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Laufberichte

Echte Kühe und mythische Drachen

 

Thomas spricht mich an. Er kommt aus einem Vorort von Basel. Nachdem er merkt, dass ich Ausländer bin, wechselt er ins Hochdeutsche und ich muss ihm bestätigen, dass es sich bis jetzt um einen schönen Stadtmarathon handelt. Dabei vergesse ich ganz, das Ehepaar zu fotografieren, das sich am Wegesrand mit einer Flasche Sekt postiert hat. Ich frage Thomas, ob er die Gemeinde Bettingen, gleich östlich von Basel, kennt. Leider nicht. Dort steht auch das mit 250 Metern höchste freistehende Gebäude der Schweiz, der Fernsehturm St. Chrischona. Trotzdem weise ich noch darauf hin, dass ich so heiße. Auch in Deutschland gibt es übrigens zwei Orte namens Bettingen.

Die Streckenführung ist wirklich spannend. Es geht unter einem Viadukt hindurch weiter immer bergab, in eine Unterführung unter der Bahn hindurch und schwuppdiwupp ist man in der Einkaufsstraße Steinenvorstadt und nach 500 Metern am Barfüsserplatz. 12 Kilometer sind damit geschafft.

Wir treffen auf eine von rechts kommende Läuferschar. Es geht auf den Kohlenberg hinauf, mit 7,96 % Steigung für „das“ Tram. Bei Neubaustrecken sind höchstens 4% erlaubt, diese ist also nur mit Sondergenehmigung befahrbar. Jetzt ist hier aber alles mit Läufern dicht. Auf dem Kohlenberg gibt es Jazzclubs und Schulen. Judith und ich verlieren unsere Marathon-Mitstreiter aus den Augen. Wir sind zwischen die um 9:30 Uhr gestarteten 10-km-Läufer geraten, dummerweise in die langsamere Gruppe, aber da sind wir ja selbst schuld. Da muss man sich vorarbeiten. Die Halbmarathonis mit Start um 9:15 Uhr sind schon auf und davon. Hier gibt es wunderschöne Gässchen (Graben) mit alten Häusern und wenig Laufwegbreite.

Ich habe schon oft überlegt, wie es bei uns in München aussähe, wenn die Innenstadt vor 70 Jahren nicht zerbombt worden wäre. Vielleicht wie in Basel? Moderne Viertel und Jahrhunderte alte Gebäude wechseln sich ab. Vor uns das Spalentor, eines von sieben Stadttoren der nach dem Erdbeben errichteten Befestigung. Es gilt als das schönste, besonders von der Außenseite. Die sehen wir aber nicht während des Laufs. Ein Eckchen über den Petersplatz, an der Peterskirche vorbei - fast wie in Rom. Universitätsspital, Totentanz (steht so im Stadtplan) und dann sehr steil bergab zum St. Johanns-Rheinweg. Noch eine Fähre wäre zu sehen und ein Feuerwehrboot. Das St. Johanns-Rheinbad verpasse ich leider.

In der Ferne die Dreirosenbrücke, benannt nach dem früher hier befindlichen Landgut der Familie Iselin, deren Wappen drei weiße Rosen zeigt. In ihrem Untergeschoss hinter Glasscheiben verkehrt die A3 Richtung Frankreich. Mich beeindruckt immer wieder, wie die Schweizer ihre Autobahnen quer durch die Großstädte bauen. Da geht es dann mit Tempo 80 oder 100 durch die City. In München wurde vor kurzem auch mal wieder ein neuer Straßentunnel eröffnet. Da ist stellenweise Tempo 30 vorgeschrieben. Vielleicht hätte man ihn von Schweizern bauen lassen sollen. Auf jeden Fall sieht man auf der Brücke Läufer. Da müssen wir also hin.

Ein Schlenker bringt uns über die Rheinschanze zum nächsten Verpflegungspunkt. Aufgepasst: Links hinter uns liegt das St. Johanns-Tor, das dritte erhaltene Stadttor Basels. Damit haben wir alle einmal gesehen.

