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Laufberichte

Do erläbsch was

11.03.07

Bestzeiten am laufenden Band

  

Heute hat’s mich in die Pfalz verschlagen. Genauer gesagt nach Kandel, wo zeitig im Jahr ein flacher, windgeschützter und schneller Marathon stattfindet. Grund für mich, dass ich nach gut einer Dekade wieder dort an die Startlinie begebe.

 

Nachdem 2006 der Winter sehr lange und hart war, der Klaus hat uns ja vom letzt jährigen Lauf berichtet, ist es heuer ganz anders. Denn der Winter 2006/2007 war mehr oder weniger nur ein Papiertiger.

 

Für die Anfahrt hat sich wieder Michael Sailer mit angeschlossen, der sich dort was vornehmen will, so glaube ich. Wir starten am Samstag spät abends. Klare Sicht, trockene Straßen und wenig Verkehr auf der Autobahn 8 machen die Reise angenehm. Lediglich eine Autobahnsperrung zwischen Heimsheim und Pforzheim kostet etwas Zeit. Aber die Umleitung geht ohne Ampelstopps übers Land. Als wir wieder auf die Autostrada einbiegen, erkennen wir auf der Gegenfahrbahn eine riesige Ampelanlage. Der Gegenverkehr wird nur bei Grün abgeleitet. Kandel erreichen wir dann nach der Durchquerung von Karlsruhe. Auf dem Parkplatz beim Bienwaldstadion biegen wir nach einer Ortsbesichtigung ein.

 

Nach der Ruhephase treibt`s mich in der Frühe hinaus. Die Vögel pfeifen um die Wette, die Sonne scheint, nur ein wenig frisch ist die Luft, kein Wunder, es hat in der Nacht gefroren. Ich sondiere die Lage und erkenne, dass bereits in der neuen Mehrzweckhalle ein emsiges Treiben zu sehen ist. Es sind erst wenige Sportler anwesend. Aber an den Ständen der Messe und an der Anmeldung wird alles hergerichtet. Am Auto zurück hat auch der Michael seinen Winterschlaf beendet. Wir schnappen unsere Taschen und marschieren in die Halle. Dort herrscht schon an der Anmeldung reger Betrieb.

 

Die Startgebühren gehen von 15 EUR für den Halben bei zeitiger Voranmeldung bis 32 EUR beim Marathon bei Nachmeldung am Starttag. Sie beinhalten nicht nur die Verpflegung während des Rennens, sondern wir erhalten bereits vor dem Lauf ein Funktionsshirt in dunkelblauer Farbe. Die Urkunde kann dann später auch vor Ort ausgedruckt und mitgenommen werden.

 

Nach dem wir die ausliegenden Ausschreibungen sondiert und die eine oder andere interessante genommen haben, holen wir uns von der Kuchentheke ein Frühstück. Für einen großen Becher Kaffee und ein großes Marmorkuchenstück nur zwei EUR, das kann ich fast nicht glauben. In der Umkleide ziehen wir uns dann um. Während der Michael ganz kurz läuft, wähle ich eine Radler sowie eine dünnes Laufhemd unter meinem obligatorischen Shirt. Für eine Viertelstunde laufen wir uns noch warm. In der Sonne ist es jetzt schon angenehm warm.

 

Gegen 09.45 Uhr suchen wir nochmals die Umkleide auf und entledigen uns der Sachen, die wir nicht mehr brauchen. Im Startbereich auf der Jahnstraße sind mehrere Bereiche ausgeschildert, so dass sich die Läufer ihrem Leistungsvermögen entsprechend aufstellen können. Ich sehe auch noch einige Zugläufer, die durch markante Startnummern sowie durch Luftballone gekennzeichnet sind.

 

Der Bürgermeister spricht ein paar schnelle Grußworte und dann wird schon heruntergezählt, bis uns ein Schuss auf die Strecke entlässt. Nach ein paar Metern bleib ich gleich stehen und mach meinerseits einen Schuss. Mit der Kamera! Nach einer Rechtskurve laufen wir auf Kandel zu. An beiden Verkehrsinseln blühen bereits die Osterglocken in leuchtendem Gelb.

