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Laufberichte

Familientreffen nach der Wende

12.07.09

Damit es keine Missverständnisse gibt: Das Ermstal liegt nicht in irgendwelchen blühenden Landschaften im Osten, sondern im Herzen der Alb, unweit von Stuttgart. Und da sich die Württemberger noch gedulden müssen, bis sie ferienhalber in den Süden ziehen dürfen, bieten ihnen die Leichtathleten von Metzingen, Dettingen und Bad Urach in einem gemeinsamen Effort zum zweiten Mal einen Marathon an. Eberhards Wunsch in seinem letztjährigen Bericht ist also in Erfüllung gegangen. Nachdem die Premiere gut tausend Teilnehmer anzog,  sind es in diesem Jahr sechzig Prozent mehr, die der Veranstaltung die Aufwartung machen. Wobei, wie mancherorts auch, der Marathon zwar Namensgeber ist, aber mit 124 Teilnehmern nicht einmal zehn Prozent des Feldes stellt. Mir ist es reichlich egal, wenn die Schülerinnen und Schüler, welche mit großem Einsatz mitlaufen, mit einem Marathon-Shirt nachhause gehen. Hoffentlich ist ihnen dieses Stück Stoff mit dem gut gestalteten Logo Motivation, sich auch weiterhin sportlich zu betätigen. Und für die Marathoniken bedeutet es, dass dieser Lauf sich trotz verhaltener Resonanz im Veranstaltungskalender halten kann.

Bei meiner Anreise sorge ich auch für geografische Verwirrung. Die Familienkutsche steht länger als geplant in Einzelteile zerlegt in der Garage, weshalb ich mit einem Ersatzwagen aufkreuze, dessen Nummernschild eine viel längere Anreise suggeriert. Mit allem erdenklichen französischen Chic und Pomp ausgerüstet, führt mich das High Tech-Wunder an den Outlets vorbei direkt ins Herzen der Fabrikverkaufsmetropole Metzingen, an den Kelterplatz.

Weil ich etwas früh zu meiner Dreipunktlandung ansetze, finde ich wenige Meter neben der Startnummernausgabe in einer der sieben Keltern einen Parkplatz – dafür sind die Garderoben noch geschlossen. Viele Teilnehmer scheinen aus der unmittelbaren Gegend zu kommen, anders kann ich mir nicht erklären, dass es noch so ruhig ist und sich die Wartezeit vor der Toilette in Grenzen hält.
Während ich meine Startnummer  und das Funktionsshirt entgegennehme (in der bescheidenen Startgebühr von € 20.- ist ein Baumwollshirt inbegriffen, das hochwertige Funktionstuch gibt’s für eine Zuzahlung von € 8.-), steht nebenan der Weltrekordhalter Horst Preisler. Trotz Voranmeldung ist er nicht auf der Liste aufgeführt und die Nennung seines Namens lässt bei den Helfern keine Glocke läuten… Ist Marathon wirklich eine solche Randsportart, dass die großen Namen nicht besser bekannt sind?

Während  unter und neben den anderen Keltern Verkaufsstände und der Start- und Zielbereich aufgebaut werden, frühstücke ich und halte Ausschau nach Dieter, der heute den fünfundneunzigsten in sein Marathon-Logbuch schreiben kann.

Die Zeit bis zum Start ist schnell verplaudert. Mit bestens aufgewärmtem Mundwerk schlendern wir zur Menschentraube hinüber, welche hinter den zwei Zeitmessohren hängt. Die meisten Sportler tragen eine mit gelber Farbe hinterlegte Startnummer. Diesen Teilnehmern des Halbmarathons möchte ich beim Erreichen einer schnellen Zeit nicht im Weg stehen. Obwohl die insgesamt 160 Höhenmeter auf der ganzen Distanz auch schnelle Zeiten auf dem langen Kanten zulassen, ist mein Schwerpunkt anders gelagert: Ein sonntäglicher Genusslauf in einer schönen Landschaft soll es werden.

Der Bürgermeister schickt uns pünktlich los und dort wo ich mich eingereiht habe, kann ich von Beginn weg mein Tempo laufen. Die Straße ist breit genug und die beiden  Kurven im rechten Winkel und die lange Fußgänger- und Radunterführung behindern das Anlaufen auch nicht.

