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Laufberichte

Graue Maus - oder: Was eine Startnummer ausmacht

27.03.11
Autor: Klaus Duwe

Die ganze Geschichte wollt Ihr nicht wissen. Deshalb ganz kurz: Ich habe mit Eschollbrücken noch eine Rechnung offen. 2008 war’s, acht Marathons hatte ich in dem Jahr schon hinter mir, jetzt sollten es die 50 km in Eschollbrücken sein, als Vorbereitung für ein an Höhepunkten reiches Jahr.

Nach 30 km war Schluss nicht nur an diesem Tag, sondern für das ganze Jahr. Schlimmer noch: Nach dem Schienbeinkantensyndrom  kamen erst der Meniskus und dann die Athrose im Knie. Nicht mal annähernd habe ich seither an alte Zeiten anknüpfen können.

Ganz blöd läuft es dieses Jahr. Nach dem mit Hängen und Würgen absolvierten Wintermarathon in Leipzig sollte mich eine ganz konservative Vorbereitung  mit Schwerpunkt Ausdauer an einen „ordentlichen“ Frühjahrsmarathon  heranführen. Eine hartnäckige Erkältung mit fast dreiwöchiger Laufabstinenz macht mir einen Strich durch die Rechnung.

Aber Eschollbrücken muss jetzt sein. Keineswegs aber will ich die Scharte auswetzen und jetzt den 50er finishen. Nein, ich bin bescheiden. Die fehlenden 20 km aus 2008 will ich laufen.  Ehrgeizig genug, wenn ich daran denke, dass ich vergangenen Freitag nicht mal eine Stunde ohne Gehpause laufen konnte.

Keine Ahnung, wie der Joe das macht. Er ist nach seiner langen Verletzung 100 % zurück. Gestern in Königsforst, heute hier. Hoffentlich übertreibt er nicht.

Der Ultramarathon in Eschollbrücken ist eine jener liebevoll von Idealisten organisierten, familiären Veranstaltungen, ohne die es in der Laufszene schlecht bestellt wäre. Zum 20. Mal findet der Lauf in diesem Jahr bereits statt, wie immer ohne Schnick-Schnack. Nachdem jeder seine ganz private Pastaparty zu Hause genossen hat, trifft man sich am Sonntagmorgen mehr oder weniger verschlafen (Sommerzeit!) am Sportplatz des kleinen Ortes in der Nähe von Pfungstadt, nicht weit von Darmstadt.

126 Ultras haben sich für die 50 km eingeschrieben. Man ist zufrieden, nie waren es mehr, meistens wesentlich weniger. Offensichtlich sprechen sich die Vorzüge solcher „langen Läufe auf kleiner Fläche“ herum. Gelaufen wird nämlich auf einem 5 km-Rundkurs. Und weil der in Eschollbrücken nicht über asphaltierte Pisten, sondern eher rustikal durch Wald und Wiesen geht, ist der Lauf eine ideale Vorbereitung zum Beispiel für den Rennsteig-Supermarathon.  Bequemer geht es nämlich nicht: Alle 5 km eine Super-Verpflegung, zwischendurch Getränke und auf der Tribüne Wechselklamotten, falls die Temperaturen steigen oder umgekehrt, falls es regnen sollte. Und unterwegs gibt es jede Menge Kurzweil, weil man nie alleine ist.

Die Verantwortlichen des TSV Eschollbrücken-Eich sind bestimmt nicht böse, wenn man ihre Veranstaltung als „Graue Maus“ bezeichnet.  Sie sind diesmal aber nicht gemeint. Der Titel bezieht sich eher auf mich. Zum ersten Mal, seit es marathon4you gibt, trete ich im neutralen, grauen Dress an. Kein auffälliger Schriftzug weist mich als laufenden Reporter aus.  Das ist gut so. Es muss nicht jeder wissen, wer der Lahmarsch da ist. Aber die Verkleidung hätte ich mir sparen können. Die Starter bei Läufen wie diesen hier sind vom Fach und kennen ihre Pappenheimer.  „Hallo Klaus, schön dass Du da bist“, freut man sich mit mir, dass ich wieder einmal an der Startlinie stehe.

