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Laufberichte

Ulm: absolut relativ

 

Eigentlich hätte ich von alleine darauf kommen können, die Namensgebung des Ulmer Marathons macht es doch nicht allzu schwierig. 1879 in Ulm geboren, ist der Physiker und Nobelpreisträger für viele der Inbegriff des Forschers und Genies schlechthin und vermutlich der berühmteste Sohn der Stadt. Neben Sophie Scholl und Hildchen Knef als bedeutende Töchter. Der Stadt, nicht des erwähnten Herrn.

 

Relativ schwierig

 

Albert Einstein begründete die physikalische Relativitätstheorie, die er 1905 als spezielle und 1916 als allgemeine Relativitätstheorie veröffentlichte. Seine Werke führten zu einer Revolution der Physik; die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie (ART) gehören bis heute zu den Grundpfeilern der modernen Physik. Ich kann leider nicht behaupten, sie wirklich begriffen zu haben: Die ART beschreibe die Wechselwirkung zwischen Materie einerseits, sowie Raum und Zeit andererseits, klärt uns Wikipedia auf, und deute Gravitation als geometrische Eigenschaft der gekrümmten vierdimensionalen Raumzeit.

Als Marathonläufer habe ich schon mit drei Dimensionen genug zu kämpfen, nämlich Länge (42,195 km), Masse (71 kg) und Zeit (möglichst unter 4 Stunden). Über die Person Albert Einstein gäbe es noch sehr viel mehr zu sagen, was an dieser Stelle jedoch zu weit führen würde. Entsprechende Publikationen gibt es zur Genüge.

 

 

Relativ klar

 

war, daß ich früher oder später einmal vor dem Ulmer Münster, das den mit 161,53 m noch vor dem Kölner Dom höchsten Kirchturm der Welt besitzt, einlaufen wollte. Den hiesigen Hunderter habe ich zwar auch schon seit langem auf dem Schirm, aber man kann sich der Stadt ja auch erst einmal auf nicht ganz so weiter Strecke nähern. Ähnlich groß wie meine Geburtsstadt Koblenz (knapp 120.000 Einwohner) ist auch sie Sitz einer Universität.

Relativ unbekannt war mir, daß die Donau, welche Ulm von Neu-Ulm trennt, zugleich die Landesgrenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern bildet. Nach fast 1.000 Jahren als freier Reichsstadt wurde sie 1802 zunächst bayrisch. Dieser Kulturschock war wohl zu groß, daher kam sie 1810 zu Württemberg, obwohl die ja auch kein Hochdeutsch können. Die Besitzungen rechts der Donau blieben bei Bayern, worauf sich ab 1810 Neu-Ulm bildete, das mit rund 50.000 Einwohnern heute die drittgrößte Stadt des bayerischen Regierungsbezirks Schwabens darstellt.

 

Relativ einfach

 

ist es wieder einmal, die Gattin vom Mitkommen zu überzeugen. „Gibt’s da einen Zehner?“, lautete die im Vorfeld übliche Standardfrage. Kann die wie hier mit Ja beantwortet werden, ist die Sache meistens schon gebongt. Fast fünf Stunden Anfahrt für knapp 400 km sind am Freitagvormittag erforderlich, um uns hierher zu bringen. Wir nutzen einen der Veranstaltertips zur Übernachtung und kommen zwar relativ hochpreisig, dafür aber auch relativ luxuriös, vor allem aber relativ nah fußläufig zum Start- und insbesondere zum Zielbereich unter. Die unmittelbar an der Donau gelegene Herberge und ihre Nähe zur Stadtmitte ermöglicht sowohl ein ausgiebiges touristisches Programm, als auch einige Joggingkilometer in attraktiver Umgebung.

 

Relativ hoch

 

geht es nach der Ankunft erst einmal hinauf. Da man spätestens um 17 Uhr den Aufstieg begonnen haben muß, nehmen wir uns direkt den erst vor 125 Jahren vollendeten Turm des Münsters vor. 768 Stufen auf 142 m Höhe lautet die Herausforderung, am Vortag des Marathons hätte ich mir das nicht mehr angetan. Eine herrliche Aussicht über die Stadt und die Umgebung belohnt uns für das mühsame Hochstiefeln. Angeblich kann man bei ganz günstiger Witterung sogar die Alpen sehen.

Im Juni fand schon zum fünften Mal der Ulmer Münsterturmlauf statt, bei dem 95 Läufer (der schnellste Mann in 2:44, die schnellste Frau in 3:44 min.) über 560 Stufen bis auf 102 m Höhe zum 2. Kranz sprinteten.

Den Abend verbringen wir im Fischer- und Gerberviertel, das aussieht, als sei es extra für Touris gemacht. Also sind wir hier genau richtig.

