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Laufberichte

Einfach cool bleiben

 

Die Wettervorhersage bringt mich schon ins Schwitzen, noch bevor ich mit meiner Familie in das berühmte Kurbad im Weserbergland fahre. Der Weg dorthin ist nicht weit. Die Ausfallstraße aus meinem Heimatort deutet es bereits an, denn es ist die Pyrmonter Straße.

Meine bisher schlechteste Marathonzeit bin ich dort vor fünf Jahren gelaufen. Damals war es das heißeste Wochenende des Jahres. Erlebe ich da vielleicht ein Dejavu? Haben die hier zu ihren Jubiläumsläufen immer hochsommerliche Temperaturen bestellt?

Schon am Vormittag hat es etwa 25 Grad bei strahlendem Sonnenschein. Durch die  Hauptallee gehen wir hinunter zum Start- und Zielbereich. Dabei befinden wir uns auf historischen Boden, wurde diese doch bereits 1668 vom damaligen Grafen Georg Friedrich als Kern der wohl ersten Kuranlage der Welt angelegt. Dabei sind die Pyrmonter Quellen schon viel länger bekannt. Bereits die Germanen nutzten vor etwa 2.000 Jahren die heilende Wirkung der Quellen, wie zahlreiche bronzene Gewandnadeln beweisen. Diese sogenannten Fibeln warfen sie in den Brodelbrunnen, wie man das heute mit Münzen tut. Ob damit Wünsche verbunden waren und ob diese vielleicht sogar erfüllt wurden, finde ich heute nicht mehr heraus.

Ohne großen Aufwand finde ich allerdings die Startnummernausgabe im Konzerthaus. Die Atmosphäre ist zu dieser Uhrzeit sehr entspannt, dass ich sofort meine Startunterlagen in Empfang nehmen kann. So bleibt noch genügend Zeit für das Mittagsmahl, daß wir wegen der Startzeit auf 11.00 Uhr vorverlegt haben, schließlich soll mir die Portion Spätzle bereits auf den ersten Kilometern die nötige Energie spenden und mich nicht schon zu Beginn des Laufes körperlich belasten.

Im Start-/Zielbereich werden die letzten Vorkehrungen getroffen. Der Teppich wird für uns ausgerollt. Die Zielverpflegung wird bereitgestellt und bereits vor dem Lauf kann sich die Läuferschar an den köstlichen Getränken laben. Bei den heutigen Temperaturen, die 30 Grad-Grenze ist jetzt bereits überschritten, ist es gut, die Flüssigkeitreserven rechtzeitig aufzufüllen. Ein Aufwärmen ist heute nicht nötig, so bleibt Zeit, die eintrudelnder Läufer in Augenschein zu nehmen. Es nicht lange, bis ich HaWe entdecke. Zuletzt bin ich in Steinfurt mit ihm gelaufen. Schön, wenn man sich immer wieder mal trifft. Auch m4y-Kollege Bernd Neumann lässt sich blicken. Er ist heute ganz spontan und inkognito für seinen Heimatverein unterwegs. Das hält ihn nicht davon ab, internationale Kontakte zu knüpfen. Er stellt mir Lee Chunte vor. Der Taiwanese befindet sich auf einer Europatour. Den Marathon in Bad Pyrmont hat er bereits von zu Hause gebucht. Mit ihm kommt die Läuferschar immerhin aus 11 Ländern.

So verfliegt die Zeit bis zum Start im Nu und pünktlich um 13.00 Uhr werden wir auf die Strecke gelassen. Die ersten Meter spenden uns noch die Bäume der Allee Schatten. Ich habe Gelegenheit, mich von meiner Familie zu verabschieden. Sie werden den Service des Veranstalters zum freien Eintritt im Kurpark nutzen, während ich mich auf der Strecke unterwegs bin. Zeit genug sollten sie dazu haben, denn mit der bisherigen Erfahrung vor Ort lasse ich es langsam angehen. Der ersten beiden Kilometer sind zwar noch relativ flach, dafür umrunden wir ein Kornfeld in der vollen Sonne. Da kommt der eine oder andere schon jetzt ins  Philosophieren. So freut es mich zu hören, daß es neben dem Laufen auch noch Wichtigeres gibt im Leben. Zum Beispiel auf der m4y-Seite zu stöbern.

Weiter geht es in Serpentinen durch den oberen Bergkurpark, bevor ich endlich in den Wald eintauche. Bis KM 40 wird er uns Schatten spenden und die Temperatur erträglicher machen. Etwas Erholung tut auch meinem Puls gut, denn er ist trotz moderatem Tempos in ungewohnter Höhe.