Und dann geht’s los. Die schnellen Hirsche haben nichts zu verschenken und spurten in den Wald, die anderen setzen sich  mehr oder weniger gelassen in Gang. Trotzdem haben mich nach ein paar Fotos fast alle passiert. Nur eine kleine Gruppe ist nach einem Kilometer noch weiter zurück.

Gleich sind wir auf dem Damm und laufen Richtung Autobahn. Nur kurz stört der Lärm, dann sind wir in dichtem Kiefernwald. Bei  km 3 ist eine Getränkestelle.  Von dort führt ein holpriger Wiesenweg entlang von Spargeläckern zurück Richtung Eschollbrücken. Am Ortsrand gibt es auf einem kleinen Umweg eine kurze Traileinlage. Dann wird bereits  der 4. Kilometer angezeigt und gleich sind wir am Sportplatz und laufen dort auf dem weichen Rasen eine Schleife, aufmerksam verfolgt von den Rundenzählern, die unbestechlich  Protokoll führen.  Bei Start und Ziel kann man sich ausgiebig verpflegen und dann die nächste Runde in Angriff nehmen.

Alles ist, wie ich es in Erinnerung habe. Auf der zweiten Runde ist das kurze Begegnungsstück gleich nach dem Beginn schon sehr belebt. Hier hat wieder Gerhard Posten bezogen. Der Mann hat entweder ein Giga-Namensgedächtnis, oder er findet sich blitzschnell auf seiner Teilnehmerliste zurecht. Jedenfalls begrüßt er die aus zwei Richtungen kommenden Läuferinnen und Läufer mit Namen und aufmunternden Worten. Dazu steppt er diesmal auch noch.

Ich muss mich wundern, ich bin zwar nicht schnell unterwegs, laufe aber relativ locker und unangestrengt. Nach gut einer Stunde frage ich mich, wie mir heute etwas problemlos möglich ist, woran ich vor zwei Tagen noch kläglich gescheitert bin.  Die Startnummer macht den Unterschied. Ich habe da wohl ein mentales Problem.

Längst haben mich die führenden Männer überholt, erst Marian-Jan Olejnik, dann René Strosny. Später ändert sich das und René gewinnt.  in der dritten Runde überholt mich dann Nicole Benning, die das Frauenrennen gewinnt. 

Etwas langsamer bin ich geworden, sonst geht es gut. Auf meiner vierten und letzten Runde stellt sich sogar das Original Ultra-Feeling ein. Jedenfalls in den Beinen.  Ok, eine Runde ginge noch. Aber  ein Marathon? So nicht.

Also vollziehe ich meinen Rückzug wie geplant und bin fortan mit schwerem Fotogerät an der Strecke.  Das kann auch spannend sein und bringt mir außerdem  in meinem jetzigen Zustand mehr Anerkennung, als eine weitere Quälerei auf der Strecke.

„Hey,“ ruft eine Läuferin nach hinten, als sie mich am Streckenrand liegend und wild fotografierend entdeckt. „Dass mir keiner über marathon4you stolpert!“ „Das ist nicht das Schlimmste, was einem passieren kann“, kommt es zurück. „Hallo Klaus, wieder voller Einsatz heute!“ Soll ich überhaupt noch mal laufen?

Ja, unter Anderem nächstes Jahr in Eschollbrücken. Dann stelle ich hier eine neue persönliche Bestleistung auf und laufe 7 Runden = 35 km. Versprochen.

Siegerliste 50 km

Männer

1. Strosny, Rene  Bautzener LV 3:23:02
2. Olejnik, Marian-Jan  LG Esslingen 3:24:38
3. Stephan, Frank  Skills 04 Frankfurt 3:27:01

Frauen

1. Benning, Nicole EK Schwaikheim 4:08:31
2. Alvarez Pazos, Heike  Heppenheim* 4:20:59
3. Krieg, Stefanie  LG MuLi 4:23:45

 

Informationen: Eschollbrücker Ultra-Marathon
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