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Laufberichte

Phönix oder Basilisk?

12.09.10

 

km 30 bis zum Ziel

 

 

Beim Mühlegraben steht ein Stück alter Stadtmauer, die man beim Vorbeilaufen leicht übersehen könnte. Wenn man die Strecke verlässt und das Grundstück betritt, sieht man über der Mauer den oberen Teil des St-Alban-Tors.

Ein nahrhafter Anstieg steht noch bevor, der Mühlestieg, der  wieder in die St. Alban-Vorstadt hinaufführt. Von hier aus ist der Kurs auf den letzten knapp zehn Kilometern mit den Kilometern 3 bis 12 identisch, wobei jetzt bedeutend mehr Zuschauer an der Strecke sind.

Kunstmuseum, Wettsteinbrücke, Rheinweg heißen die nächsten Fixpunkte. Wie lange wird es noch dauern, bis der Führende des Halbmarathons an mir vorbeibraust? Nicht mehr lange, wie ich feststelle. Nach seinem Vorbeiflug dauert es ein ganzes Weilchen, bis die Verfolger aufkreuzen. Mir ist es im Moment nicht so ums Fliegen und die Aussicht über den Rhein kann ich nicht so entspannt genießen, denn ich verspanne mich plötzlich recht stark. Nicht in den Beinen, es ist der Bauch, der mir Beschwerden bereitet. Bin ich das Opfer des Basilisken? Versteinern konnte er mich nicht, doch versucht er es nun mit seinem stinkenden Atem? Um solches zu glauben bin ich zu aufgeklärt.

Vermutlich hat  die Zufuhr von Gel das ausgelöst. Ich glaube aber nicht, dass es diese Energiebombe ist, welche mich zum Platzen bringt. Vielmehr ist es die Völlerei am gestrigen Samstagabend, die zudem noch mit schmackhaften, kräftigen aber ungewohnten Gewürzen garniert war.

Man sollte meinen, dass nach so vielen Marathons die Erfahrung solche Torheit verhindern würde. Eigentlich schon, das Problem ist nur, dass bei dem fast selbstverständlichen Aneinanderreihen von Marathons ein diesbezüglicher Respekt etwas verloren geht.

In Panik gerate ich deswegen nicht, denn in den Informationen habe ich gelesen, dass unterwegs die berühmten blauen Kabinchen aufgestellt sind. Das beruhigt zwar nicht das unheilvolle Ziehen im Gedärm, immerhin aber meine diesbezügliche mentale Verfassung. Ich nehme Tempo raus und trabe noch einen Kilometer weiter zum Verpflegungsposten beim Rheinhafen, wo ich dann stracks auf  eines der Kabinchen zustrebe. Ich entscheide mich für dasjenige, welches weniger schief auf dem Gelände steht. Klo-Kabine in vollkommener Dunkelheit kenne ich (s. mein Bericht Allgäu Ultra vom vergangenen und Bernies Bericht aus diesem Jahr), Klo-Kabine in Rückenlage muss ich ja nicht unbedingt auch noch erleben.

Ungeheuer erleichtert trete ich so die letzten sechs Kilometer an und kann nochmals etwas Schub geben. Wären da nicht diese verschenkten Minuten, könnte ich heute locker eine neue Saisonbestleistung erzielen. Trotzdem: Ich fühle mich wieder locker, ziemlich frisch und gut drauf. Es ist nicht ein „Runner‘s High“, dafür erlebe ich es viel zu bewusst. Ich genieße die Kombination dieser Empfindungen und der Rückmeldungen des Körpers, welche signalisieren, dass nach all den Kilometern zwar Ermüdungserscheinungen vorliegen, aber noch ausreichende Reserven vorhanden sind. Mir macht es einfach Freude. Oder ist doch der Basilisk im Spiel? Als Todsünde auf Bildern dargestellt, steht er für die Wollust. Und früher sagte man, dass man etwas mit wahrer Wollust tue, wenn man etwas mit großem Vergnügen tat.

Kurz nach dem Messeplatz zeigt die Tafel Kilometer 41 an, ich befinde mich also schon auf der Zielgeraden. Über den Claraplatz, nochmals beim Sitz des Titelsponsors vorbei, geht es weiter geradeaus, diesmal vor der Mittleren Brücke nicht rechts, sondern auf die Brücke. An dieser Stelle wurde 1226 die erste Rheinbrücke eröffnet. Zum Schutze der teuren, durch den Verkauf von Kirchenschätzen finanzierten Brücke, ließ der Bauherr am rechten Rheinufer das befestigte Städtchen Kleinbasel anlegen. Nach der Einführung der elektrischen Straßenbahn musste die alte Brücke der heutigen Mittleren Brücke aus dem Jahr 1905 weichen. Eine Kopie der alten Brückenkapelle, das so genannte Käppelijoch, wo im Mittelalter unter anderem Todesurteile vollstreckt wurden, erinnert aber noch an das ursprüngliche Bauwerk. Heute muss das Tram den Läufern weichen, die Brücke gehört uns und den zahlreichen Zuschauern, die eine regelrechte Gasse bilden und für kräftigen Schub auf den letzten Metern sorgen.