 

Die Stadt Kandel mit gut 8000 Einwohnern ist geprägt durch Handel, Dienstleistung und Handwerk. Zudem werden seitens der Landwirtschaft auch Spargel, Rüben, Obst, Tabak und Wein angebaut. Der Ort ist ein typisches Straßendorf. Erstmals erwähnt wurde der Ort als Canele in einer Kirchenurkunde im Jahr 1150. Ja, und eine Verbindung zu meiner Heimat, nach Neuburg, die gibt’s auch. Denn der Kurfürst Ottheinrich war hier im 16. Jahrhundert am Regieren und Anschaffen. Und bei uns hat er einen Teil des Neuburger Schlosses, wohl mehr auf Pump, erbaut. Vor ein paar Jahren hat man in Neuburg seine Badewanne gefunden. Der Ottheinrich war ein beleibter Mann, so ist folglich seine Wanne schon eher a Sauzuber. Bei unserem Schlossfest (alle zwei Jahre, auch 2007) kann man in der Badestube diese Wanne sehen und auch benützen.

 

In der Ortmitte biegen wir dann in die Saarstraße nach links. An der Agentur für Arbeit laufen wir vorbei, da denke ich, „an die Arbeit“. Schöne, einzelne Fachwerkhäuser sind zu sehen. Einige Besitzer schauen aus den Fenstern und beobachten die Szenerie. Kilometer 3 führt uns jetzt auf der Bundesstraße 427 in die Natur. Es ist alles schon ergrünt. Rechterhand sehen wir auf dem Galgenberg mehrere Windräder.

 

In Minfeld (Kilometer 5) hat sich das Feld schon etwas auseinander gezogen. Wir können jetzt frei laufen. Bei einer Sparkasse zeigt ein Thermometer 5 Grad an. Kommt mir wegen der Sonne gar nicht so kühl vor. An einer Kreuzung bearbeitet eine Zuschauerin eine Kuhglocke. Daneben stehen etliche Leute, die mit Applaus nicht geizen. Wer hierher kommt und einen Mordszuschauerzuspruch erwartet, ja, der wird enttäuscht sein. Es sind nur wenige Leute anwesend, wohl die meisten sind Angehörige von Läufern oder Interessierte. Die Teilnehmer wollen hier wohl mehr einen Test für das künftige Jahr hinlegen als ein Event genießen.

 

Am Ortsausgang finden wir die erste Verpflegungsstelle, wo uns Wasser, Iso und Tee kredenzt werden.

 

Für einen Kilometer sind wir noch in den Fluren unterwegs, doch nach dem Vorbeilaufen an der Hardtmühle tauchen wir in den Bienwald ein. Der ist ein großes zusammenhängendes Waldgebiet der südlichen Pfalz. 1793 holten sich hier die Franzmänner eine blutige Nase im Revolutionskrieg gegen die Österreicher. Unsere Gesinnung ist dagegen friedlich, denn wir genießen den frühlingshaften Tag.

 

Am Naturfreundehaus Bienwald stehen einige interessierte Fans. An der folgenden Lichtung, hier fließt der Otterbach Richtung Osten, hat sich der Fotodienst niedergelassen. Von seiner Arbeit werden wir uns in den folgenden Tagen überzeugen können. Nach etwa fünf Minuten erreichen wir die breite Kreisstraße, auf der wir einen Haufen Kilometer „fressen“ dürfen.

 

Immer geradeaus laufend dauert es nicht lang, dann kommt uns der führende Halbmarathoni entgegen. Er hat schon einen gehörigen Vorsprung. Es dauert nicht mehr lange, dann wird der Wendepunkt für die Halbmarathonis bereits angekündigt. Und an diesem Punkt, kurz nach Kilometer 12, kehrt die Mehrzahl der Läufer um. Ich schätze mal das Verhältnis auf 2 zu 1. „Ihr wollt uns doch nicht alleine lassen,“ spreche ich einen der Halben an und ernte lediglich ein „heute reicht das.“

 

Jetzt haben wir noch mehr Platz. Vor mir in rund 100 Meter die nächsten Marathonis, hinter mir sind die Verfolger allerdings näher dran. Ich beobachte eine Läuferin mit Radbegleitung vor mir. Da fällt mir der Aufdruck auf dem Trikot auf. „Laufende Ladies“, ich glaub aus Landau. Die Radbegleitung sagt, „Überholvorgang“, worauf ich auf die schönen Bedingungen hinweise. „Irgendwann kommt der Einbruch,“ kann ich noch vernehmen. Da fällt mir ein, dass im Bienwald heute nicht nur laufende Katzen in Form der eben überholten Frau, sondern in den letzten Jahren sich auch die felis silvestris silvestris hier angesiedelt hat. Die Wildkatze, auf gut deutsch, läuft allerdings das ganze Jahr hier umher.

