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Laufberichte

Phönix oder Basilisk?

12.09.10

 

Bis km 10

 

 

Nach dem Countdown geht es pünktlich und ohne viel Zuschauer los. Einige Angehörige und Bewohner der im Fußballstadion integrierten Seniorenresidenz verabschieden das Feld auf ausgiebigste Stadtbesichtigung, die in Basel angeboten wird.

Die breite Straße erlaubt von Beginn weg ein lockeres Laufen im gewünschten Tempo. Rempeleien oder Kräfte zehrende Überholmanöver gibt und braucht es nicht. Es bleibt sogar Zeit und Raum, um einen Blick auf die Kirche und das Siechenhaus von St. Jakob zu werfen, bevor wir in einer längeren Unterführung verschwinden.

Bald danach sind wir in einem Wohngebiet, wo vereinzelt Anwohner dem frühmorgendlichen Treiben zuschauen. Allgemein ist es an diesem Sonntagmorgen aber noch sehr ruhig. Kurz nach dem zweiten Kilometer laufe ich an einem Stück persönlicher Geschichte vorbei und damit in sie hinein. Wer in früheren Zeiten Status und Geld hatte, baute sich in diesem Quartier ein stattliches Stadthaus. Häuser dieses Ausmaßes werden heute als Villen bezeichnet und sind nach Erbgängen häufig an Firmen veräußert worden. Teilweise wurden sie dem Renditegedanken geopfert und an ihrer Stelle ein Mehrfamilienhaus errichtet, andere sind Sitz von Kanzleien und Praxen.

Die Strecke zwischen dem Haus, wohin ich als Elfjähriger mit meiner Familie hinzog, und der Tramhaltestelle lege ich heute verhältnismäßig gemach zurück. Damals war es zwangsläufig meine Sprintstrecke, sonst hätte ich das Tram verpasst, welches mich – Verkehrsbehinderungen ausgeschlossen – zeitgenau zur Schule brachte.

Einiges hat sich in diesem Quartier in diesen fast vierzig Jahren verändert. Das St. Alban-Tor ist sogar schöner geworden. Sicher hat es zwischenzeitlich eine Renovation erfahren, es kann aber sein, dass es mir allein aus dem Grund so imposant erscheint, weil ich es schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen habe.

Durch das Tor hindurch treten wir ein in die St. Alban-Vorstadt. Jetzt sind wir drin, in der „Dalbe“, wie der Basler sagt. Zwar gehört auch das vorherige Quartier genau genommen dazu, hier ist aber gewissermaßen der Boden der Schüssel, in welcher der „Daigg“, baseldeutsch für Teig, liegt. Dabei handelt es sich nicht um eine lokale kulinarische Spezialität. Es ist die Bezeichnung für die vornehmen, wohlhabenden Alteingesessenen, die Honorationen, den Geldadel. Ihre Fassade erschien und erscheint so schön, gepflegt und edel wie die ihrer Häuser auf dem Weg zum Kunstmuseum. Dahinter menschelte und menschelt es wie überall. Im Buch „Die Frau des Geliebten der Mutter“ wagte ein Mitglied dieser Kreise unter dem Pseudonym Diane d’Henri darüber zu berichten. Danach wusste man, dass nicht nur im Wasser, sondern auch im „Daigg“ Wellen hoch schlagen können.

Beim Einbiegen auf die Wettsteinbrücke ist links das Kunstmuseum zu sehen, die älteste öffentliche Kunstsammlung der Welt, in welcher seit 1661 die Werke berühmter Künstler bestaunt werden können. Noch bevor  wir richtig auf der Brücke sind, sind wir dem Blick eines riesigen, auf einem massiven Sockel thronenden Basilisken ausgesetzt. Er ist nur einer von vielen, die in Basel anzutreffen sind. Versteinern könne er, der Blick dieses Untiers, und sein stinkender Atem sei unerträglich. Nichts von all dem geschieht. Überraschend spritzig fühlen sich meine Beine an, seinem Atem habe ich inzwischen den Mief eines Läufers in Funktionskleidung entgegenzusetzen, obwohl die Temperatur perfekt passt.

Auf der Brücke gibt es rheinabwärts einen schönen Ausblick auf die Pfalz und das in rotem Sandstein erbaute Münster. Auf der rechten Seite des Rheins geht es an der gotischen Theodorskirche vorbei auf den Wettsteinplatz, wo eine Spitzkehre ans Rheinufer führt. Spätestens an dieser Stelle ist klar, wieso die Strecke nicht für Bestzeiten gemacht ist. Dafür bietet sich für längere Zeit die Gelegenheit, die Uferlinie Großbasels – so ist der linksufrige Teil der Stadt benannt – optisch zu erkunden. Zuerst mit vielen historischen Gebäuden, gegen die Grenze zu Frankreich hin mit Industriegebäuden. Nach der Unterquerung der Dreirosenbrücke, der letzten der Basler Rheinbrücken, geht es über die Bahngeleise von Industrieanschlüssen auf die Uferstraße, die zum Rheinhafen führt. Obwohl auf der rechten Seite Industriezone und Tanklager liegen, ist es ein beschaulicher Anblick, denn auf der linken Seite kann man den Blick über den Rhein nach Frankreich schweifen lassen, und das vor Anker liegende Flusskreuzfahrtschiff lädt zu einer Traumreise ein.

Der nächste Verpflegungsposten bei Kilometer 7, der zweite bereits, leitet uns aber einen Steinwurf vom Dreiländereck entfernt vom Rhein weg zum Hafenbecken I. Da, wo zu meiner Kinderzeit noch Säcke und Stückgut aus den Bäuchen der Frachter gehievt wurden, ist ein Container-Terminal. Schön, dass die alten Säcke wenigstens auf der Marathonstrecke noch einzeln geduldet sind!

Weiter geht es der Wiese entlang. Die Verkehrsbehinderung durch Marathon und Baustelle haben die Ordnungskräfte im Griff, einige Autofahrer scheinen damit aber überfordert zu sein. An dieser Stelle ist – Täuschung vorbehalten - auf dem Streckenplan der Verlauf auch etwas anders eingetragen. Kein Problem, denn kein gut informierter Mensch erwartet hier einen Hochgeschwindigkeitskurs ohne Bordsteinkanten und ähnlichen Stolperfallen. Mir bedeutet das  Grün mehr, das mich bisher weitgehend begleitet hat. Es wird bei Kilometer 9 noch dichter, denn wir biegen in die Lange Erlen ein, dem Naherholungsgebiet mit Tierpark. Nach der Strecke durch den Wald und der erneuten Querung der Wiese erwarten uns einen Kilometer weiter schon wieder freundliche Helfer mit einer weiteren Verpflegungsstation unter den Alleebäumen.

 
 

Informationen: Basel Marathon
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