marathon4you.de

 

Laufberichte

84. Comrades Marathon 2009: The ultimate human race

24.05.09

Großzügig verteilen sich die Messestände in der riesigen Halle. Entspannt ist die Stimmung, nur im Merchandising-Bereich ist es etwas trubeliger - die mit Comrades-Symbolen “veredelte” Laufkleidung ist begehrt. Aber zuerst das Wichtigste: Die Startnummer. Die gibt es für die internationalen Starter an einem eigenen kleinen Schalter. Auch im Übrigen werden die Internationalen besonders behandelt. Das fing schon mit dem Startgeld an, das für nichtafrikanische Ausländer 160 US $ (= ca. 120 EUR), für Afrikaner 200 südafrikanische Rand (= ca. 18 EUR) beträgt. Aber das geht in Ordnung. Dafür wird den ausländischen Erstläufern unter anderem zur Einstimmung ein geführter Busausflug entlang der Laufstrecke zum Comrades Museum in Pietermaritzburg und zur „Wall of Honour“ auf halbem Wege dorthin geboten. Leider startete dieser Ausflug schon heute Morgen um 8 Uhr – für mich zu früh.

Normalerweise wären die Startnummern nichts weiter Erwähnenswertes. Aber auch hier setzt der Comrades Marathon Maßstäbe. Das fängt schon damit an, dass jeder Läufer zwei Nummern zu tragen hat - eine vorne, eine hinten. Beide Nummern beinhalten unter Anderem den Vornamen, die Rückennummer darüber hinaus das Herkunftsland und den kompletten “Comrades-Lebenslauf”: Alter, Zahl der Teilnahmen, Zahl der Medaillen je Kategorie - und  davon gibt es immerhin sechs. Weitere Infos gibt die Farbe der Nummer: Blau für Internationale, grün für die, die schon mindestens zehn mal dabei waren und damit automatisch Mitglieder des privilegierten “Green Club” sind u.s.w.. Eine Wissenschaft für sich.

Zurück zur Messe: Noch schnell das Busticket für den Shuttlebus nach Pietermaritzburg am Sonntag - Einheitsabfahrtszeit 3 Uhr! - gekauft, dann habe ich mein Pflichtprogramm erledigt und Zeit für das Messe-Sightseeing. Viel Raum wird der Geschichte des Laufs in einer “history gallery” gewidmet: Die Entwicklung des Laufs, seine Höhepunkte, seine Helden sind in einer Flut von Bildern, optisch ansprechend verteilt auf einen Wald von Säulen, dargestellt. Fast noch mehr interessiert mich im Moment allerdings das, was gegen den aufkeimenden Hunger geboten wird. Und das ist Einiges: Eine ganze Reihe kleiner Garküchen formieren sich zu einem Food-Court. Ich habe die Qual der Wahl zwischen Pasta oder Crepes, indisch oder chinesisch, Falafel oder Sushi - Profanes wie Hotdog oder Burger gibt es auch. Kein schlechter Start vor dem Start. 

Den nächsten Tag verbringe ich mit “Sightseeing light” - ein bisschen Abhängen an der Golden Mile, dem berühmten breiten Sandstrand der Stadt, wo die Wellenreiter durch die starke Brandung jagen, ein bisschen Bummeln im indischen Viertel mit seinen vielen kleinen bunten Läden. Aber In Gedanken bin ich schon ganz bei morgen. 

Pietermaritzburg: Start in der Nacht

Da der Lauf in Pietermaritzburg  bereits um 5:30 gestartet wird, bedeutet das am Sonntag: Aufstehen um 1:45 Uhr. Das hört sich allerdings härter an, als es ist. Ich bin sofort hellwach, als mich der wake up call aus dem nur mühsam gefundenen Kurzschlaf reißt. In der Lobby gibt es netterweise ein Extra-Frühstück für die Comrades-Starter. Dann muss ich schon los.

Ein wenig mulmig ist mir schon, als ich so durch die menschenleere, stille Innenstadt marschiere, die ja in puncto Sicherheit nicht gerade den besten Ruf genießt. Aber das vom Nachtportier angebotene Taxi lehne ich doch ab. Knapp zehn Minuten später ist es geschafft. Entlang der Ordnance Road beim Messegelände reiht sich schon eine Armada von Bussen auf, parallel dazu eine Menschenschlange. Alles geht wie am Schnürchen. Wenige Minuten später sitze ich im Bus - und los geht es.

1 1/4 Stunden dauert die Fahrt durch die Nacht über die Autobahn N3. Waren die Morgentemperaturen in Durban noch recht mild, so wird es schon auf der Fahrt immer kühler, je mehr wir an Höhe gewinnen. 

