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Laufberichte

Bundesdeutsche Geschichte

11.04.05

Ein Halber zur Vorbereitung

 

Großveranstaltungen können sehr praktisch sein. Manchmal unterstützen sie sogar derart unvereinbare Dinge wie gehfaule Langstreckenläufer. Wer das nicht glauben will möge sich einmal zum Rhein-Energie-Marathon nach Bonn aufmachen. Aber, schön der Reihe nach.

 

Nach einem wenig vergnüglichen Arbeitstag überkommt mich plangemäß der Wunsch, noch einen Regenerierungslauf für den in wenigen Wochen bevorstehenden Marathon durchlaufen zu wollen. Ebenso planmäßig öffnet nach wenigen Laufkilometern der Himmel seine Pforten, böige Winde umstreichen meine nackten Beine und sorgen zusammen mit der fehlenden Regenjacke für ein wenig ansprechendes Laufgefühl. Nur jetzt keine Erkältung einfangen! Ich breche den Lauf ab und nehme die nächste Abkürzung Richtung Heimat. Nach einer warmen Dusche beschließe ich einen Ausflug nach Bonn, um dort meine Startunterlagen für nächsten Sonntag abzuholen.

 

Bereits vor einigen Wochen habe ich einen großen Briefumschlag bekommen, der neben meiner Meldebestätigung und sehr ausführlichen Informationen auch den Hinweis enthielt, dass ich am Veranstaltungstag selbst und den drei Tagen zuvor kostenlos die öffentlichen Verkehrsmittel im Bonner Stadtgebiet benutzen kann. Mein Twingo bringt mich innerhalb kurzer Zeit nach Bad Godesberg. Dort stelle ich mein Auto auf einem Pendlerparkplatz ab und warte auf die nächste U-Bahn, die mich mitten ins Zentrum bringen wird.

 

Am Hauptbahnhof angekommen stellt sich wieder einmal heraus, dass unsere ehemalige Bundeshauptstadt eigentlich nur ein Dorf mit langen Straßen ist. Direkt an der ersten Möglichkeit sich zu verlaufen – und davon gibt hier nicht wirklich viele – hängt ein großes Hinweisschild „Marathonmesse/Startnummernausgabe“. Die Organisation funktioniert also auch vor Ort. Nur fünf Minuten, nachdem ich die Bahn verlassen habe, stehe ich vor einem großen, von etlichen Ausstellern umgebenen Zelt. Dank des ÖPNV-Tickets habe ich mir neben Parkplatzsuche und Parkgebühren auch noch eine längere Geherei gespart. Mein Entschluss für Sonntag steht jetzt schon fest: Ich werde wieder mit der Bahn anreisen.

 

In einem Teil des 1500 qm großen Zeltes findet sich die Startnummernausgabe. Alles dort ist klar gegliedert – natürlich. In dieser Stadt sind Heerscharen von Ministerialbeamten aufgewach- sen und haben ihre organisatorischen Gene hinterlassen. Der junge Mann hinter dem Ausgabe- tisch ist freundlich, nett und zeigt Kompetenz. Nachdem er mir den Inhalt des künftigen Kleidersacks gezeigt und erläutert hat, wünscht er mir einen schönen Lauf. Bene – ich streife noch ein wenig durch die interessante Messe und fahre wieder Richtung Heimat.

 

Sonntagmorgen erlebe ich den „Lindwurm“ in einer ganz neuen Form. Sieht man Läuferscharen gewöhnlich nur am Beginn der Strecke, so gehen in Bonn hunderte von Sportlern vom Bahnhof aus zum Startgelände.

 

Insgesamt werden sich laut Veranstalter 6.325 Teilnehmer an den Start begeben. Davon sind 3.031 für den Marathon gemeldet und 3.229 für den erstmals stattfindenden Halbmarathon. Dazu kommen noch 65 Handbiker mit ihren teils futuristisch anmutenden Fahrzeugen.

 

Dank der guten Organisation vor Ort sind das Einchecken und die Abgabe des Kleiderbeutels kein Problem. An allen Ecken hängen Schilder mit Hinweispfeilen.

 

Für die Halbmarathonis ist in einem Innenhof eine kleine Zeltlandschaft installiert worden. Die Teilnehmer des Marathons „wohnen“ auf der anderen Straßenseite unter ähnlichen Verhältnissen.

