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Laufberichte

Von Wildkatzen und Laufkatzen

08.03.09

Heute geht es nach Kandel. Frühlingslüfterl, warme Temperaturen, Narzissen, Vogelgezwitscher - an das denke ich meist, wenn es Anfang März in die Pfalz zum Rennen geht. Nicht zum Laufen, sondern zum Rennen, denn die Strecke dort ist eben, schnell und windgeschützt. Viele wollen’s wissen, wie schnell man es im neuen Jahr auf dem langen Kanten noch kann.

Aber nichts dergleichen. Der Winter ist zäh wie Leder und will sich überhaupt nicht aus dem Staub machen. So schneit es am Tag zuvor noch in meiner Heimat. Auf der Alb und an den Höhen zwischen Stuttgart und Pforzheim kann man noch Skifahren.

Für die Nacht habe ich mich in der Jugendherberge in Karlsruhe einquartiert. Wer keine Ansprüche hat, den bieten diese Herbergen eine preiswerte Unterkunftsmöglichkeit. Und der Zapfenstreich um 22.00 Uhr ist schon lange gestrichen.

Nach dem reichlichen Frühstück schwinge ich mich in meine Karre und erreiche Kandel nach rund 20 Minuten Fahrzeit. Zu finden ist der Ort auf halber Strecke zwischen Karlsruhe und Landau/Pfalz. Im Ort selbst ist die Veranstaltung bereits ausgeschildert. Eigentlich braucht man nur seinem Vordermann hinterherfahren, denn Sonntagsverkehr ist jetzt um 08.00 Uhr kaum zu beobachten.

Parkplätze sind genug vorhanden, um die Fahrzeuge der rund 2000 Läufer aufzunehmen. Ich finde einen Stellplatz direkt am Bienwaldstadion. So werde ich meine Sachen hier im Auto lassen und kann mich dann nach dem Lauf schnell was überziehen. Denn der Wetterbericht gibt keine gute Prognose ab. Zwar wird der Vormittag mit Glück noch halbwegs trocken bleiben, aber dann kommt ein Tiefausläufer mit starken Niederschlägen. Mit fünf Grad werden sich jetzt auch keine Frühlingsgefühle entwickeln. Eher ziehe ich mein Genick ein, als ich mich auf dem Weg in die Mehrzweckhalle mache.

Dort herrscht schon emsiges Treiben an der Startnummernausgabe, bei der kleinen Verkaufsmesse und am Kuchenstand. Die Helfer sind hochmotiviert, so erhalte ich meine Startnummer in wenigen Augenblicken. Nun, eine Teilnahme am Lauf kann der Interessierte leicht bewerkstelligen. Eine zeitige Voranmeldung für den Marathon kostet 26 EUR, den Halben gibt’s um 15 EUR. Für den Last-Minute-Tarif müssen dann ein paar Silberlinge draufgepackt werden.

Eine gute Investition, denn nicht nur die ganze Laufinfrastruktur kann benützt werden. So erhalten alle Läufer ein funktionelles Leiberl, heuer in neongrüner Farbe. Wem das zu schrill ist, der darf ein rotes gegen Vorlage der Startnummer mitnehmen. Ja, und nach dem Lauf können dann gleich die Urkunden ausgedruckt werden.

Gegen 09.30 Uhr mache ich mich fertig für das Rennen. Lange habe ich überlegt, was ich anziehen soll und entscheide mich für lang. Auch Handschuhe und eine warme Mütze nehme ich mit. Wenn Petrus die Schleusen aufmachen sollte, dann bleiben wenigstens Birne und Hände warm. Und wenn sich das Wetter anders entwickeln sollte, dann kann ich die Sachen immer noch verschenken.

Im Startbereich werden schon erste Informationen durchgegeben. Die Teilnehmer können sich in mehreren Startboxen einordnen, je nach Zielzeit. Ich sehe schon den Zeitläufer für drei Stunden, das ist für den wohl ein hartes Geschäft, auch für die, die sich dranhängen wollen. Weitere Pacemaker sind für 3.15, 3.30, 3.45 und 4.00 Stunden vorhanden. Alle mustergültig mit gelben Shirts und Luftballon zu erkennen.

