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Laufberichte

Weil's so schön war ...

01.06.08
Autor: Klaus Duwe

„Kasseler sind Klasse“ titelte ich beim ersten Marathon letztes Jahr. Dem Sinn nach war das richtig, trotzdem gab es Proteste, vor allem von dem Einheimischen. So ein Beitrag im Internet hat den Vorteil, dass man ihn ändern kann. Ich ließ ihn stehen und dokumentiere meine Lernfähigkeit mit dieser „Richtigstellung“:

Ein Kasseler oder eine Kasselerin ist „auswärts“ geboren und nach Kassel zugezogen. Ist jemand in Kassel geboren, ist er ein Kasselaner (Kasselanerin). Sind die Eltern ebenfalls in Kassel geboren, ist er/sie  ein/e Kasseläner/Kasselänerin. Jetzt wisst ihr, wie die Überschrift richtig hätte lauten müssen.

Kompliziert, gell. Jetzt kommt aber noch „das Kasseler“ ins Spiel, das leicht angeräucherte Rippenstück vom Schwein, das gerne mit Sauerkraut serviert wird. Eine Hessische Spezialität ist das aber nicht, wie man leicht vermuten könnte. Für den Namen ist Fleischermeister Cassel verantwortlich, und der hatte sein Geschäft in Berlin.

Jetzt löse ich auch noch den Ursprung des Ausspruches „Ab nach Kassel“ auf. Zum ersten Mal taucht dieses Zitat in einem Buch über den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 auf. Auf einem Flugblatt wird folgende Szene dargestellt: Napoleon III trifft nach der verlorenen Schlacht von Sedan als Gefangener per Eisenbahn in Aachen ein. Rechts und links stehen die Sieger Bismarck und Moltke. Bismarck weist gebieterisch mit einem Arm nach Osten. Darunter ist zu lesen: „Ab nach Cassel“.


Informationen: Kassel Marathon
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"Kommt nach Kassel"  klingt  da als Einladung der Verantwortlichen zum zweiten EON-Mitte Marathon schon freundlicher. Die Premiere letztes Jahr mit über 5000 Teilnehmern, reibungsloser Organisation und toller Stimmung war ja ein voller Erfolg. Die m4y-Leserinnen und -Leser honorierten das mit der Goldmedaille und dem Prädikat "Newcomer des Jahres".


Winfried Aufenanger und seinem Team ist klar, dass es im zweiten Jahr schwer wird, den Premieren-Erfolg zu toppen. Neuerungen und Optimierungen sollen die Veranstaltung in der Erfolgspur halten. In erster Linie ist da der Zieleinlauf in der neuen Rothenbach-Halle zu nennen, wo die Bundesligahandballer der TG Melsungen sonst ihre Heimspiele austragen.

Insgesamt melden sich fast 7000 Läuferinnen und Läufer zu den verschiedenen Disziplinen an, 6642 gehen an den Start – neuer Rekord. Aber: wo sind die Marathonis? Gegenüber 1152 Finishern im letzten Jahr bedeuten die 636 Zieleinläufer schon ein gewaltiger Einbruch. Als Trost mag für die Veranstalter herhalten, dass Qualitätsgründe dafür nicht verantwortlich sind, wie die deutlichen Zuwächse in den anderen Bereichen belegen. Es ist die Terminenge – und die mit dem nie erwarteten Premierenerfolg verdammt hoch gelegte Meßlatte.

Die Laufstrecke ist unverändert, die Marathonis laufen einen 21 km Rundkurs zweimal. Gestartet wird in der Fuldaaue bei den Messenhallen, Dort ist bereits ab Freitag die Marathonmesse und das Veranstaltungszentrum mit allen Einrichtungen. Parkplätze gibt es im Umfeld der Messe ausreichend. Das Problem ist eher die Zufahrt, weil ab 7.00 Uhr in der Stadt verschiedene Straßen gesperrt werden.


Welch hervorragende Arbeit in Kassel in viele Richtungen geleistet wird, kann man auch daran erkennen, dass in diesem Jahr sogar der HR zwei Stunden vom Marathon live im TV berichtet. Schwerbeladene Kameramänner sind mit ihren Kabelschleppern unterwegs. Moderator ist Heiko Neumann, unterstützt von Herbert Steffny, die zu allererst den in Kassel geborenen Ralf Salzmann begrüßen. Steffny und Salzmann dominierten in den 1980er Jahren die Langstrecken in Deutschland, Steffny wurde 1986 in Stuttgart sogar EM-Dritter und gewann damit die erste Marathon-Medaille für Deutschland. Bei diesem Rennen wurde Salzmann vierter und noch heute betont Steffny, dass es Salzmann war, der ihn zum Sieg „getrieben“ habe. „Ohne den Ralf im Kreuz wäre ich nicht so schnell gelaufen. Ihm habe ich meine Medaille zu verdanken.“

Zurück zur Strecke. Sie führt zunächst in das alte ehemalige Dörfchen Waldau, das 1936 nach Kassel eingemeindet wurde. Waldau hat sich bis heute seinen dörflichen Charakter bewahrt. Das Bundesgartenschaugelände (1981) gehört zu Waldau, aber auch der große Industriepark.