Kaum ist das Großbasler Ufer erreicht, kommt das letzte Kilometerschild. In einer Linkskurve biegt die Strecke auf den Marktplatz ein, wo eine Menschenmenge beim Zieleinlauf vor dem Rathaus versammelt ist. Leider ist von dem nicht viel zu sehen. Der prächtige Bau, Sitz der Regierung, ist verhüllt, damit er noch prächtiger werde. Einzig der schon erneuerte Turm ist aus dem Läuferbereich zu sehen, in welchem Getränke, Obst und denen, die bei der Anmeldung einen zusätzlichen Obolus entrichtet haben, die Medaillen abgegeben werden. Eigentlich würde ich gerne zurück in die Zuschauermenge beim Ziel, doch dies ist auf direktem Weg nicht möglich, weshalb ich mich zuerst in Richtung Barfüßerplatz mache, wo das Gepäck und ein Duschzelt mit angenehm warmem Wasser auf uns warten.

Erfrischt und zufrieden hole ich mir beim Fast Food-Experten eine große Portion Pommes und am Grillstand eine Bratwurst, setze mich vor dem Historischen Museum in der Barfüßerkirche auf die Treppenstufen und lasse es mir gut gehen. Weil ich noch verschiedene Bekannte treffe, gehe ich nicht wie ursprünglich vorgesehen nochmals in den Zielbereich zurück, sondern nehme von hier aus das Tram zurück zu meinen Eltern, die gespannt sind, was ich ihnen von diesem neuen Lauf zu erzählen habe.

Ein Phönix aus der Asche ist der Manor Run to the Beat Basel definitiv nicht. Das Organisationskomitee hatte den Mut, sich vom Scheitern eines anderen Veranstalters nicht einschüchtern zu lassen und sich zuzutrauen, einen solchen Anlass erfolgreich stemmen zu können. Schade, dass nicht mehr Läufer diese Initiative mit ihrer Anwesenheit unterstützt haben. Vielleicht trägt der eine oder andere immer noch die Enttäuschung aus dem Jahr 2006 mit sich. Schade, dass der Manor Run to the Beat Basel mit diesem Teil der Laufgeschichte in Verbindung gebracht wird. Die Verkehrsbetriebe stehen mit all den Streckeneinschränkungen und Fahrplanänderungen zwar voll hinter der Veranstaltung, dass sie auf den Anzeigetafeln und in den Durchsagen aber den Begriff „City Marathon“ verwenden, ist nicht nur ein sprachlicher Fauxpas.

Die Sache mit der Musik betrachte ich mehr als Marketingangelegenheit mit einer leichten Tendeznz zum Hype – es sei denn, man laufe verkabelt und verstöpselt, was nicht mein Ding ist. Daran störe ich mich überhaupt nicht, denn die Organisation und die Streckenführung hält, was sie verspricht. Sicher, das heutige Basel ist mehr die Stadt, die ich aus meiner Zeit auf dem Gymnasium kenne, doch so wie ich die Stadt am Rheinknie kenne, attestiere ich dem Run tot he Beat Basel, dass auf seiner Marathonstrecke alle ihre wichtigen Facetten erlebt werden.

Mir hat  es Spaß gemacht, nach all den Jahren fern von Basel wieder in diesen Teil meiner Geschichte einzutauchen. So viel, dass ich mir überlege, ob ich mich fürs kommende Jahr nicht als Zugläufer bewerben soll, damit ich andere mit auf Tauschstation nehmen und begleiten kann. 

Marathonsieger

Männer

1. Schur Andreas,  D-Pfullendorf              2:38.04,3   
2. Eggenschwiler Bernhard,  Fehren            2:39.50,0   
3. Prétôt Matthias, Allschwil                2:45.15,6

Frauen

1. Germann Désirée,  Zürich                   3:11.31,1 
2. Jehn Melissa,  Basel                       3:14.40,5   
3. Schillig-Planzer Stefanie,  Altdorf UR     3:16.35,4

 
 

Informationen: Basel Marathon
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