Auf dem Startpodest hat sich schon die lokale Politprominenz eingefunden. Und ein Großer aus Mainz. Kein geringerer als der Landesvater Kurt Beck wird den Startschuss abgeben. Vorher sind jedoch die obligatorischen Begrüßungsworte erforderlich. Das dauert aber nur wenige Momente, denn die Herde scharrt schon ungeduldig mit den Füßen.

Es dauert noch ein wenig, bis die vorne Stehenden hinter die Absperrung zurückgedrängt werden. Doch dann wird zurückgezählt und mit einem Schuss geht es los. Ich schieße meinerseits mit der Kamera und mache mich dann auch auf die Socken. Pack mas!

Wir laufen kurz am Waldrand entlang, dann biegen wir rechts ab und laufen auf Kandel zu. Ja, Narzissen sind heute noch keine zu sehen. Denen ist es wohl noch zu kalt. Die Straße ist für die knapp 2000 Läufer breit genug. Eigentlich hätten es mehr Teilnehmer sein müssen, aber da haben einige die Bettdecke noch hochgezogen aufgrund der widrigen Wettervorhersage.

In der Ortsmitte biegen wir auf die Bundesstrasse 427 ein und laufen Richtung Westen, wo heute der Wind herkommt. An der Kurve haben sich einige Leute eingefunden und klatschen. Ja, Zuschauermassen stehen hier nicht an der Strecke, damit muss man sich abfinden. Dafür gibt es Natur satt, sauerstoffreiche Luft und einen schnellen Kurs.

Nur wenige Anwohner schauen aus den Fenstern. Eine Frau sehe ich auch unmotiviert herausstarren, die wird sich wohl in ein paar Minuten wieder niederlegen. Einige schöne Fachwerkhäuser sind zu sehen. Ortsausgang, dann merke nicht nur ich den kräftigen Wind, der die Windräder auf dem Galgenberg antreibt. Wir können uns jetzt noch einigermaßen im dichten Feld verstecken. Aber die Spitze wird schon kämpfen müssen.

Kilometer vier, wir laufen nach Minfeld hinein. Auf dem erhöhten Radweg habe ich einen guten Ausblick auf das Läuferfeld. Nur, ich stehe wieder mal im Gegenwind. Zwei Zuschauer mit Rassel und Glocke lachen, als ich sie anspreche. Bei einem lese ich ein „Wurzelhopser“ auf dem Shirt. Danach ist er heute aber nicht auf dem richtigen Untergrund unterwegs, denn Crosseinlagen gibt es hier nicht.

Reinhard Holz aus dem nahen Mannheim spricht mich an der ersten V-Stelle an, als ich wieder einmal Bilder schieße. „Ich bin zu schnell angegangen“, sagt er. Und „Jetzt muss ich es durchziehen, auch wenn es ein Trainingslauf sein sollte. Es geht in Richtung 1.45 Stunden, “ mutmaßt er. Er wird sogar in 1.42 Stunden einlaufen.

Ja, Tankstellen gibt es hier genug. So alle fünf Kilometer finden wir Wasser, Iso, warmen Tee und Obst. Später wird auch noch Cola gereicht. Und damit das eigene Tempo kontrolliert werden kann, sind alle Kilometer mit großen Schildern markiert.

Es geht kurz durch die Wiesenlandschaft. Rechts sehen wir Wasser in den Äckern stehen. Dann tauchen wir in den Bienwald ein. Sofort ist der Wind weg. Wir laufen an der Hardtmühle vorbei und dann nach einigen Metern haben sich wieder einige Zuschauer am Naturfreundehaus Bienwald eingefunden.

Es geht dann noch über eine kurze Lichtung, wo wir den Otterbach überqueren und dann laufen wir endgültig in den Bienwald hinein. Bei Kilometer 9 biegt der Kurs auf eine Kreisstraße ein, auf der wir unzählige Meter herunterreißen dürfen. Es geht kaum Wind, lediglich, wenn man die Ohren spitzt, hört man das Rauschen des Windes in den Kronen der Nadelbäume.

