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Laufberichte

Nichts zu meckern

07.09.13

24 Stunden Laufen am Stück - wie verrückt ist das denn? Ich persönlich liebe Stundenläufe. Auf einem Rundkurs Kilometer fressen, mit festen Verpflegungspunkten, nie allein, ist für mich ein Genuss. Als dann der Termin und der Austragungsort für die diesjährigen Deutschen Meisterschaften im 24 Stundenlauf bekanntgegeben wurde, überlegten Norbert und ich nicht lange. Karlsruhe liegt ja bei uns um die Ecke und so würde sich der Aufwand in Grenzen halten.

Die Veranstalter Maya und Jens Lukas sind in der Ultraszene keine Unbekannten. Als versierte Ultraläufer stellten sie sich der Herausforderung, ein solches Großereignis auf die Beine zu stellen. Mit der starken LSG Karlsruhe und vielen (Lauf)freunden im Rücken nahmen die Vorbereitungen in der ersten Jahreshälfte sichtbare Formen an. Im Juli gab es dann für Interessierte und vor allem für Neulinge einen Infoabend. In lockerer Runde sind wichtige Punkte für Training und Wettkampf ausführlich dargestellt worden. Außerdem wurden Fragen beantwortet. Sogar Wünsche, was die Verpflegung angeht, konnten geäußert werden (Honigkuchen für Norbert).

Mit unserer Lauffreundin Anja, wie ich unerfahren über 24 h, machen wir uns am Samstagmorgen auf nach Karlsruhe.

Der Start für den 24 h Lauf ist um 10 Uhr. Unser Bus soll als private Verpflegungsstation dienen. Deshalb haben wir uns für einen Parkplatz an der Strecke angemeldet. Auf dem Gelände des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), dem Zusammenschluss des Forschungszentrums Karlsruhe und der Universität Karlsruhe, empfängt uns eine kleine Wohnmobilstadt. Viele Läufer haben mit ihren Betreuern bereits die Nacht hier verbracht. Andere nutzten das Angebot der Veranstalter und übernachteten in der Sporthalle des "Walk In". Das "Walk In" ist das Fitnessstudio der Uni. Hier gibt es die Startunterlagen, Toiletten und Duschen.

Nach einigen Verwirrungen schaffen wir es pünktlich, uns einen gemütlichen Stützpunkt unter Bäumen einzurichten. Wir befestigen die Transponder für die Rundenmessung an beiden Schuhen. Eine Runde hat ca 1200 m. Im Startbereich zwischen "Walk In" und Schwimmhalle ist die Zeitmessung aufgebaut. An der großen Digitaluhr kann man die gelaufene Zeit ablesen. Später gibt es einen Monitor mit den aktuellen Platzierungen.

Um 9 Uhr 45 beginnt das "Briefing". Maya Lukas und Jörg Stutzke, Präsident des DUV (Deutsche Ultramarathon Vereinigung e.V.), erklären nochmals die wichtigsten Sachverhalte. Dann wird um 10 Uhr gestartet. 117 Läufer, darunter 32 Frauen, machen sich unter dem Applaus der Fans und Betreuer auf die Strecke.
Zunächst müssen wir um eine scharfe Linkskurve und am Verpflegungsstand vorbei. Die Wohnmobilstadt ist zu einer langen Eigenverpflegungszone umgebaut worden. Professionell wird hier die optimale und reibungslose Ernährung der Spitzenläufer vorbereitet. Jeder hat da seine eigenen Vorlieben, denen die Betreuer Rechnung tragen.

Nach einer scharfen Rechtskurve wird es ruhiger. Hier parken hauptsächlich die PKW der Hobbyläufer, die sich, wie wir, aus dem Kofferraum ernähren. Vor der nächsten Kreuzung endet der Verpflegungsbereich. Wie immer bei Meisterschaften, ist die Hilfe von Betreuern ab hier nicht mehr erlaubt.Es geht nun auf der halbseitig für den Verkehr gesperrten Richard-Willstätter-Allee entlang.

Wir erreichen den Fasanengarten. Wo heute ein wunderbares Naherholungsgebiet liegt, erstreckte sich bis vor nahezu 300 Jahren ein zusammenhängendes Waldgebiet. Es war das Jagdrevier der Markgrafen von Baden-Durlach. Darin wurden noch vor der Stadtgründung 110 Hektar Wald umzäunt und nach französischem Vorbild in einen Fasanengarten und Wildpark umgestaltet. Auf der "Bocksblöße", einer Waldlichtung, entstand 1714 ein Jagdhaus und 1765 dann das Fasanenschlösschen. Bis 1866 gab es dort mehrere tausend Fasane. Die beiden Teehäuschen gegenüber sind Zeugnisse eines chinesischen Baustils zu Beginn der Romantik. Nach der Auflösung der Fasanerie 1866 diente der Saal im Schlösschen in den Sommermonaten als Prinzenschule, im Krieg 1870/1871 wurde er als Offizierslazarett genutzt. Die chinesischen Teehäuschen wurden später Studierzimmer für die Kinder des Fürstenhofes. Von 1926 bis heute ist das Fasanenschlösschen Sitz der Staat­li­chen Forst­schule Karlsruhe, seit 1990 Bildungszentrum der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg. Zur Bundesgartenschau 1967 wurden die Außenfassaden originalgetreu wiederhergestellt. 1980 folgte eine grundlegende Innenrenovierung und in den beiden letzten Jahren wurden die Pavillons renoviert.

