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Laufberichte

Mein erster "Doppeldecker" - Teil 1

11.06.05
Autor: Klaus Duwe

Wenn man nach Bad Waldsee kommt, glaubt man sich vor einer Kulisse zu einem mittelalterlichen Film.

 

Bad Waldsee liegt zwischen zwei Seen am Rande des Allgäus in der Ferienregion Bodensee – Oberschwaben. Oberschwaben? Sind das die besseren Schwaben? Sind die noch geiziger und essen die noch mehr Spätzle? Ich darf mir solche Scherzfragen erlauben. Schließlich muss ich mir als Badener auch einiges anhören.

 

Wenn man durch das Wurzacher Tor in die 20.000 Einwohner-Stadt kommt, glaubt man sich vor einer Kulisse zu einem mittelalterlichen Film. Prächtige Fassaden und kunstvoll restaurierte Fachwerkhäuser wechseln sich ab. Ich werde gar nicht fertig mit Schauen und Staunen. Das Heilig-Geist-Spital gehört zu den ältesten Einrichtungen der Stadt. Schon um 1300 wird die Spitalkirche erwähnt. Dem  Rathaus von 1426 gegenüber liegt das Kornhaus (1492) Die Doppeltürme der Stiftskirche sind das Wahrzeichen von Bad Waldsee. Sie ragen erst seit 1766 in den Himmel. Es gibt unzählige weitere Sehenswürdigkeiten, wie den Vötschenturm (1403), das Katholisches Pfarramt beim Gut-Betha-Brunnen (1782), die Apotheke St. Peter (1783) usw.

 

Eine besondere Sehenswürdigkeit sind diesen Sommer die kunstvoll gestalteten Storchfiguren vor etlichen Geschäften und Einrichtungen. Mit diesen Figuren wird zum Ausdruck gebracht, dass man die Patenschaft für einen Storch übernommen hat, um die weitere Ansiedlung dieser stolzen Tiere zu fördern.

 

Heute Morgen wird auf dem Marktplatz und vor dem Rathaus noch fleißig gearbeitet. Es gilt, die letzten Vorbereitungen für das Lauffieber zu treffen. Höhepunkte dieser Laufveranstaltung mit Kinder- und Jugendläufen sind der 10.000 Meter-Lauf , der Halbmarathon und die Königsdisziplin Marathon. In diesem Jahr finden auch noch die 21. Deutsche Meisterschaft der Ärzte und Apotheker im Triathlon und das 9. European Open Medical Triathlon Championship statt. Insgesamt werden 2.000 Sportlerinnen und Sportler erwartet.

 

Für sie stehen rund um die Altstadt ausreichend Parkplätze zur Verfügung. Alles ist hervorragend ausgeschildert und die Abholung der Startunterlagen in wenigen Minuten erledigt. Um 11.30 Uhr ist Start für die 95 vor angemeldeten Marathonis. Nach einigen gut gemeinten Ratschlägen und Hinweisen geht es auf die Strecke. Der halbe Ort muss hier versammelt sein und verabschiedet die Aktiven mit viel Applaus. Die über 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Halbmarathon starten danach. Danach? Wer hat sich das ausgedacht? Erfahrungsgemäß geht so was nicht gut. Aber die Bad Waldseer sind kluge Köpfe und kühle Rechner. Die Marathonstrecke führt zunächst zweimal um den Stadtsee (insgesamt ca. 4 km) und dann raus aus der Stadt. Der Halbmarathon führt nur einmal um den See. Alle Läuferinnen und Läufer sind also plötzlich vor den Marathonis, ohne diese „überrollt“ zu haben. Genial.