 

Bei Kilometer 15 kommt das Führungsfahrzeug mit Deutscher Schlagermusik entgegen - und dem führenden Marathoni im Schlepptau. Der hat standesgemäß die Startnummer 1. Ich zähle die Verfolger und schon auf Rang sieben sehe ich meinen Vereinsfreund Michael. Ich rufe ihm seine Position zu. Und auch ein Spässle muss sein: „Quäl Dich – Du Sau,“ brülle ich heraus. Worauf er grinst und mit den Händen Faxen macht. Er hat wohl vier Kilometer Vorsprung.

 

Am Ortseingang Schaidt hat sich eine Musikkapelle mit Trommeln und Blasinstrumenten postiert, die wir schon ein ganzes Wegstück gehört haben. Ich fotografiere die Kapelle, die Jockgrimer Feierbatscher, und gerate so in das Visier eines Pressefotografen. Am Waldrad entlang und durch ein kleines Gewerbegebiet erreichen wir den ersten Wendepunkt. Ich sehe vor mir Manfred Luginger und nach meiner Wende Thomas Schmidtkonz.

 

Wieder an der Kapelle vorbei läuft mir Olaf Schmalfuß, Klaus Neumann und, ich glaube, Eberhard Ostertag entgegen. Der fällt mir auf, da er mich wegen meinem Shirt anspricht. Da will ich mal was hinzutun, dass ich weitere Autoren von marathon4you.de künftig kennen lerne. Vielleicht langt’s mal für einen Stammtisch.

 

Nach Kilometer 21 biegen wir recht ab Richtung zweiten Wendepunkt. Der Weg ist hier schmäler asphaltiert, aber breit genug. Mehrere 90 Grad-Kurven bringen etwas Abwechslung ins Kerngeschäft. Mittlerweile kommt wieder die Schlagermusik entgegen. Ich fotografiere den Dritten, der später, so berichtet mir Michael, noch zum Wanderer wird. Der Michael kommt wieder als Siebter. Ich spreche ihn wie üblich an und er streckt mir die Zunge nach. Unverschämtheit!

 

Wir nähern uns dem zweiten Wendepunkt. Vor mir sehe ich Manfred Luginger und einen weiteren Sportler. „Habediehre, Herr Kommissar,“ sage ich beim Überholvorgang. „Noch einen guten Lauf,“ wünsch ich dann ihm.

Was mir auf diesem Stück auffällt, ist, dass sich auffällig viele Ultraläufer versammelt haben. Diese nehmen den langen Kanten als Trainingseinheit oder als Generalprobe für die Deutsche Meisterschaft über 100 Kilometer her.

 

Bei der nächsten Verpflegungsstelle verlange ich wieder mal ein Bier und kann leider nur ein mitleidiges Lächeln ernten. Kilometer 32 führt uns wieder auf die breite Landstraße. Fünf Kilometer geradeaus! Für solche unangenehme Situationen, wo es keinen Ausweg gibt und wo man durch muss, gibt es bei uns einen Spruch. Auf gut Bayrisch: „Orschbacka zamm zwicker, s Gnack eiziang und durch.“ Das brauch ich wohl nicht übersetzen.

 

Seit geraumer Zeit kann ich weitere Läufer ein- und überholen. Aber dann bei der letzten V-Stelle (Kilometer39) am Naturfreundehaus nehme ich das Tempo heraus und will die letzten Kilometer noch genießen. Hier können wir bereits die Lautsprecher am Ziel hören, der leichte Ostwind macht das möglich. Wir verlassen den Bienwald, es geht hinein nach Kandel. Am Floßgraben entlang kommt mir Michael knapp nach der 40 Kilometer-Marke entgegen. „Im Ziel gibt’s ein Schnitzel,“ motiviert er mich. Na ja, wenn’s hilft.