Ich fühle mich wie in einer anderen Welt. Gerade noch waren wir auf dem Unigelände mit seiner puristischen Betonbauweise. Nun tauchen wir in diese reizvolle Parklandschaft ein. Rechts gibt es eine große Wiese, dann teilt sich der Weg. Die Laufstrecke führt rechts, in einem Halbkreis an den beiden chinesischen Teehäuschen entlang um sich auf der anderen Seite wieder mit dem anderen Weg zu vereinigen, der am Fasanenschlösschen vorbeikommt. Geradeaus kann man in der Ferne das Karlsruher Schloss erkennen. Die Richard-Willstätter-Allee ist nämlich eine der Achsen des Karlsruher Fächers, in dessen Zentrum das Schloss bekanntlich liegt.

Wir halten uns rechts. Hier, wie an jeder Wegbiegung, stehen Streckenposten, die einen, je nach deren Temperament und Tagesform, anfeuern. Der Weg ist von hohen Bäumen umgeben. Optimal bei Hitze wegen des Schattens und bei Regen weil das Blätterdach weitgehend dicht ist.

Es geht wieder rechts. Die Hagsfelder Allee bringt uns zurück auf das Uni Gelände. Nochmal rechts, dann folgt eine S-Kurve und wir erreichen zum ersten Mal das Startbanner mit der Zeitmessung.

Nach vier Runden schaue ich am Verpflegungsstand vorbei. Es gibt Tee (Zitrone, Schwarzer, Pfefferminze, Kamille, Fenchel, Ingwer), Bier (alkoholfrei, mit Grapefruit, Malzbier), Wasser (still und mit Kohlensäure), Ultra Buffer, Kaffee (muss man bestellen) und Cola. Dann noch Gemüsebouillon (ohne, mit Nudeln und mit Gemüse). Zu dieser frühen Stunde im Rennen halte ich mich an Tee. Soviel weiß ich schon, dass man bei solch langen Läufen frühzeitig und regelmäßig trinken muss, um später den Magen nicht zu überlasten. Außerdem ist es recht warm, ich schätze mal so um die 20 Grad im Schatten. Letzte Nacht hat es reichlich geschüttet und am Himmel stehen noch lockere Wolkenhaufen. Daher ist die Luft sehr feucht. Wegen des relativ niedrigen Lauftempos ist das aber kein Problem. Im 6:00er Schnitt könnte man in 24 Stunden 240 km schaffen. Natürlich ohne Pause. Nur wenige Männer können so etwas überhaupt erreichen. Ziel der Spitzenläufer ist 180 plus, hier natürlich inklusiv Verpflegungspausen. Für diese Läufer bedeutet ein 6:00er Schnitt am Anfang im durchweg flachen Gelände ein extrem ruhiges Tempo.

Laut Lehrbuch sollten auch weniger Leistungsfähige ihr Anfangstempo im gleichen Verhältnis reduzieren. Ich halte davon nichts. Was ich habe, habe ich. Und so gehe ich den Lauf wie immer flott an. Langsamer wird es von selbst. Erstaunlicherweise gibt es auch einige, die von Anfang an im strammen Wanderschritt unterwegs sind. Sie werden zum Schluss auch ein ansehnliches Ergebnis vorzuweisen  haben. Denn 24 h Wandern ist auch nicht zu unterschätzen.

Nach weiteren 4 Runden trinke ich wieder. Das mache ich bis zur 16. Runde so. Ab dann jedoch trinke ich schon alle 3 Runden und ab Marathon Distanz noch häufiger. Ab der 12. Runde beginne ich auch mit Essen. Das ist genauso wichtig. Angeboten werden Obst (Wassermelone, Apfel, Banane), belegte Brote (Wurst, Salami, Käse, Frischkäse, vegetarische Brotaufstriche), Minisalami, Gemüse (Gurken, auch saure), salziges (Kräcker, Brezeln, Erdnüsse), Honigkuchen (Norberts Wunsch), Nusskuchen, Hefekuchen, diverse Trockenfrüchte, Kartoffeln und Kartoffelbrei nach Bestellung. Ich mache zusätzlich meine bewährten Nudelpausen nach 4, 6, 8 usw. Stunden. Dazu gehe ich ans Auto und lege die Beine hoch.

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Informationen: Deutsche Meisterschaft im 24h-Lauf (DUV)
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