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Laufberichte

Geballte Olfaktorik bei der Mutter aller Ultras

12.06.10

Den ersten Anstieg hinter Port bei km 8 von 120 Höhenmetern über einen km laufe ich nicht und nehme die Warnungen ernst. 100 km sind für mich gar nicht einzuschätzen und ich vermeide jede Kraftvergeudung. Zügig schreite ich nach oben. Auch hier steht noch jede Menge Volk am Straßenrand, das uns freundlichen Beifall spendet. Schön ist der Blick zurück auf das erleuchtet Biel, aber die Kamera ist leider überfordert beim Versuch, das einzufangen. Herunter laufe ich wieder und versuche dabei, die Oberschenkelmuskulatur möglichst zu schonen. Licht ist überhaupt keines vonnöten, denn noch sind wir der Straßenbeleuchtung nicht entkommen.

Ich war bis drei Tage vor dem Lauf zutiefst verunsichert, ob ich heute ankommen oder überhaupt loslaufen werde, denn zum ersten Mal seit neun Jahren hatte sich nach dem letzten langen Lauf eine Verletzung angekündigt, das linke Knie ärgert. Manchmal knickte das Bein wie aufgrund einer Nervenunterbrechung kurz weg, dann ging es wieder. Ein Besuch bei unserer (seriösen) Wunderheilerin wirkte tatsächlich Wunder, denn nach einer dreiviertelstündigen Behandlung und drei deutlich hörbar wieder eingerenkten Wirbeln sieht die Welt gleich wieder wesentlich freundlicher aus.

Fünf Tag habe ich insgesamt sicherheitshalber pausiert. Ein Aussteigen ist zwar möglich, dies will ich aber ohne falsches Heldentum nach Möglichkeit vermeiden. DNF? Wo kämen wir denn da hin? Glücklicherweise sieht es nicht im Ansatz danach aus.

Mittlerweile haben wir bei Jens Km 10 nach gut 1:01 Std. erreicht. Noch immer sind wir eigentlich zu schnell. Wir sind übrigens nicht nur Markus und ich, sondern auch Jörg aus Arnstadt, der sich uns vom Start weg angeschlossen hat. Auch er will eigentlich nur durchkommen und mahnt uns zu recht und mehrfach, es noch ruhiger angehen zu lassen. Oh, es ist schwer, sich zu zügeln, wenn man sich stark fühlt und meint, nur zu schleichen!

Über etliche Feldwege, die dank des hellen Untergrundes trotz Neumond (= kein Mond) und wolkenverhangenem Himmel gut ohne eigenes Licht zu belaufen sind, geht es weiter zu unserem ersten wichtigen Zwischenziel. Km 15 ist nach 1:37 Std. erreicht. Jemand spielt Tanzmusik und ein Läuferpärchen läßt sich nicht lumpen und dreht einige Tanzrunden. Wir beeumeln uns vor Lachen. Scheinbar hat es nicht geschadet, denn zumindest Christiane hat das Ziel in 14:36 Std. erreicht.

Auf das Erlebnis der 400 Jahre alten gedeckten Holzbrücke bei Aarberg habe ich mich gefreut und werde auch nicht enttäuscht. Wie aus dem Nichts steht sie plötzlich vor mir, die Zuschauer stehen dicht an dicht an den Rändern und spenden reichlich Beifall. Noch reicht die Kondition zum Straffen des Rückens sowie für entspanntem Gesichtsausruck. Toll ist das Erlebnis, auf einem extra ausgerollten blauen Teppichboden zu laufen, richtig edel. Zu unserer großen Freude haben es sich unsere Frauen nicht nehmen lassen, uns an dieser Stelle anzufeuern und einen Teil der Nacht mit uns zu verbringen. Der Lohn dafür wird sofort „mündlich“ übermittelt. Danach dürfen sie schlafen gehen, um morgen als persönliche Pflegekräfte wieder fit zu sein.

Hinter der Brücke beglückt uns der unvergleichliche Anblick des hellerleuchteten historischen Marktplatzes, den wir bereits gestern besichtigen konnten, so können wir das Erlebnis noch mehr genießen. Auf dem Anger findet auch der erste Stafettenwechsel (5 Läufer) statt, gleichzeitig befindet sich hier das Halbmarathonziel. Leider ist dieser schöne Moment wirklich nur ein solcher und kurze Zeit später schon wieder vorbei. Noch haben wir kaum angefangen und noch über 81 km vor uns.

Aarberg – Oberamsern (km 18 - 38)

Hinter Aarberg führt der Weg in die Finsternis, der angekündigte einsame Kampf mit der Strecke beginnt. Alles vorher war wohl eher Vorgeplänkel gewesen. Km 20 erreichen wir nach 2:07 Std und setzen gut gelaunt unseren Weg fort. Eberhard fällt mir ein, der seinen frühen Einbruch bei km 20 beschreibt und daß es nach 30 km plötzlich wieder ging. Von Müdigkeit oder gar Einbruch ist derweil noch nichts zu spüren. O je, ist der Weg noch lang! Gut ist aber mit Sicherheit, daß ich mir zwar klar mache, daß es insgesamt 100 km sein werden, aber immer nur das nächste Zwischenziel wirklich im Auge habe. Dies ist dann nach 23 km die Ortschaft Lyss.

Die Besonderheit ist hier das Zusammentreffen von Läufern und ihren Begleitfahrrädern (man konnte sich zur persönlichen Versorgung einen mitnehmen). In der Schweiz werden Fahrräder „Velos“ genannt. Diese waren eine halbe Stunde vor uns in Biel gestartet und durften uns auf den ersten, engen km nicht begleiten, um ein Chaos zu vermeiden. Ich erwarte einen großen Pulk, der verzweifelt nach dem jeweiligen Läufer Ausschau hält. Kein Pulk, keine Verzweiflung, zumindest erkenne ich keine. Die Radler haben sich schön über etliche hunderte Meter vergeteilt, viele sind natürlich auch schon mit den schnelleren Läufern auf der Strecke. Jörgs Freund und Kollege Heinz ist kurz vor km 25 wie verabredet sofort gefunden. Er trägt zwar ein Werbeshirt von Köstritzer, lacht uns aber aus, als wir nach einem kühlen Schwarzen verlangen. Mistkerl! Und futtert dann heimlich Jörgs Bifis. Solch eine Unterstützung lobe ich mir!

 
 

Informationen: Bieler Lauftage
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