 

Relativ groß

 

ist die Marathonmesse, die wir samstagsvormittags in der Donauhalle aufsuchen, um unsere Startunterlagen abzuholen. Heute besteht dafür Zeit zwischen 10 und 19 Uhr. Die Donauhalle bietet Veranstaltungsräume mit 20 bis 2.300 Plätzen für Konzerte, Tagungen, Versammlungen oder festliche Bälle. Den in der Anmeldegebühr enthaltenen Gutschein für die Pastaparty werden wir abends auf dem Münsterplatz einlösen. So sollte es auch relativ wenige Ausreden geben, den Marathon-Gottesdienst um 18 Uhr im Münster zu verweigern.

Relativ sonderbar empfinde ich es, von allen Startern für die Zeitmessung separat 5 € zu fordern, anstatt, wie üblich, diesen Betrag im Nenngeld unauffällig verschwinden zu lassen. So wird es nicht wenige Wiederholungstäter geben, die dem Wechsel vom bisher genutzten ChampionChip auf das neue Einwegsystem mit nur begrenztem Verständnis begegnen. So gesehen ist z. B. der 10 km-Start in der letzten Anmeldephase mit 20 plus 5 = 25 € nicht gerade preiswert. Ob das der Grund für den Teilnehmereinbruch um ein Viertel gerade in dieser Disziplin ist?

Die relativ großen Portionen der Pasta-Party verdrücken wir nach einem ausgiebigen Stadtbummel (unglücklicherweise haben wir die Kreditkarten dabei) abends auf dem Münsterplatz, hierzu haben alle zwischen 17 und 20 Uhr Gelegenheit. Wobei die Frage zu klären wäre, ob das Ulmer Wappentier, der Spatz, etwas mit den zu verzehrenden Spätzle, dem Leibgericht der Ulmer, zu tun hat.

Der Sage nach sollen die Ulmer beim Bau des Münsters einen besonders großen Balken angekarrt, aber nicht durchs Stadttor gebracht haben. Kurz davor, das Tor einzureißen, sahen sie einen Spatzen, der einen Zweig im Schnabel trug, um diesen in sein Nest einzubauen. Und dieser Spatz flog mit dem Zweig längs durch das Tor, worauf den Ulmern ein Kronleuchter aufgegangen sein soll. Sie legten den Balken der Länge nach auf ihren Karren und nicht quer, wie bisher. Relativ intelligent also, vielleicht war Nasreddin Hodscha ja ein Ulmer? Die Spätzle jedenfalls sind al dente gekocht und rutschen längs wie quer.

 

Relativ früh

 

geht es am Morgen aus den Federn, denn bis zum Start um 9:10 Uhr sollte das Frühstück weitgehend verarbeitet sein. Der findet an der direkt dem Messegelände angeschlossenen Donauhalle (Marathonmesse) statt. Den Moderator, unseren Freund Artur Schmidt, hatten wir gestern schon auf dem Münsterplatz quasi inkognito getroffen. Er geht seiner Lieblingsbeschäftigung trotz seines 70. Geburtstags nach und verbindet heute das Angenehme mit dem Nützlichen, indem er die Familie zum Feiern nach Ulm eingeladen hat. Herzlichen Glückwunsch, Artur, und bleibe uns noch lange erhalten!

Herr Oster, Chef der Sparkasse als heutiger Hauptsponsor, glänzt durch ein mit Sachkenntnis gepaartes gutes Auge: „Bei Ihnen ist ja alles perfekt aufeinander abgestimmt!“ Einige freundliche Sätze darf ich über unser Portal ins Mikro abgeben, dann wird’s ernst. Vier zeitversetzt losgelassene Startblöcke sind gebildet für Zielzeiten bis 3:00, 3:30, 4:00 Stunden und darüber. Mein in prähistorischer Zeit erzieltes Ergebnis spült mich in den zweiten, daher kann ich in Ruhe erst einmal relativ viel Volk passieren lassen. Sind ja eh alles nur Angeber.

Schön läuft’s sich am Wasser, rechterhand ist auf der Neu-Ulmer Seite nach dem ersten km ein Wasserkraftwerk auszumachen. Elf Zugläufer für Zielzeiten zwischen 3:15 und 4:25 Std. bieten ihre Dienste an. Ich freue mich sehr, meinen österreichischen Freund Michael Dorfstätter zu treffen, der mich entscheidend bei meiner Keniahilfe unterstützt. Die ersten km vergehen wie im Fluge, während wir die nächste gemeinsame Aktion planen. Schon am Wolfgangsee werden wir uns in drei Wochen wieder sehen.

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Informationen: Einstein-Marathon
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