 

Problematischer ist da schon die Wahl der Bekleidung. Das Thermometer zeigt irgendetwas zwischen 5 und 10°C an. Der Himmel ist bedeckt – sporadisch nieselt es ein wenig. Die äußeren Bedingungen sind also fast optimal. Letztendlich ist es egal, ob man von innen nach außen oder von außen nach innen nass wird.

 

Da ich mich noch in der Vorbereitung für meinen ersten Marathon befinde, habe ich mich natürlich für den „halben“ angemeldet. Bonn soll für mich der Testlauf sein, bei dem ich meine Trainingsergebnisse überprüfen möchte. Meine Marschtabelle ruht gut verstaut in der Außentasche meiner Regenjacke und zeigt mir in Schritten von 5:16 min/km den Weg zu einer geplanten Endzeit von 1:51 Stunden. Ich darf bereits jetzt verraten, dass ich meine geplante Zeit um drei Minuten verfehlt habe – nach unten.

 

Die Startaufstellung geht bemerkenswert gelassen und fröhlich über die Bühne. Kein Vergleich zu dem Gedrängel und Geschubse beim Start zum letztjährigen Kölner Brückenlauf. Die Moderatoren versprühen Fröhlichkeit und nach einem gemeinsam abgesungenen „Superjeile Zick“ und dem obligatorischen Countdown geht es auf die Strecke. Auch hier – kurz nach dem Start – keine Drängelei, kein Zickzack-Lauf, was ich als sehr angenehm empfinde.

 

Nach wenigen Kilometern geht es auf der Kennedy-Brücke über den Rhein nach Bonn-Beuel. Spöttische Stimmen stellen fest, dass das wohl „ der Berg“ auf der Strecke ist. Am Ende der Brücke steht eine Samba-Band, der man den Spaß an der eigenen Musik ansehen kann.


Überhaupt, stimmungsmäßig ist in Beuel einiges geboten. In etlichen Vorgärten stehen und sitzen die Anwohner bei eigener Musik und feiern die vorbeikommenden Läufer. Am Beueler Krankenhaus haben es Eltern sich nicht nehmen lassen, ihr Kind samt Krankenhausbett auf den Gehweg zu schieben. Mit großen Augen liegt der Junge dick verpackt unter weißen Dauen- decken und freut sich offensichtlich über die Abwechselung.

 

Kurz zuvor werde ich zu meiner Verwunderung von meinem Arbeitskollegen Gerhard überholt. Er hatte sich eigentlich für den Marathon gemeldet, erklärt mir aber schnell, dass er bis vor drei Tagen noch die Hand in Gips hatte, Antibiotika nehmen musste und deswegen vom Marathon auf die halbe Distanz gewechselt hat. Mit Sicherheit eine vernünftige Entscheidung.

 

Wieder an der Samba-Band vorbei, geht es zurück über die Brücke nach Bonn. Als ich nach einer längeren Schleife unter der Brücke durchlaufe, sehe ich auf meiner Seite der Brücke die Nachhut der Halbmarathonläufer. Auf der anderen Fahrbahnseite kommen gerade die ersten Marathonis auf die Brücke. Ein schönes Bild.

Ab hier geht es für knapp drei Kilometer unmittelbar am Rhein entlang. Diese Kilometer sind wie eine Zeitreise durch bundesdeutsche Geschichte. Vorbei geht es an der Villa Hammerschmidt, dem Bundeskanzleramt, und dem Abgeordnetenhochhaus. In der Nähe des Parlamentssaales fällt mir eine kleine Skulptur mit dem Titel „Erde“ auf. Vielleicht sollte diese Skulptur nach Berlin transportiert werden um den Einen oder Anderen dort daran zu erinnern, wo wir leben.

 

Die nächsten 4 Kilometer sind eine Wendepunktstrecke. Als ich bei Kilometer 17 bin, kommt mir auf der anderen Seite die Spitze des Marathonfeldes entgegen. Deren Tempo ist unglaublich – der Marathon wurde 45 Minuten nach dem Halbmarathon gestartet. Würde sich die Strecke nicht bei Kilometer 15 teilen, müsste ich fast befürchten noch überholt zu werden.