Es dauert nicht mehr lange, dann kommen mir bereits die führenden Halbmarathonis entgegen. Zuerst noch einzeln, doch dann wird das Feld der „Halben“ immer dichter. Rund 1200 begnügen sich heute mit der Kurzstrecke, ca. 700 werden den langen Kanten probieren.

Kurz nach dem Kilometerschild 12 kommt die Wende und die Masse läuft zurück. Jetzt ist unser Feld übersichtlich geworden. Kilometer 15, ein Zeitansager: Ja, es schaut für meinen 3.30 Stunden-Plan gut aus. So 1.30 Minuten habe ich gut.

Noch einige Kilometer sind auf der Straße zu laufen, dann kommt wieder etwas Leben ins Spiel. Die Spitze kommt von ihrer ersten Wende entgegen. Diesmal ohne Musikbegleitung. Kein Techno, keine Schlagermusik, nix. Vielleicht kann ich dann eher die Wildkatze beobachten, die sich hier heimisch fühlt.

Laufende Wildkatzen sind schon eher zu sehen. Mit fällt eine auf, die in einem modischen Laufrock unterwegs ist. Und sie schaut noch sehr gut aus. Auf der anderen Straßenseite kommen gerade die Drei-Stunden-Kandidaten entgegen.

Schaidt, die Ortschaft am Waldrand. Die Guggenmusik hat gerade eine kurze Pause. Es geht jetzt kurz am Waldrand entlang und dann in ein kleines Industriegebiet, wo der Wendepunkt kurz nach Kilometerschild 17 wartet. Zurück. Auf die Gruppe der 3.30er-Läufer habe ich vielleicht zwei Minuten Vorsprung.

Die Trommel- und Blechmusi bearbeitet wieder ihre Geräte. Es geht jetzt auf der Kreisstrasse zurück. Am Vier-Stunden-Läufer hängt auch eine Meute dran. Später sehe ich Daniel Steiner, Bernhard Sesterheim und Eberhard Ostertag auf ihrem Weg zum Wendepunkt.

Kurz nach der Halbzeit biegen wir rechts ab auf einen schmäleren Asphaltweg. Da sich das Marathonfeld nun auseinandergezogen hat, ist dieser Streckenteil ausreichend breit für uns. Einige 90-Grad-Kurven machen dieses Stück zum Wendepunkt abwechslungsreich. Dafür fängt es jetzt zu regnen an. Mist. So wie der Wetterfrosch prophezeit hat. Doch das Nass von oben hört dann wieder auf.

Ich sehe Lichter, die Spitze kommt. Aha, die Startnummer 1 führt. Robert Jäkel hat einen passablen Vorsprung auf die Startnummer 2 mit Hans-Jörg Dörr. Dann folgen einige Bewerber um Rang drei, wo jetzt Martin Fischer vorne dran ist. Aber hier können sich noch Änderungen ergeben, so meine Vermutung.

Bei der V-Stelle bei Kilometer 25 frage ich vergebens nach Bier. Dafür fangen die zwei Helfer zum Springen und Herumkaspern an. „Wenn ich nach der Wende zurückkomme, fahrt Ihr eine Halbe her“, lasse ich noch los.

Wende 2. Jetzt geht es zurück. Es ist gut und praktisch, dass man hier das ganze Feld beobachten kann. Viele Ultras und Marathonis kommen mir jetzt entgegen. Sie nutzen den heutigen Termin als Standortbestimmung, als lange Trainingseinheit oder ganz einfach als „laufenden Ratsch“. Die Jahre der schnellen Zeiten sind hier auch schon lange vorbei. Der Marathongenießer ist schon lange in Kandel heimisch geworden. Früher hat hier jeder dritte unter drei Stunden gefinished.

Da ich mich gut fühle, laufe ich mein eingeschlagenes Tempo weiter und kann so jetzt immer mehr Marathonis überholen. Darunter sind auch Bekannte wie Holger von Tongolen aus Düsseldorf, der mir letztes Jahr noch davongelaufen ist. Oder Karl-Heinz Weil aus Staufenberg, der heute die Klasse M65 gewinnen wird.

