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Laufberichte

Ultra lang – Ultra hart – Ultra schön

 

Streckenverkürzung zur Kleinen Scheidegg

 

Schon in der Bergstation habe ich es gerüchtehalber gehört. Nicht nur der Männlichenaufstieg,  sondern auch der Abstecher zur Wengeralp und der Eigertrail direkt unterhalb der Nordwand stehen aufgrund der Wetterkapriolen aus Sicherheitsgründen auf der Streichliste. Im Endeffekt verkürzt sich unsere Strecke damit auf etwa 85 km mit insgesamt ca. 5.000 Höhenmetern, was durchaus auch noch beeindruckend klingt.

So ist der nächste Zielpunkt unseres Trails direkt die Kleine Scheidegg. Einen Vorteil hat das Ganze: Ich werde dieses Zwischenziel noch bei Tag sehen, sonst hätte ich es erst bei tiefer Nacht erreicht. Ein bequemer breiter Naturweg führt uns in leichtem Auf und Ab durch die abend- und wolkentrübe, urtümlich monotone, sanft geschwungene Berglandschaft. Grün ist die dominierende Farbe und fast nichts gibt es, was die weite Almenlandschaft durchbricht. Ein wenig an die Weiten Islands erinnert mich dies, wäre da nicht am Horizont jener mächtige, schnellbedeckte Berg: Der Eiger, nun ganz nahe.

Es ist 20:45 Uhr, als ich die Kleine Scheidegg, die Passhöhe zwischen Eiger und Lauberhorn in 2.061 m Höhe, erreiche. Bisher kannte ich diesen Ort nur als wahrhaften Rummelplatz. Kein Wunder: Hier ist der Zieleinlauf des Jungfrau Marathon und im Alltag Drehkreuz der Zahnradbahnen. Und überhaupt: Nirgendwo ist man dem berühmten Dreigestirn Mönch – Eiger – Jungfrau näher als hier. Jetzt sind fast alle Touristen weg. Abendliche Beschaulichkeit ist in den Hotels, Gasthöfen und am Bahnhof der Zahnradbahnen eingekehrt. In einem großen Tipi ist der gemütliche Versorgungsposten eingerichtet. Die warme Bouillon tut gut. Doch nur kurz verweile ich. Ich will weiterziehen und freue mich schon ein wenig, allmählich in die Nacht hinein zu laufen, auch wenn uns ein dramatischer Sonnenuntergang heute versagt bleibt.   

 

Über Alpiglen und Pfingstegg ins Ziel

 

Auf breiten Schotterwegen geht es stetig und relativ gemütlich bergab. Ziemlich nahe kommen wir der Ehrfurcht einflößenden Eiger-Nordwand. Schlicht unvorstellbar ist für mich, wie man durch diese Wand klettern kann. Und dann: Mit allerallerletzter Kraft sendet die untergehende Sonne doch noch einmal Strahlen durch das Wolkendach und färbt die Felswände in einem fahlen, unwirklichen Lila. Wow! Ein heller Lichtkegel strahlt mitten aus der Nordwand. Doch sind das keineswegs Bergsteiger, die dort biwakieren. Vielmehr ist das die Stelle, wo man von einer im Inneren des Eiger befindlichen Station der Jungfraujochbahn durch ein Fenster aus der Nordwand blicken kann. Ist das nicht irre? Weiter geht es stetig hinab. Allmählich verschwinden die Farben, versinkt alles in grauem Einerlei, sind nurmehr Konturen auszumachen. Wie am frühen Morgen läuten jetzt am Abend auch nochmals die Kuhglocken einer den Weg versperrenden Kuhherde.

Trotz der zunehmenden Dunkelheit benötige ich keine Stirnlampe, bis ich die hell erleuchtete Versorgungsstelle Alpiglen (1.616 m üNN) erreiche. Aber dann ist sie schlagartig da: Die Nacht. Wie Glühwürmchen sehe ich ab sofort die Läufer durch die Dunkelheit irren. Wobei irren nicht so ganz der passende Ausdruck ist: Denn der Streckenverlauf ist u.a. mit fluoreszierenden Lichtkörpern gut gekennzeichnet. Die letzten 14 km liegen vor uns.