 

Über die Franz-Josef-Strauß-Allee geht es hoch auf die B9, die dort Willi-Brandt-Allee heißt. Früher wurde sie im Volksmund aus gutem Grund „Diplomatenrennbahn“ genannt. Entlang der Museumsmeile geht es wieder zurück ins ehemalige Regierungsviertel. Die ehemals berühmt/berüchtigte Adenauer-Skulptur von Pilgrim kündigt schon von weitem das alte Bundeskanzleramt an. Palais Schaumburg und das Bundeskartellamt werden passiert; mein Ziel rückt näher.

 

Ab Kilometer 20 stehen die Zuschauer wieder zahlreich am Straßenrand. Transparente werden geschwungen, Pfeifen trillern, laute Anfeuerungsrufe ertönen. Noch zwei, drei Kurven, dann bin ich auf dem Marktplatz und im Ziel.


Auch nach dem Zieleinlauf bewähren sich die ererbten ministerialen Organisationsgene. Hinweisschilder und ruhige Abläufe wohin man auch blickt. Meinen Kleider- sack habe ich so schnell wie noch nie zurück. In der etwas entfernt liegenden Verpflegungszone fallen mir zunächst hunderte von frischen, verlockenden Berlinern mit rot glänzender Erdbeerfüllung ins Auge. Mit kleb- rigen Fingern schlendere ich über den Innenhof, als Gerhard mir zuruft. Er weist mich fröhlich darauf hin, dass es in der entgegen gesetzten Ecke auch frisch gezapftes Kölsch gibt. Und – Donnerwetter – Kölsch schmeckt auch zum Berliner.

 

Auf dem Weg zu den Duschen gehe ich durch die Garderobe der Marathonläufer. Hier warten die verwaisten Kleiderbeutel auf die Rückkehr ihrer Besitzer. Einer der Betreuer erlaubt mir ein schnelles Bild.

 

Duschen und Massagen befinden sich im Victoria- Hallenbad der Stadt Bonn. Im Startgeld ist sogar die Benutzung des Schwimmbades mit enthalten. Ich verzichte auf die Plantscherei und gehe nach dem Duschen hinüber zum Marktplatz.

 

Dort hat sich im Zielbereich vor der Zuschauertribüne ein optischer Leckerbissen etabliert. Ein gutes Dutzend hübsch anzusehender junger Damen zeigt teils akrobatische Tanzeinlagen. Einige Läufer werden damit kurz vor dem Ziel nicht mehr so ganz fertig und verlangsamen irritiert die Mädels umkreisend ihr Tempo.

 

Auf dem gesamten Platz hat sich mittlerweile rheinisches Flair bereitgemacht. Einige Schritte weiter auf dem Münsterplatz hat die Marathonmesse das Feld geräumt. Das ganze Zelt ist jetzt mit Biertischgarnituren ausgestattet. Ich löse die an meiner Startnummer befestigten Bons und hole mir das (Funktions-) Finisher T-Shirt und die Medaille ab. Mit den restlichen Bons bekomme ich noch zwei weitere Getränke nach Wahl und einen Teller Tortellini. Für das Startgeld von 25,00 Euro eine reiche Ausbeute.

 

Insgesamt war Bonn für mich eine schöne, angenehme Veranstaltung. Ich werde 2006 wieder dort sein. Dann vielleicht als Marathonläufer?

 

Streckenbeschreibung: 

Rundkurs ohne größere Steigungen, 100 % befestigte Wege. Keine engen Kurven.

 

Rahmenprogramm: 

Marathonmesse mit Startunterlagenausgabe im Zelt auf dem Münsterplatz. Sonntags dort Ausgabe der Auszeichnungen und zusätzlicher Verpflegung für Läufer und Groopies.

 

Auszeichnung: 

Medaille, T-Shirt, Urkunde, Ergebnis-CD-ROM

 

Logistik:

Start- und Zielgelände in der Nähe des Hauptbahnhofes. Kleiderdepot in Zielnähe.

 

Verpflegung:

10 Verpflegungsstände an der Strecke. 25 000 Stücke Bananen, 13 000 Schokoladenriegel, 120 Kilo Nüsse, 5 000 Stücke Obst, 98 000 Liter Wasser und 7 500 Liter Cola werden während des Laufs den Marathonläufern und den Halbmarathonis angereicht. In der Verpflegungszone stehen für die Finisher außerdem Schnittbrote, warme Brühe und auch 2800 Liter frisch gezapftes Kölsch bereit.

 

Zuschauer:

Im Zentrum und in Beuel relativ viele Zuschauer. Entlang der restlichen Laufstrecke nur sporadisch.

 

Informationen: Bonn Marathon
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