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Laufberichte

Posa´t guapa, Barcelona! - Mach dich schön, Barcelona!

07.03.10
Autor: Joe Kelbel

Schnurgerade geht es im hohen Tempo Richtung Placa Catalunya. Schöne Prachtbauten und viele Zuschauer links und rechts der Gran Via. Leichte Steigung bis zu km 15, rechts die Pendrera, das wundersame, von Gaudi gebaute Gebäude. Alle 5 Kilometer eine Zeitmessmatte, Wasserflaschen, teilweise Isogetränke. Es ist schwierig, durch die halbleeren, weggeworfenen Flaschen durchzukommen. Den Sinn der Schwammstationen, die es zusätzlich alle 2,5 Km gibt, erkenne ich nicht. Anscheinend ist dies in diesem Land der Sonne ein Usus, den man auch bei diesen Temperaturen aufrechterhält. Ich habe Probleme, durch die vielen bunten Schwämme durchzulaufen.

Nach leichten Steigungen kommen leichte Gefälle, wo man wieder richtig Gas geben kann, geniale Streckenführung.

Urplötzlich taucht die Sagrada Familia auf. Dieses Kirchenbauprojekt fesselt mich, es sieht aus, wie eine riesige Sandburg. 1882 heuerte ein frommer Buchhändler den als genial, aber etwas spinnert verschrienen Architekten Antonio Gaudi für den Bau eines Sühnetempels an - in einem Armenviertel, nur aus Spenden finanziert. Es war die Zeit des Jugendstils, dessen spanische Form „Modernismo“ genannt wird .

Gaudi fertigte das Tragewerk aus Schnüren und hängte das gesamte Bauwerk kopfüber auf. Überall an der Kirche finden sich komplexe Verzierungen und dekorative Elemente, spindelförmige Türme, kühn, bunt, schief und symbolträchtig. Die Säulen hielten Stand und trotz Attacken von Gegenern, Bränden und Geldnot wurde es immer weiter gebaut. Als der Künstler 1926 bei einem Straßenbahnunfall zu Tode kam, versuchten die Gaudi-Fans Salvador Dali und Le Corbusier vehement, den Weiterbau der Kirche, also die Verwässerung der Arbeit von Gaudi, zu verhindern. Vergebens. Die Erben, eine private religiöse Stiftung, besteht auf der Vollendung des heiligen Werkes, vorraussichtlich im Jahr 2026. Viele Baukräne machen ein gutes Foto schwierig, aber ich bin bis hierher sehr schnell gelaufen, also nehme ich mir jetzt die Zeit.

Es folgt die schwierige Meridiana. 5 km geht es leicht berauf, aber die Meeresluft füllt mir angenehm die Lungen. Auf der Gegenseite lassen es die schnelleren Läufer schon wieder rollen. Der 3:45 Pacemaker kommt mir entgegen. Meine HM-Zeit liegt bei 1:54 Std.  Joe, woher kommt das Tempo?

Das ist eigentlich zu schnell für mich. Dies ist mein achter Marathon in diesem Jahr, aber jetzt geht es ja abwärts. Ich sehe den 4 Std Pacemaker weit hinter mir, jetzt auf der Gegengerade, aufwärts laufend. 5 km in leichten, weitausgreifenden Schritten abwärts, nur die Pont Calatraua bremst ein bißchen. Immer wieder werde ich auf mein 100er-Schild angesprochen und beglückwünscht.

Bei km 25 gibt es theoretisch Nahrung. Aber die Teller sind leergefegt. Es geht nun 2,5 km schnurgerade über die Diagonal, bis zum Phallusturm der Wasserwerke und 2,5 km zurück. Diese Strecke ist gut, um richtig Gas zu geben. Bei km 30 stehen 2:40 Std auf dem Tacho.

Ich packe den Fotoapparat weg, begrabe meine geplante Sightseeingtour und lass es krachen. Kein Blick mehr für den Olympiahafen und das Meer. Je schneller ich werde, desto fitter werde ich und laufe und laufe.

Über der Laufstrecke hängt ein großes Plakat.“ Glückwunsch zum 100ten Marathon“. Es gilt nicht mir, es gilt Arcadi Alibes Riera, der mit der Startnummer 100 seinen 100ten läuft. Er ist seit einer Woche ein mediales Ereignis in Funk und Fernsehen, aber er ist irgendwo hinter mir auf der Strecke.

Erst bei km 35 lege ich eine Pause ein. Hier  sah ich  letztes Jahr den junger Marathonläufer sterben. Einige Blumen am Baum markieren die Stelle. Das flaue Gefühl im Magen bremst, ich schleppe mich weiter zum Triumphbogen, der Anblick wird mich wieder aufbauen.

Es geht durch die Altstadt. Herrlich. Da überhole ich an gleicher Stelle wie letztes Jahr den Mann, der auf Krücken den Marathon läuft. Die Menschenmenge ist begeistert und feuert  den Helden  lautstark an. Durch die Altstadt ( Barri Gotic) zu laufen ist ein Gedicht. Sehr viele Zuschauer. In vollem Tempo hole ich die Kamera hervor und schieße einige Fotos, mit der linken Hand bahne ich mir den Weg durch die langsameren Läufer.

Auf der Rambla wird es eng. Viele gehen jetzt, sogar nebeneinander. Sehr schwierig, hier das Tempo zu halten, schnell noch ein Foto vom Kolumbusdenkmal. Mit seiner rechten Hand weist Kolumbus den Weg nach Westen, zum Ziel.

Ab km 39 geht es bergauf. 2 km Quälerei, aber ich muss unbedingt das Tempo halten. Ich brauche dringend Wasser. Bei km 40 muss doch eine sein, die waren doch bisher immer kilometergenau plaziert. Uff! Ja! Da ist eine. Ich bekomme eine geöffnete Flasche gereicht. Ohne eine Sekunde zu verlieren laufe ich weiter. Es ist einfach während des Laufens aus der Flasche zu trinken.

Bei km 41 sieht man schon den Placa Espanya,  das Läuferfeld ist dicht. Links, rechts, Endspurt ist angesagt. In vollem Lauf schiesse ich durch die brüllenden Zuschauermassen, dann durch den Zielbogen und erreiche eine schöne Traumzeit von 3:52.

Dahinter kann ich frei auslaufen. Viel Platz, doch mein Husten raubt mir den Atem. Zwei Läufer liegen erschöpft auf dem Asphalt.  Erst weiter oben gibt es die Medaillien, und ganz weit oben die Zielverpflegung. Der Zielbereich sollte Schule machen, nicht jedoch die Zielverpflegung. Es gibt dasselbe, was es auf der Strecke gab: Äpfel, Orangen, wenige Bananen, Wasser und Iso. Aber was soll´s, in Spanien isst und trinkt man sehr spät.

Über Lautsprecher höre ich, dass erst 7000 Läufer das Ziel erreicht haben. Demnach sind noch 5000 hinter mir! Genial! Um zu den Duschen zugelangen, muß man einen Shuttlebus nehmen, das ist nicht günstig, denn sobald man seinen Kleiderbeutel hat, will man nicht zurück in die Kälte. Also gehe ich lieber ungeduscht zu einem kalten Bierchen ins Hotel Plaza.

Meine Wahl, Barcelona für meinen Jubiläumslauf zu wählen, war goldrichtig. Für durchschnittlich 45 Euro gibt es eine extrem schnelle Strecke mit hohem Sightseeingfaktor, Pastaparty (all you can drink and eat), Funktionsshirt und ganz viel Gaudi.

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