In der folgenden Grünanlage muss ich Judith doch mal fragen, ob sie auch mitbekommen hat, dass wir versehentlich in einen Frauenlauf für Mädchen unter 20Jahren geraten sind. Die uns umgebenden Mädels tun so, als hätten sie mich nicht verstanden – was ja stimmen kann – und Judith findet das auch nicht so lustig. Ich halte den Mund und orientiere mich an den Rückseiten der Läuferinnen.

Über die Dreirosenbrücke und -anlage bergab. Unter der Brücke durch geht es nun für 2,5 km ins Hafengelände Kleinhüningen. Von hier nach Rotterdam sind es 832 Flusskilometer vorbei an vielen Städten mit Marathons. Eisenbahn links, Pappelallee rechts. Leichter Ölgeruch in der Nase. Der Fluss Wiese wird zwei Mal überquert.

Etwa 500 Meter vor uns liegt das deutsche Weil am Rhein, seit Ende 2014 mit einer Baseler Tramlinie erschlossen, die im dichten Takt Schweizer Kunden in das Rhein-Center bringt. Von dort gibt es eine Fußgängerbrücke auf die französische Seite nach Hueningen (Huningue). Auf dessen schönen Hauptplatz führte uns ganz europäisch am Samstag unser Abendspaziergang. Sehenswert auch die Warteschlangen vor dem deutsch-schweizer Zollhäuschen, wo die Mehrwertsteuerrückerstattung erfolgt.

Natürlich hätte eine Streckenführung über Deutschland und Frankreich so ihren Reiz. Aber dann hätte man wahrscheinlich dreimal so viele Regeln einzuhalten. Somit belassen wir es bei einem Blick auf die französische Rheinseite. Eine recht alternativ scheinende Kneipenanlage ist zu durchqueren, dann wartet die Verpflegungsstelle auf uns. Hier in der Gegend ist dann auch  das linksseitige Frankreich zu Ende. Auch dort beginnt nun Basel. Die modernen Hochhäuser liegen immer noch im Hochnebel, aber die versprochene Sonne deutet sich langsam an.

Am Rhein entlang Richtung Innenstadt. Links in einem Vorgarten ein kleiner gusseiserner Elefant. Die Kaserne Basel, der nächste Hotspot, ist heute ein Zentrum der freien Theater-, Tanz- und Performance-Szene mit angeschlossenen Bars und Restaurants. Vorbei am Club Roter Kater geht es zur Mittleren Rheinbrücke. Hier befand sich einst der erste Überweg über den Fluss, da auf der Großbaseler Seite eine flache Stelle war. Folglich sieht man links die Altstadt mit dem Münster. 1905 wurde die Brücke in historisierendem Stil neu errichtet. Mit schmalen Bögen und niedrig. Eine Herausforderung für die Rheinschifffahrtskapitäne.

Unter dem Jubel der jetzt häufiger auftretenden Zuschauer fliegen wir dem Halbmarathonziel entgegen. Über den Markt mit Rathaus aus rotem Sandstein geht es in die Freie Straße. Die einzige Band des Laufs erwartet uns. Der Streckenposten weist uns für die zweite Runde ein.

Die Sonne kommt durch und lässt alles in einem anderen Licht erscheinen – irgendwie muss man sich ja motivieren. Mehr Menschen sind auf den Straßen. Ich erkenne eine blinde Schlachtenbummlerin aus der ersten Runde wieder und grüße sie noch einmal.

Vor dem St.- Alban-Tor überholen mich die 4-Stunden-Pacmaker samt Judith. Wir Marathonis sind jetzt wieder allein unterwegs. Ich liefere mir viele Zweikämpfe und freue mich auf die Unterführung am Bahnhof. Die Mädels am Tellplatz erkennen mich - oder meinen roten Fotoapparat - wieder. Und das Ehepaar mit Frühstück sitzt endlich in der wärmenden Sonne.

Die Kühe haben sich hingelegt und sind mit Wiederkäuen beschäftigt. Aus dem Zoo dringen jetzt allerlei Tiergeräusche. Auf einem Graffiti lese ich „Let the kids run“. Hinter dem Zoo proben Kinder vor  ihrem Haus die La-Ola-Welle und das Paar mit der Sektflasche sitzt immer noch im Schatten. Ich gebe vorsichtig den Tipp, doch ein Stück weiter zu rutschen.