Weiter geht es nach Bettenhausen (km 5) im Osten der Stadt, das genau wie Waldau eine alte Wohnsiedlung, inzwischen aber von Gewerbe- und Industrieflächen umgeben ist. Im Stadtteil Wesertor wird über die Hafenbrücke die Fulda gequert. Die 10 km-Marke wird in der Mombachstraße erreicht, die in die Wolfhager Straße in Rothenditmold übergeht. Meist sind es Wohngebiete, durch die man läuft, mit viel Grün. Zuschauer gibt es überall. Sie stehen zwar nicht massenweise an der Straße, aber begeistert und vor allem helfend. Aus Wasserschüsseln und Gartenschläuchen werden die Läuferinnen und Läufer erfrischt, wem dürstet wird ebenfalls geholfen.


Über die Berliner Brücke (Kirchditmold) wird bei km 15 die Friedrich-Ebert-Straße erreicht wird, wo die Zuschauerdichte deutlich zunimmt. Richtig rund geht es dann am Rathaus, wo Vanman Jochen Heringhaus das Kommando hat. Kompetent und flüssig wie immer informiert er über das Renngeschehen und weiß wie so manchen Teilnehmer interessantes zu berichten. Schade, der Königstraße, die Kasseler Einkaufsmeile, folgt man nur kurz, dann geht es rechts in die Karlsaue. Zuvor gibt es noch ausgiebig Wasser zur inneren und äußeren Anwendung und rhythmisches auf die Ohren.

Die Temperaturen sind inzwischen deutlich angestiegen, von 14 Grad zur Startzeit auf deutlich über 20 Grad. Zur Mittagszeit sind es dann 28 Grad. Trotzdem, der eigens eingesetzte Rennarzt und die vielen Hilfskräfte des Roten Kreuzes bekommen kaum Arbeit. Und wenn, dann handelt es sich um Läufer und Zuschauer gleichermaßen.

An der Orangerie vorbei kommt man zum Auedamm. Die braune Brühe der Fulda ist Hinweis auf die starken Regenfälle der letzten Tage. In einer saftig grünen Wiese stecke die „Spitzhacke“ von Claes Oldenburg  (documenta 1982). Hier im Schatten kann sich so mancher Marathoni leicht erholen und den Spaß am Lauf zurückgewinnen. Es verwundert auch nicht, dass sich viele Zuschauer hierher zurückgezogen haben. Vor jeder Kneipe gibt’s Musik, live oder aus dem Radio. Die Stimmung ist prächtig, aber nichts gegen das, was gleich kommt.


Über eine Brücke geht es über die Fulda und dann durch Wiesen Richtung Messehallen. Die Zuschauer werden mehr und bald müssen sie hinter Gittern zurückgehalten werden. Das Gelände gleicht einer Kirmes mit zahllosen Getränke- und Imbisszelten. Lautstark werden die Läuferinnen und Läufer angefeuert und gefeiert. Viele setzen schon jetzt zum Endspurt an. Aber noch muss ein langes Stück entlang der Messehallen gelaufen werden. Auch hier das gleiche Bild, Feststimmung und lautstarke Anfeuerung. Wer zu früh zum Endspurt angesetzt hat, dem geht kurz vor der Rothenbachhalle die Puste aus. Angestrahlt von bunten Lichtblitzen schleicht er ins Ziel.

Ob der Zieleinlauf in der Halle der große Brüller ist? Im Herbst bei Schmuddelwetter oder im Winter bei Kälte mag das ja neben der zweifellos tollen Atmosphäre auch noch einen ganz praktischen Hintergrund haben. Aber in der Sommerhitze? Die meisten Fans nehmen ihre Helden schon vorher im Empfang. Und die Aktiven zieht es nach ihrem Finish gleich wieder raus an die Erfrischungsstände.

In der Halle nebenan gibt es die Kleiderbeutel, Duschen und Massagen. So ein Messegelände hat schon Vorteile.

Pharis Kimani und Beatrice Omwanza, beide aus Kenia, gewinnen den zweiten E.ON Mitte Kassel Marathon.  Kimani ist dabei gleich bei seinem ersten Marathon siegreich, Beatrice Omwanza gewann hier bereits im letzten Jahr. Die Siegerzeiten (2:15:34 und 2:40:24) bedeuten jeweils neuen Streckenrekord. Kimani hatte zwar vollmundig eine 2:10er Zeit angekündigt, kannte aber nicht die hügelige Strecke und litt wie alle anderen auch unter der Hitze.

Mit der Startnummer 1 war in Kassel nicht wie üblich der Favorit am Start, sondern Konrad Dobler. Nach 3:24:01 Stunden und jeder Menge Spaß läuft er ins Ziel. Er war auch schon ambitionierter am Start, 1990 in Frankfurt zum Beispiel. Da gewann er in 2:13:29. Bei der WM 1993 in Stuttgart war er Sechster, zweimal hat er bei olympischen Spielen teilgenommen. Heute ist er Bürgermeister in Langeringen bei Augsburg. Und wann gibt es dort einen Marathon?

Marathonsieger:

Männer:

1. Kimani, Pharis    KEN    02:15:34    
2. Kipchumba, Mariko    KEN 02:16:46    
3. Shadrack, Maru    KEN    02:18:03     

Frauen:

1. Omwanza, Beatrice    KEN    02:40:24     
2. Barvanova, Ilona    Urkraine    02:43:04    
3. Poywo, Peris    KEN    03:07:37

 

Informationen: Kassel Marathon
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