 

Wir laufen also durch das Wurzacher Tor und dann zu unserer ersten Seerunde. Von der anderen Seeseite haben wir einen herrlichen Blick auf die Stadt. Markant die Türme der Stiftskirche. Schon bald sind wir wieder in der Stadt, lassen uns beklatschen und anfeuern. Nach der zweiten Runde geht es dann rechts ab, verlassen bald die letzten Häuser und laufen zwischen Felder und Wiesen auf einer guten asphaltierten Nebenstraße. Nach ungefähr 7 Kilometern sind wir am Golfplatz und schon bei der zweiten Verpflegungsstelle, die vor einer herrlichen alten Holzkapelle eingerichtet ist. Über das hügelige Gelände kann ich gut den weiteren Streckenverlauf einsehen, der sich in Schlangenlinien  die nächsten Kilometer sehr abwechslungsreich hinziehen wird.

 

Der Veranstalter kann nicht  auf  viele Hundert Helfer zurückgreifen und ist so auf die Idee gekommen, eine Strecke mit zwei Wendpunkten auszumessen, die für den Halbmarathon einmal, und für den Marathon zweimal zu durchlaufen ist. Normalerweise keine so spannende Angelegenheit, jedenfalls meiner vorgefassten Meinung nach. Aber auch in diesem Punkt überraschen mich die Bad Waldseer. Erstens ist die Strecke sehr  schön abwechslungsreich. Zweitens kommen einem die schnelleren Läuferinnen und Läufer mehrmals entgegen und ich konnte wie noch nie einen  Marathonlauf mit etlichen Führungswechseln (bei den Damen) live miterleben. Langeweile ist nie aufgekommen, so viel vorne weg.

 

Wir laufen jetzt auf der Hauptstraße Richtung Mühlhausen und biegen links ab in einen unbefestigten Weg, der uns nach gleich in eine kleine Waldparzelle führt.  Danach geht es durch die Unterführung der B 30 zu einem Bauernhof, wo wieder eine Verpflegungsstelle eingerichtet ist. Es gibt wie wieder das volle Programm: Wasser, Iso, Bananen. Es geht ziemlich lebhaft zu auf der Strecke und ich überhole laufend die langsameren Halbmarathonis.

 

Bei Kilometer 10 geht es geradeaus zum ersten „kleinen“ Wendepunkt. Ich bin viel zu schnell unterwegs: 57:30 Minuten. Meine Plan sind 1:30 Stunden für ein Drittel, denn dieses Wochenende habe ich noch mehr vor. Ich will meinen ersten „Doppeldecker“ mit je einem Marathon am Samstag und am Sonntag laufen. Da ist gilt es, die Kräfte einzuteilen.

 

Es ist vielleicht ein Kilometer hin zum Wendepunkt kurz vor Michelberg, dann geht es zurück und rechts ab. Irgendwo auf diesem Abschnitt kommt mir Walter Engelhart entgegen. Er führt das Marathonfeld mit deutlichem Vorsprung an. Nach ein-, zweimal bergauf und bergab sind wir an einer weiteren Verpflegungsstelle und auf der Verkehrsstraße nach Michelwinnaden. Es kommen jetzt dauernd Läuferinnen und Läufer entgegen, dazu überhole ich immer häufiger. Jetzt kommt auch die führende Frau, eskortiert von einem Biker. Ich feuere sie an und sie grüßt mich freundlich mit einem „Hallo, Klaus“.  Mein T-Shirt hat ihr meinen Namen verraten.

 

Wir sind an Lenatweiler vorbei und laufen nach Michelwinnaden. Schon von Weitem sind Kuhglocken und anderer Lärm zu hören. Gleich am Ortseingang hat sich eine Gruppe Schulmädchen als Cheerleader postiert und begrüßt die ankommenden Läuferinnen und Läufer. In den Häusern kann kein Mensch mehr sein. Sie stehen alle an der Straße und feuern uns an. Der Speaker kommentiert alles in launischen Worten. Am Wendepunkt ist ein Dorffest und wer nicht an Straße steht, sitzt hier trinkt sein Bier. Zwischendurch habe ich auch die 14 km-Marke passiert: 1:24 Stunden, ich habe mein Tempo etwas gedrosselt.