 

Kilometer 41, der Hubhofweg, die via diretissima zum Bienwaldstadion. Von hinten kommt keiner mehr, quälen will ich mich auch nicht mehr, so laufe ich gut gelaunt ein und nach einer dreiviertel Runde auf der Tartanbahn durch das Ziel. So, dann ham ma wieder an Marathon eigsackelt.

 

Im Stadion erhalten wir die bekannten Getränke, zusätzlich Bananen, Äpfel und Orangen. Ein Läufer fragt: „Helft Ihr mir beim Aufstehen, wenn ich nicht können sollte“. Da lache ich und sage: „Aber erst nach ein paar Momenten Schadenfreude.“

 

Die Duschen sind warm in der Mehrzweckhalle. Platz ist genug vorhanden. Vor der Siegerehrung futtern wir dann die auf der Homepage angepriesenen Fleeschknepp. Die sind im Vorjahr wohl nicht angenommen worden. Der Geschmack der Fleischklösse insbesondere der gereichten Meerrettichsauce ist hervorragend. Eine Essiggurke schließt das ganze ab. Das Rezept für diese Pfälzer Spezialität ist auch online gestellt.

 

Später werfe ich unsere Startnummern in die Losbox ein. „Jetzt müsst Ihr nur noch diese Nummern ziehen,“ sage ich der Helferin am Info-Schalter. Ja, und genau so kommt es. Ich erhalte einen Freistart in Ulm und der Michael fährt auf die Baar zum Schwarzwald-Marathon. Das Studieren der Ergebnisse bringt noch mal eine Überraschung. Die Klasse M45 führt mit 144 Finishern vor der M40 mit 110. Auf die alten Säcke kann man sich verlassen.

 

Bei der Heimfahrt stehen wir dann bei Pforzheim an der bekannten Baustelle eine knappe Stunde im Stau. Für zwei Kilometer. Da gibt es noch einiges zu tun, auf Süddeutschlands längstem Parkplatz, der Autobahn 8. Ja, und ein anderer verliert eine Matraze auf der Autobahn, während andere „Agenten“ die Autostrada als Fahrradweg benützen, so hören wir es auf SWR 1. Wo is’n des Hirn?

 

Ich freue mich beim nächsten Lauf in der Pfalz. In drei Wochen samma beim Hambacher Schloss in Neustadt an der Weinstraße.

 

Ergebnisse Marathon

 

Männer

1. Knopp, Andi (GER)  MHK  RSG Montabaur 02:30:43
2. Schönberger, Martin (GER)  MHK  TTC Grenzau 02:31:05
3. Schmidt, Jörg (GER)  02:35:07

 

6. Sailer, Michael (GER) TSV Neuburg 1862 02:41:02 02:41:00

 

Frauen

1. Jordan, Anja (GER)  WHK  Rastatter TV  03:13:55
2. Rosenstiel, Eva (GER)    LT Endingen 03:14:34
3. Bahlcke, Annett (GER)  03:20:42

 

Mehr zum Thema

Teilnehmer im Ziel:

Marathon 638, Halbmarathon 1300. Teilnehmerrekord. Eine Zunahme um rund 25 Prozent im Vergleich zu 2006.

 

Streckenbeschreibung:

Alles Asphaltiert. Kurs führt über abgesperrte Straßen, Wald- und Wirtschaftswege. Zwei Wendepunkte, für die Teilnehmer ist die Spitze sowie das Feld gut zu beobachten.

 

Wettbewerbe:

42,195 Kilometer, Halbmarathon.

 

Zeitnahme:

Champion-Chip.

 

Auszeichnung:

Urkunde (im Internet oder bei der Siegerehrung) für jeden Finisher. Funktionsshirt.

 

Logistik:

Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe. Startnummern ab 08.00 Uhr. Marathonmesse, Bauernmarkt. Anfahrt über die A65, Ausfahrt Kandel-Süd.

 

Verpflegung:

Alle fünf Kilometer Verpflegung mit warmen Tee, Wasser, Iso, Obst.

 

Zuschauer:

Wenig Zuschauer. Im Zielbereich hauptsächlich viele Angehörige.

 

Fazit:

Ein Lauf für Speed-Junkies. Bestzeitengefährdet! Nächster Termin im März 2008.

 

Informationen: Bienwald-Marathon
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