Kilometer 30, wieder wird die Zeit eingesagt. Jetzt habe ich fast drei Minuten auf die 3.30 Stunden gut. Dann geht es wieder auf die breite Kreisstraße. An einer V-Stelle überholt mich die gutaussehende Wildkatze in ihrem Laufrock. Ich glaube fast, die muss ich laufen lassen. Aber dann reiße ich mich zusammen und kann zumindest auf den nächsten Kilometern auflaufen. Aber sobald ich für die Verpflegung stehen bleibe, ist sie wieder weg.

Kilometer 37, es geht in den Endspurt. Mir tut inzwischen der Oberkörper und Rücken weh. Wohl die Folge von der harten Holzarbeit in den Tagen zuvor. Weiter.

Kilometer 39. Bei der Lichtung will ich noch ein Bild machen von der Wildkatze. Bleibe stehen und die Kamera mault. Das Objektiv geht zu und will nicht mehr öffnen. Das Ding ist wohl beleidigt. Oder eifersüchtig. Noch drei Kilometer.

Wir verlassen den Wald und laufen am Floßgraben entlang. Kilometer 40: Noch mal eine Zeiteinsage. Ja, es kann netto sogar noch eine 3.26 werden. Die letzten zwei Gegner packe ich auf der Straße am Stadion, den letzten auf der Stadionrunde.

Ziel! Und dann ist wieder ein Marathon hinter mir. Es dauert nur Sekunden, dann ist auch die Laufkatze da. Es ist Gaby Heidemann aus Wolsfeld. Sie ist total happy, da sie gerade mit 3.26.37 Stunden eine Bestzeit aufgestellt hat. Sie fällt mir um den Hals.

Länger aufhalten will ich mich hier nicht, denn es bläst wieder der Wind und sofort ist mir kalt. Gut, dass Plastiksäcke als Überhang gereicht werden. Eine Halbe Erdinger, ein Becher Tee und ein paar Orangenschnitze, so hole ich meine Tasche vom Auto und gehe zum Duschen.

Ja, und dann genieße ich die Fleeschknepp mit Meerrettichsauce, eine Spezialität in der Region. „Für so was müssen Sie öfter in die Pfalz kommen“, sagt die Helferin an der Ausgabe.

Teilnehmer im Ziel:
Marathon 620, Halbmarathon 1264.

Streckenbeschreibung:
Alles asphaltiert. Kurs führt über abgesperrte Straßen, Wald- und Wirtschaftswege. Zwei Wendepunkte, für die Teilnehmer ist die Spitze sowie das Feld gut zu beobachten.

Wettbewerbe:
42,195 Kilometer, Halbmarathon.

Zeitnahme:
Champion-Chip.

Auszeichnung:
Urkunde (im Internet oder bei der Siegerehrung) für jeden Finisher. Funktionsshirt.

Logistik:
Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe. Startnummern ab 08.00 Uhr. Marathonmesse, Bauernmarkt. Anfahrt über die A65, Ausfahrt Kandel-Süd.

Verpflegung:
Alle fünf Kilometer Verpflegung mit warmen Tee, Wasser, Iso, Obst.

Zuschauer:
Wenig Zuschauer. Im Zielbereich hauptsächlich viele Angehörige.

Fazit:
Ein Lauf für Speed-Junkies. Bestzeitengefährdet!

Marathonsieger

Männer

1 Jäkel, Robert (GER) TuS 08 Lintorf  02:35:49 
2 Dörr, Hans-Jörg (GER) TV Hatzenbühl  02:37:37
3 Fischer, Martin (GER) TV Offenbach  02:39:09

Frauen

1 Hebding, Marion (GER) TV Rheinau 1893 e.V.  03:04:14 
2 Meiniger, Simone (GER) LTG Kämpfelbach  03:07:52
3 Fromm, Nadine (GER) Fitness Factory  03:08:43

 

Informationen: Bienwald-Marathon
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