 

Ich laufe jetzt den gleichen Weg zurück und sehe alle hinter mir laufenden und wie sich der Vorsprung zu dem einen oder anderen vergrößert hat. Es geht etwas abwärts und ich lasse es rollen. Es macht Spaß, hier zu laufen. Gleich kommt ein Anstieg, dann bin ich wieder an dem Bauernhof mit der Verpflegung und gleich danach in der Unterführung. Es geht auf das kurze unbefestigte Wegstück, das kleine Waldstück, dann die Verkehrsstraße rechts ab Richtung Bad Waldsee und dann nach links zum Golfplatz. Bei Kilometer 18 kommt mir wieder Walter Engelhart entgegen. Sein Vorsprung ist noch größer geworden. Er hat hier Kilometer 28 erreicht.

 

Die Stimmung ist gut, die Leute an den Verpflegungsstellen superfreundlich, das Wetter bestens, die Strecke ok und ich freue mich, gleich noch einmal eine Runde zu laufen. Gleich bin ich in Bad Waldsee, laufe wieder am herrlichen See entlang und sehe, wie gerade die Triathleten im Wasser sind. Der Lauf durch die Altstadt wird von zahlreichen Leuten mit viel Applaus begleitet. Halbmarathon links, Marathon rechts zur zweiten Runde. Ich freue mich darauf. Keine Spur von Langeweile. Bei Kilometer 28 kontrolliere ich meine Zeit: 2:52 Stunden, 1:28 Stunden für das zweite Drittel.

 

In meiner Laufrichtung ist nun natürlich nicht mehr viel los. Aber es kommen noch immer viele entgegen. An den Verpflegungsstellen habe ich das Gefühl, ich werde erwartet. Die Getränke werden mir regelrecht entgegen gebracht. Jeder hat ein anerkennendes und freundliches Wort übrig. An der „kleinen“ Wendpunktstrecke sehe ich die knapp vor mir laufenden. Den einen oder anderen werde ich noch überholen. Hinter mir sehe ich noch fünf.

 

Als ich wieder  nach Michelwinnaden zum großen Wendepunkt komme, sind die Mädchen immer noch da und begrüßen mich mit viel Gekreische. Der Speaker outet mich als Badener und will mich das Bad’ner Lied singen lassen. Natürlich macht er auch über meine gelbe Socken (Badener nennt man ja auch „Gelbfüßler“) seine Späße. So ist das eben auf den kleineren Veranstaltungen. Ich verabschiede mich und weiter geht’s. Auch bei der nächsten Verpflegungsstelle gibt es nach dem Getränk einen freundlichen Gruß und ein  „bis zum nächsten Jahr“.

 

Bei Kilometer 36 wird es dann doch etwas einsam. Es kommt niemand mehr entgegen und eben habe ich noch einen Läufer überholt, sonst sehe ich niemanden mehr. Beim nächsten Anstieg dann doch wieder zwei, die gehen. Am Stadtsee wird es dann etwas hektisch. Denn auch für die letzten des 10.000 Meter-Laufes geht es scheinbar noch um Zehntelsekunden. Ich schaffe es unfallfrei ins Ziel und bin glücklich. 4:23 Stunden, 1:31 für das letzte Drittel.

 

Ich genieße noch etwas die Atmosphäre und mache mich auf den Weg. Erlangen wartet, Teil 2 meiner Doppeldecker-Premiere.

 

Streckenbeschreibung:

Kleiner Rundkurs und anschließenden zwei Wendepunkten. Zweimal zu durchlaufen. Welliger Kurs, gut Wege, trotzdem nicht ganz leicht zu laufen.

 

Zeinahme:

kostenloser Leihchip

 

Auszeichnung:

T-Shirt, Urkunde aus dem  Internet

 

Logistik:

Große Parkplätze bei Start und Ziel. Alles gut ausgeschildert. Kleider können deponiert werden.
Start ist um 11:30 Uhr, Anreise also am Lauftag möglich.

 

Informationen: Bad Waldseer Lauffieber
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