Es stehen nicht Menschenmassen wie in Berlin am Straßenrand, aber immer wieder gibt es eine Gruppe von Angehörigen oder Anwohnern, welche die laufende Meute anfeuert.  Die einen haben  zwei lange Tische an den Straßenrand gestellt und nehmen ihr Sonntagsfrühstück einmal vor einer anderen Kulisse ein.  Nach einem Stück auf dem Radweg nach Nachhausen wartet schon der erste Verpflegungsposten. Abkühlung stellt sich nach und nach auch von oben ein. Die beim Start noch vorhandene Zuversicht, dass die für Mittag angekündigten Regenschauer sich erst dann einstellen, wird mehr und mehr aufgeweicht. Wäre es nicht wegen der Kamera, wäre es mir egal. Für einen Marathon an einem Sonntag mitten im Juli haben wir nämlich angenehmste Wetterbedingungen.

Auf dem Feld- und Radweg nach Dettingen kommt uns schon die Spitze der 10km-Läufer entgegen, die zeitgleich in Urach gestartet sind. Obwohl ab jetzt laufend Gegenverkehr herrscht, kann ich meine Augen über das Ermstal schweifen lassen. Weinberge und saftige, dicht mit Obstbäumen bestandene Wiesen da, wo wir laufen, auf der anderen Talseite bewaldete Hügel und Hänge.

Nach der Querung einer gut gesicherten Straße ist schon wieder ein Verpflegungsposten. Nicht nach Gefühl, sondern gemäß Vernunft trinke ich zwei Becher voll, bevor es an Einfamilienhäusern vorbei aufs Zentrum von Dettingen zugeht. Auch hier gibt es immer wieder Gruppen von Zuschauern, die unter Regenschirmen hervor uns ihre Unterstützung geben.

Rund um den Marktplatz sind schon einige Bewaffnete versammelt; sie werden mit ihren Stöcken später von hier aus zum Nordic Walking-Bewerb starten.

Bald sind die schönen alten Häuser im Zentrum hinter uns und nach kurzer Strecke durch ein typisches Wohngebiet laufen wir auf den Sportplatz ein und bekommen schon wieder Wasser, Bananen und Iso. Auch hier ist der Nachwuchs im Einsatz. Nach dreiviertel Runden in der eigentlich falschen Richtung verlassen wir den Sportplatz. Ein nicht asphaltierter Weg führt uns am Schwimmbad vorbei zu einer weiteren gut gesicherten Straßenquerung. Es dauert nicht lange und wir befinden uns wieder auf einem Radweg durch die reizvolle Landschaft. Da und dort in den Streuobstwiesen ist ein kleiner Anstieg zu spüren.

Die entgegenkommenden Startnummern sind nicht mehr grau hinterlegt; die in Bad Urach Gestarteten sind längst weiter, es sind diejenigen, welche die Zwischenzeitnahme passiert und schon den Rückweg angetreten haben. Ich stelle mir vor, dass es auf der Strecke recht einsam werden wird, wenn nur noch die weißen Startnummern unterwegs sind.

Die Zeit vergeht im Nu. Nicht, dass ich so schnell unterwegs wäre, aber seit dem Start sind Dieter und ich wieder in Gespräche vertieft. Dies und der stetig wechselnde Charakter der Strecke lassen die Kilometertafeln regelrecht an uns vorbeifliegen.

Ich kann es kaum glauben, dass ein Viertel hinter uns liegt, als ich die Alb Thermen in Bad Urach zwischen den Parkbäumen hindurch erblicke. Nun geht es auf die zweite Sportanlage, wo wiederum Getränke und Bananen gereicht werden. Es geht weiter zwischen den Zeitnahme-Ohren auf dem Schulhof hindurch, zurück auf die bekannte Strecke. Bis auf einen kleinen Abstecher in Richtung Buchhalde, der die sonst fehlenden Meter liefert, wissen wir, was die nächsten zehn, vielmehr dreißig, auf uns wartet. Einzig der nun talabwärts gerichtete Blick erschließt neue Ansichten und die Teilnehmer, die vorher immer in unserem Rücken waren, sehen wir nun von vorne.

So schnell wie wir in Bad Urach waren, so schnell nähern wir uns wieder Metzingen. Der für die Kamera zeitweise ungesunde Regen hat sich in der Zwischenzeit in ein leichtes Nieseln mit Unterbrüchen reduziert.  Je mehr wir uns dem Ziel nähern, umso mehr Halbmarathoniken sammeln wir ein, die sich auf der ersten Hälfte übertan haben. Wie viele davon könnte ich zu einem zweiten Durchlauf überreden?

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Informationen: Ermstal-Marathon
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