4.15 Uhr ist es, als wir unser Ziel erreichen - aus der müden Ruhe des Busses werde ich in ein lautes Menschengewühl entlassen. Das Chaos besteht aber nur scheinbar. Alles ist bestens organisiert, nur dauert es ein wenig, bis mir die Orientierung gelingt. Ein wenig abseits kann ich meinen Kleiderbeutel an einem der bereit stehenden LKW abgeben. Es ist zwar kühl - wohl um die zehn Grad Celsius - aber wirklich kalt auch nicht. Dennoch ist so mancher dunkelhäutige Läufer mit Jacke, Mütze und Handschuhen gewappnet. Mir jedenfalls reicht der mit dem Starterbeutel auf der Messe ausgegebene Zelluloseponcho. 

Das Startgelände befindet sich direkt vor der City Hall, dem Rathaus von Pietermaritzburg. Die 1839 von Buren, den sog. „Voortrekkern“, gegründete Stadt ist zwar Hauptstadt bzw. Verwaltungs- und Parlamentssitz der Provinz KwaZulu-Natal, mit ihren etwa 300.000 Einwohnern im Vergleich zur 3 Millionen-Metropole Durban allerdings ein vergleichsweise beschaulicher Ort. Die koloniale Vergangenheit ist zumindest architektonisch gerade in der Innenstadt noch recht präsent. Das 1893 aus roten Klinkern errichtete Rathaus im victorianischen Baustil mit seinem 47 m hohen Glockenturm ist ein besonders schönes Relikt aus dieser Zeit und Wahrzeichen der Stadt. Das Licht der Scheinwerfer bringt die Fassade vor dem schwarzen Nachthimmel besonders schön zur Geltung.

Ein Mix aus House- und Rock-Musik und Zulu-Pop dröhnt aus riesigen Boxen über den hell erleuchteten Startbereich. Zahlreiche Läufer tanzen sich warm. Es herrscht schon hier Feststimmung, statt nervöser Anspannung spürt man freudige Erwartung.

Ab 5 Uhr füllen sich langsam die acht abgeteilten Startblocks. 12.890 Läufer sind in diesem Jahr angemeldet. Die Zuweisung zu den einzelnen Startblocks erfolgt gemäß der mit der Anmeldung nachgewiesenen Qualifikationszeit aus einem Marathon (mindestens 5 Stunden) oder einer längeren Distanz und wird an den Zugängen gewissenhaft kontrolliert. Bei mir hat es für Block C gereicht und so darf ich mich optisch privilegiert direkt vor dem Rathaus einreihen.

Gegen 5.15 Uhr wird der traditionelle Teil der Startzeremonie mit “Shosholoza” eröffnet, einem äußerst populären Bergarbeiterlied, das aus vielen Tausend Mündern begeistert mitgesungen wird. Umso besinnlicher wird es bei der anschließenden südafrikanischen Nationalhymne, die so manchem die Tränen in die Augen treibt. Es folgt die oscar-gekrönte Filmmusik aus dem Läuferfilm „Chariots of Fire“ („Die Stunde des Siegers“) von Vangelis. Ein kurzer Moment der Ruhe, dann: ein lauter Hahnenschrei. Es ist allerdings nicht das lautsprecherverstärkte Krähen eines echten Hahnes, den man vor das Mikrofon geholt hat, sondern das Stimmenimitat von Max Trimborn. Und auch das Imitat ist nicht (mehr) wirklich echt, sondern kommt vom Tonband. Was aber kein Wunder ist: Max Trimborn ist zu einem höchstpersönlichen Schrei schon lange nicht mehr in der Lage. Aber er begründete im Jahre 1948 mit seinem Hahnenschrei zum Start eine jener kleinen, liebenswert schrulligen Traditionen, die auch heute noch gepflegt werden.

Pünktlich um 5.30 Uhr erschallt, begleitet vom befreienden Jubel der Läufermassen ein Kanonenschuss. Traditionell wird damit der für die Zeitmessung maßgebliche offizielle Startschuss gegeben. Ein wenig Geduld müssen die meisten dennoch aufbringen. Denn bis auch der letzte der knapp 13.000 es bis zur Startlinie geschafft hat, vergehen bis zu sieben Minuten. Minuten, die einigen am Ende fehlen werden, wenn es beim Zielschluss um 17.30 Uhr heißt: „nichts geht mehr“.  Auch wenn die Zeit für jeden Läufer individuell per Chip erfasst wird – gewertet wird nur die Bruttozeit ab Startschuss, die sog. „guntime“, nicht die Nettozeit. Mit einer Verzögerung von einer knappen Minute bin ich da noch gut bedient.

Aus dem hell erleuchteten Innenstadtbereich führt uns das erste Streckenstück leicht bergab auf Laternen beschienenen Straßen durch die ansonsten noch dunklen Vororte. Überraschend viele Zuschauer sind bereits hier an der Strecke und feuern uns an.

 
 

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024