Kurz vor KM 5 erreiche ich die erste Verpflegungsstelle. Ich bin froh, mich erfrischen zu können, denn der Flüssigkeitsverlust ist schon extrem hoch. Gut, dass noch elf weitere folgen werden. Noch geht es die Steigungen locker hinauf. Heute ist es aber besonders wichtig, nicht übermütig zu werden. Also einfach cool bleiben, auch wenn das gar nicht so leicht ist, wenn man sich wie in einem Dampfbad vorkommt. Die Dusche freundlicher Zuschauer ist da äußerst hilfreich. Die Abkühlung nehme ich gerne mit. Dann macht die Steigung am langen die ersten Läufer/-innen zu Gehern. Mich auch. Der Schweiß fließt in Strömen. Haben sich da nicht kürzlich die Menschen darüber beschwert, dass es keinen Sommer mehr gäbe?

Am Ende dieser Steigung kann ich zu Michaela und Detlef aufschließen. Bei einem Erfarungsaustausch vergehen die nächsten Kilometer wie im Fluge. Mein Tempo läßt noch auf eine Zielzeit von etwa 4 ½ Stunden schließen und läuft genau so, wie ich es mir gedacht habe. Zudem verschafft mir die freiwillige Feuerwehr kurz vor der Verpflegungsstation bei KM 13 mit dem Schlauch jetzt die nächste Dusche. So kann es weiter gehen. Die nächsten 3 KM steigt die Strecke nur leicht bergan, trotzdem muß ich jetzt meine Begleiter ziehen lassen. Cool bleibend nehme ich noch etwas Tempo heraus.

Etwa bei KM 16,5 erreiche ich zum zweiten Mal die Bombergstraße. Hier führt die Strecke das nächste Mal nach rechts zurück ins Tal und ins Ziel. Noch ist es aber nicht soweit. Ich nehme noch einmal den linken Abzweig und freue mich erneut auf die Dusche. Jetzt werde ich von zahlreichen schnelleren Läufern überholt. Die Erklärung folgt prompt. Die Halbmarathonis folgen hier zum ersten Mal unserer Strecke. Direkt aus dem Tal aufsteigend sind sie hier 5 KM unterwegs. Zudem ist es die Spitze. Ich erkenne einige Lokalmatadore aus meiner Nachbarstadt. Unter ihnen Michal Brand, der Streckenrekordhalter über die Halbmarathondistanz und Michael Amstutz, der zweimal beim Hermannslauf erfolgreich war.

Weitere Betrachtungen der flotten Hirsche bleiben mir erspart, als die Strecke sich wieder teilt. Für mich geht es erst mal wieder über einen Waldlehrpfad hinunter zum langen Grund. Ich habe nur einzelne Läufer im Blick, das Läuferfeld wird deutlich übersichtlicher.

Noch keine 20 KM sind bewältigt, da habe ich den langen Grund wieder bezwungen. Eine Läuferin ruft mir zu, daß es heute wohl ein heißer Bericht werden wird. Abwarten. Auch beim Tippen heißt es cool bleiben.

Noch frisch im Kopf erreiche ich wieder die nächste Verpflegungsstelle. Anschließend zweigt die Strecke nach rechts ab. Es geht natürlich mal wieder bergauf, schließlich wollen insgesamt fast 700 Höhenmeter bewältigt werden. Da erblicke ich die Halbmarathonmarke. Bin ich tatsächlich bereits über 2 ½ Stunden unterwegs? Gefühlt bin ich doch schon deutlich weiter. Wenigstens fühle ich mich noch besser als beim letzten Mal. Die nächsten Kilometer bergauf muß ich wieder zahlreiche Läufer ziehen lassen. Die meisten sind allerdings Halbmarathonis, denn bis zur nächsten Verpflegungsstelle teilen wir uns die Strecke wieder.

Dann kommen auf einem Begegnungsstück vereinzelt Marathonläufer entgegen. Ziemlich abgekämpft sehen sie aus, sie haben aber auch schon etwa sieben Kilometer mehr abgespult. Die Schleife, die zum östlichsten Punkt meines heutigen Weges führt, hat es dazu auch noch in sich. Da ist es gut, wenn man nicht ganz alleine unterwegs ist. Ich laufe ein Stück mit Ulrich zusammen. Er hilft mir mit ein paar Schluck Wasser aus, als wir uns nach einem steilen Bergababschnitt wieder hinauf zur Begegnungsstrecke machen. Danke noch mal dafür. Bald darauf muß ich auch ihn ziehen lassen. Die Steigungen kann ich jetzt fast nur noch gehen. Wenigstens hat die Sonne gerade ein Einsehen und verzieht sich ein wenig. Ein frisches Lüftchen sorgt für ein wenig Abkühlung und einen weiterhin kühlen Kopf.

Die 30 KM-Marke ist erreicht. Die Strecke gehört mir jetzt fast alleine. Die Körner, die notwendig wären, um noch einmal nach vorne aufzuschließen, spare ich mir. Stattdessen versuche ich, mich an die Läufer zu hängen, die mich jetzt vereinzelt einholen. An der nächsten Verpflegungsstelle werde ich freudig erwartet. Für die Helfer wird es um diese Zeite schon ziemlich langweilig sein. Da sorgt jeder Läufer für etwas Abwechslung.

