäuschen vorbei. Ob und wie es bewohnt ist, können wir nicht sehen. Wir sind auf der Rückseite der Landeskrone.  In Kunnerwitz sind dann 35 km geschafft.  Wir sehen die große Erlöserkirche von Carl Friedrich Schinkel.

Die nächsten 3km führen uns durch viel Grün an den Rand von Heinhübel, das ist ein Stadtteil von Görlitz. Es geht ca. 1,5 km durch den Ort immer der Zittauer Straße entlang. Günter warnt mich vor einem langen Anstieg einen Weinberg hoch. Ich denke der flunkert, denn ein Berg ist nicht zu sehen. Bei km 39 geht die Prophezeiung in Erfüllung. Einen knappen Kilometer geht es tatsächlich einen ehemaligen Weinberg hoch.

Wo es rauf geht, geht es auch wieder runter. Wir laufen durch den Park und haben es bei km 40 und km 41 noch einmal mit kleinen „Unebenheiten“ zu tun. Verdammt, dieser Marathon hat doch so seine Höhenmeter. Noch 195 Meter. Um die Häuserecke und wir sind wieder auf der Elisabethstraße. Jetzt ab durchs Ziel und unsere hart verdiente Medaille empfangen.

Da wir wissen, dass noch drei Läufer hinter uns sind, bleiben wir im Zielbereich und warten auf sie. Zu unserem Erstaunen kommt knapp über der 6 Stundengrenze schon Gerd Papcke. Respekt und Gratulation  dem 81jährigen. Bald kommen auch der 67-jährige Pole Andrzey Traler und Djuro Dobrijevic ins Ziel.

Als Fazit könnte man sagen: Eine sehr gut organisierte Veranstaltung mit vielen Versorgungsstellen. Schade nur, dass man von der Altstadt  und vielen Denkmälern nichts zu sehen bekommt.

Marathonsieger:


1.    Alex Beutelmann    Bombardier Görlitz        2:55:35
2.    Michal Kunczak        Zgorzelec            2:58:59
3.    Micha Bär        Mic Mörsdorf            2:59:19

Marathonsiegerinnen:


1.    Franziska Kranich    LSV Niesky            3:20:06
2.    Sabine Mönch        Erlebniswelt Krauschwitz    3:26:10
3.    Carmen Wolf        SG47 Wolkenstein        3:26:27

141 Finisher

 

Informationen: Europa-Marathon Görlitz
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