Am Barfüsserplatz wartet wie vorher eine asiatisch aussehende Dame und feuert uns an. Ein steinernes Nashorn fällt mir noch auf: Der Zoo Basel kann übrigens besondere Erfolge in der Zucht der selten gewordenen Panzernashörner vorweisen.

Nach dem Spalentor höre ich auf einmal eine englischsprachige Unterhaltung hinter mir. Flotten Schrittes überholt mich ein Pärchen aus Südafrika, das mir schon früher aufgefallen war. Die haben sich viel zu erzählen und vergessen dabei ganz, wie schnell sie sind. Am Rheinufer sehe ich auf der Dreirosenbrücke einige Läufer. Am Laufstil kann ich Judith erkennen. Bei km 35 ist sie mir einen Kilometer voraus. An vielen Ecken werden unsere Startnummern von Helfern schriftlich erfasst, damit keiner schummelt. Ich liefere mir schon seit 8 Kilometern einen netten Kampf mit Giacomo aus Basel. Seine Ortskenntnis verschafft ihm in puncto Geschwindigkeit keine besonderen Vorteile. Die Bars am Rhein erscheinen in der Sonne schon viel einladender. Gut, dass es auch eine Verpflegungsstelle gibt. Nach einer Schwächephase habe ich jetzt zu einem soliden 6-Minuten-Tempo gefunden. An der Kaserne laufen wir nun auf der Innenseite durch die Linkskurve. Bei der ersten Runde wurden wir links an der Haltestelle vorbeigeführt. Soll keiner sagen, ich passe nicht auf!

Auf der mittleren Rheinbrücke treffen wir auf die Staffelläufer. Die drehen hier ihre Runden zwischen Groß und Kleinbasel. Leider geht da etwas die Übersicht über die Mitstreiter verloren. Am Markt das zweite Mal die Musikband. Ich gebe Gas und werde kurz vor dem Startbogen vom resoluten weiblichen Streckenposten nach rechts gelenkt. Und schon bin ich im Ziel. Die Mädels mit der Medaille schauen verdutzt, als ich abwinke. Ich muss erst die Kamera einschalten.

Alkoholfreies Weißbier aus der Heimat und Judith erwarten mich. Viele bekannte Gesichter sehe ich im Ziel wieder. Und äußerlich erfrischen werden wir uns zur Abwechslung einmal wieder im wunderbaren Duschtruck von Hansgrohe. 

Ich finde, Basel hätte bei den Marathonis wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient.

 

 

Fazit:

Ein schöner Stadtmarathon ohne lange Park- oder Industriegebiete, der aus zwei Runden besteht und in diesem Jahr zum sechsten Mal durchgeführt wurde - Oft wird der Rhein überquert, daher einiges Auf und Ab, trotzdem schnelles Feld - Nur eine Musikgruppe sorgt auf dem Parcours für Unterhaltung - Wenige Zuschauer an der Strecke, die allerdings sehr motiviert und alle in der zweiten Runde noch vor Ort! Viel Stimmung im Ziel - Günstige Lage für Teilnehmer aus dem Euro-Raum, da man auf Hotels in Deutschland ausweichen kann - 41 deutsche, 10 österreichische 18 französische Teilnehmer, aber auch Läufer aus Asien und USA bzw. Kanada am Start - Zusätzlich angeboten werden 21,1 km, 10 km, Ekiden-/Firmenläufe sowie Jugendwettbewerbe - Die Startgebühr liegt bei 100 CHF, vorher gibt es gestaffelte Frühbucherpreise - Das Laufshirt kostet 20 CHF - Gratistransport mit öffentlichen Verkehrsmitteln innerhalb des TNW-Netzes am Veranstaltungstag - Massagen im Zielbereich

Ergebnisse:

Männer
1. Fournier, Pierre 2:42.40,2
2. Keller, David 2:45.33,6
3. Krähenbühl, Nicola 2:47.38,7

Frauen
1. Casanova, Paola 3:03.53,5
2. Turello, Andrea 3:14.36,8
3. Meier, Olivia 3:28.52,3

 

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Informationen: Basel Marathon
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