Die letzten 10 KM werden angzeigt. Sie führen überwiegend bergab und sind mit weiterhin kühlem Kopf locker zu schaffen. Vielleicht reicht es ja doch noch für eine Zeit von unter 5 Stunden. Die Euphorie hält aber gerade mal bis zur nächsten Verpflegungsstelle bei etwa KM 34. Dann beginnt die nächste Steigung.

Verstand einschalten und cool bleiben ist angesagt. Das wichtigste Ziel, nicht nur, aber gerade bei diesen Wetterbedingungen, ist halt doch gesund ins Ziel zu kommen und nicht die Zeitenjagd.  Etwa bei KM 37 wundere ich mich, hinter mir einen Wagen zu hören. Haben die jetzt schon die Wanderwege für den Verkehr frei gegeben? Die Energie für einen Blick zurück bringe ich nicht mehr auf. Brauche ich auch nicht, denn sogleich werde ich überholt. Es ist nur ein Krankenwagen, der vorsorglich die Strecke abfährt.  Man  erkundigt sich nach meinem Befinden. Das Angebot einzusteigen, kann und muss ich ablehnen.

Auch bei der vorletzten Verpflegungsstelle sind die Helfer/-innen noch immer sehr freundlich und aufmerksam. Es ist fraglich, ob sie es heute leichter haben als ich. Zumindest meinen sie,  dass sie keine 42 km laufen könnten. Die letzten Höhenmeter liegen vor mir. Zum Glück sind es nicht allzu viele. Zusammen mit Sven bewältige ich sie. Er ist wie ich heute bergauf meistens gegangen. So erreichen wir KM 40. An der Bombergstraße darf ich endlich nach rechts ins Tal abbiegen. Jetzt geht es wirklich nur noch bergab. Da macht es auch nichts mehr aus, dass die Sonne wieder mächtig einheizt. Ich nehme noch einmal Fahrt auf.

Endlich biege ich auf die Zielgerade. 5 Stunden liegen bereits hinter mir. Die Kurgäste links und rechts spenden freundlichen Applaus und ich erreiche wohlbehalten wiederum das Ziel eines Bad Pyrmonter Jubiläumsmarathons.

Silke hat sich etwas gesorgt um mich, denn solche Zeiten kennt sie sonst von mir nicht. Außer in Bad Pyrmont. Ich lasse mir Zeit im Ziel und warte auf einige Bekannte, HaWe zum Beispiel. Wie immer kommt er mit einem Lächeln ins Ziel. Die Letzten lassen heute auf sich warten. Mit dem Zielschluss nach 5:30 Stunden nimmt man es heute nicht so genau.  Sehr lobenswert, bei diesen Wetterbedingungen. Aber das war bei dieser guten Organisation auch nicht anders zu erwarten. Bei einem Lauf von Läufern für Läufer werden auch die extremsten Wetterbedingungen berücksichtigt. Deshalb noch einmal ein Lob und Dank an die zahlreichen Helfer und an den Ausrichter.

Bleibt jetzt nur noch die Hoffnung, dass man sich einmal mit etwas niedrigeren Temperaturen zufrieden gibt.

Ergebnisse:
Marathon
Männer:

1. Christof Jankowski, 2:57:00
2. Ingo Wissmann, 3:09:40
3. Thomas Ryba, 3:19:31

Frauen:

1. Kate Pallardy, 3:11:46
2. Suzy Heinke, 3:47:36
3. Marie-Luise Becker, 3:47:58

Streckenbeschreibung:

Von der Hauptallee in Bad Pyrmont aufwärts in den Wald über der Stadt. Die Strecke führt am Berg entlang immer in Schleifen, wobei einige Streckenabschnitte mehrfach durchlaufen werden. Zum Schluß geht es zurück zum Ziel auf der Hauptallee.

Zeitnahme:

Bib-Chip (in der Startnummer integriert)

Weitere Veranstaltungen:

Bambinilauf (420 m), 5 Kilometer, 10 Kilometer, 10 Kilometer Walken und Halbmarathon.

Startgeld:

28,00 € bzw. 33,00 €,. je nach Anmeldezeitpunkt

Auszeichnungen:

Jubiläumsmedaille, Soforturkunde am Wettkampftag, Urkunde mit Finishefoto und Zieleinlaufvideo im Internet.

Ehrenpreis für die drei Gesamterstplatzierten.

Verpflegung:

Mineralgetränke, Cola, Müsliriegel, Schokolade, Bananen und Obst an den Verpflegungsstellen sowie heiße Suppe und Fitnessriegel im Ziel.

Zuschauer:

Vor allem im Start- und Zielbereich. Auf der Strecke eigentlich keine. Dafür aufmunternde freundliche Helfer/-innen an den zahlreichen Verpflegungsstationen.

 

Informationen: Bad Pyrmont Marathon
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