Vor allem auf Asphaltwegen geht es weiter gen Grindelwald. Gar nicht mehr weit weg sehe ich  schon die Lichter des Dorfes. Doch wer sich bereits glücklich im Ziel wähnt, für den gibt es noch ein böses Erwachen. Pfingstegg lautet ganz harmlos die letzte Herausforderung, die auf uns wartet. Und die Herausforderung besteht nicht nur im erneuten Sammeln von Höhenmetern, sondern auch in einem ausgesprochen unwegsamen Pfad durch Fels und Wald. Zunächst macht es eigentlich noch Spaß, im Zickzack und Auf und Ab, über Steinbrocken und Wurzeln im Schein des Lichtkegels der Stirnlampe durch den Wald zu ziehen. Tief unter uns hören wir das wilde unsichtbare Getose eines Wildbachs. Schließlich queren wir eine schmale Brücke, aus der es eiskalt oben zieht. Es ist die enge, unglaublich tiefe Gletscherschlucht des Unteren Grindelwaldgletschers. Das Licht der Stirnlampe reicht nicht bis zum Grund herab, doch die senkrechten Felswände kann ich gut erkennen. Auch an den glatt geschliffenen Felswänden am Talrand können wir ermessen, dass einst mächtige Kräfte des Gletschereises hier gewirkt haben.

Doch wieder einmal ist es so, dass der Weg einfach kein Ende nehmen will. Nicht nur einmal vermute ich hinter Lichtquellen im Wald, dass das nun Pfingstegg sein müsse. Aber das ist stets ein Irrtum. In verdammt steilen Serpentinen schrauben wir uns den Hang empor. Geschlagene zweieinhalb Stunden bin ich seit Alpiglen unterwegs. Erst dann ist die heiß ersehnte kleine Verpflegungsstelle an der Bergstation der Pfingstegg-Seilbahn (1.392 m üNN) erreicht. Eine letzte Pause gönne ich mir und darf von hier den prachtvollen (Fast)Vollmond bewundern, der sich zwischen den sich auflösenden Wolken hervor schiebt. Es bedarf schon einer gewissen Überwindung, das finale Wegstück, die letzten 6 km in Angriff zu nehmen

Eine gegenüber dem Hinweg weitaus bequemere Fahrstraße, schließlich gar auf Asphalt führt uns ins flugs ins Tal. Blasen an den Füßen, verhärtete, ausgelaugte Beinmuskeln machen diesen Weg dennoch nicht zum Vergnügen. Zum Glück begleitet mich Andy und das Plaudern mit ihm sorgt für Kurzweil und Ablenkung vom maladen Zustand meines Beinapparats. Eine Stunde und nach einem letzten gemeinen Kurzanstieg in Grindelwald ist es so weit: Um 1:30 Uhr laufe ich erschöpft, aber glücklich ins Ziel ein.

Viel los ist nicht, aber eine nette Begrüßung erwartet mich doch. Auch die Imbissbude hat noch auf. Selten hat mir das kühle Weißbier, mit dem ich mit Daniel und Andy inmitten der Nacht auf das Finish anstoße, so geschmeckt wie in dieser Nacht in Grindelwald.

Richtig gefeiert, vor allem die Sieger, wird erst am Sonntagvormittag. Um 11 Uhr, nunmehr wieder bei Hitze und strahlendem Sonnenschein, werden vor der prachtvollen Bergkulisse die Gesamt- und Wertungskategoriensieger aufs Treppchen geholt. Überragender Star ist der Spanier Iker Karrera, der mit einer unglaublichen Zeit von 11:38:43 die Konkurrenz in Grund und Boden lief, und das auf der vollen 101 km-Distanz.

Für mich persönlich ist es jedoch ausreichend Triumph, bei der Premiere einer außergewöhnlichen, ja einmaligen Berglaufveranstaltung dabei gewesen zu sein. Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen: Auch im nächsten Jahr wird diese Veranstaltung ausgebucht sein. Man sollte sich also bei der Anmeldung nicht zu lange Zeit zu lassen.

 

Siegerliste


E 101
Männer

1. Karrera Iker, E-Tolosa 11:08.43,7
2. Jenzer Urs, Frutigen 12:28.23,5
3. von Allmen Konrad, Olten 13:13.12,7

Frauen

1. Canepa Francesca, I-Morgex (AO) 16:18.44,5
2. Zbinden Kathrin, Thierachern 17:06.36,7
3. Ogi Helene, Kandersteg 17:33.15,0

E 51
Männer

1. Janin David, Aigle 5:27.42,6
2. Cavallo Giuliano, I-Quart (AO) 5:44.23,8
3. Zeller Gerhard, Stechelberg 5:52.33,0

Frauen

1. Morbelli Simona, I-Rivalta Bormida (AL) 6:55.29,0
2. Philipp Simone, D-Weitnau 7:01.59,5
3. Eggerling Brigitte, Chur 7:03.29,0

 

Fahrt aufs Jungfraujoch

 

 
 

Informationen: Eiger Ultra Trail
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