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Laufberichte

3 Tage, 3 Inseln

01.11.15

Der bisher emotionalste Moment des Jahres war für mich, als ich im Mai auf dem Rückflug vom Azores Trailrun aus dem Flugzeug den Gipfel des Vulkan Pico sah und mir sehnlichst wünschte, nach hier zurückzukehren. Ein halbes Jahr später erfüllt sich dieser Traum. Dieses Mal werde ich drei Tage lang über drei Inseln laufen, zuerst auf Pico, danach über São Jorge und zuletzt wie schon im Mai über Faial, aber dieses Mal in entgegengesetzter Richtung und auf einer teilweise anderen Route.

Die zu Portugal gehörenden insgesamt neun Inseln der Azoren liegen weit verstreut im Atlantik. Etwa in der Mitte der Inselgruppe liegen drei Inseln relativ nahe beieinander, so dass es für diese inzwischen auch gemeinsame touristische Angebote gibt. Ausgangspunkt ist Faial, das etwa  1500 km von Portugal und 3600 km von Amerika entfernt ist.

Die Inseln sind geprägt von Vulkanismus, außerdem findet man hier oft eine auf uns exotisch wirkende Vegetation. Der Tourismus richtet sich an Wanderer und Naturliebhaber, die Ruhe suchen. Nun dürfen wir an drei Tagen über drei Inseln mit jeweils recht unterschiedlicher Landschaft laufen. 100 km und 6000 Höhenmeter werden in der Ausschreibung für dieses Trailabenteuer angegeben. Für Start, Übernachtungen, alle Transporte zwischen und auf den Inseln, sowie Verpflegung kann man ein Gesamtpaket buchen, das im Vergleich zu den Preisen mancher exotischer Events sehr günstig ist. Wem drei Tage Trailrunning zu viel sind, der kann auch in einem Team starten, das sich die Inseln teilt.

Am Tag vor dem Start laufe ich wieder die kurze Trailrunde bei der alten Caldera am Rande von Horta. Bei einer Fahrt um die Insel Faial fotografiere ich anschließend ein paar Stellen, die wir beim Lauf am Sonntag nicht sehen werden. Anschließend nehme ich mir dieses Mal über eine Stunde Zeit, die vielen hundert Bilder zu betrachten, mit der Seefahrer jede verfügbare Stelle am Hafen bemalt haben. Horta ist wegen seines besonders geschützten Hafens, vor allem aber wegen seiner Lage, für Weltumsegler und andere Globetrotter ein wichtiges Ziel.

Um das Gruppengefühl von Anfang an zu stärken, werden alle Teilnehmer im Hotel Horta untergebracht, wo am Donnerstag auch Startnummernausgabe, Briefing und Pastaparty stattfinden. Leider erfahren wir schlechte Neuigkeiten. Normalerweise ist das Wetter auf den Azoren um diese Zeit mit 15 bis 20 Grad etwas wärmer als zuhause, doch jetzt zieht ein starkes Sturmtief durch, das den Aufstieg hinauf zum Gipfel des Vulkan Pico wegen der stark gesunkener Schneegrenze verhindern wird. Sogar die Überfahrt mit der Fähre nach Pico ist gefährdet. Bei zu hohen Wellen kann die Fähre dort nicht anlegen. Schade, den Vulkangipfel hatten viele als den eigentlichen Höhepunkt der drei Trails gesehen. Doch das Wetter macht bekanntlich was es will. Vor einer Woche fiel auch der Start des Ultratrail auf Teneriffa einem Sturmtief zu Opfer. Wer unabhängig von gravierenden witterungsbedingten Einflüssen sein will, muss sich auf Stadtmarathons konzentrieren.

Freitagmorgen sitzen wir nach dem Frühstück bis zehn Uhr in der Hotellobby und warten ab, ob und wann wir nach Pico können. Mário Leal, der gemeinsam mit Joao Melo das ganze Abenteuer organisiert, bleibt ständig mit der Reederei in Verbindung. Schließlich können wir um 13 Uhr zum Startort unserer ersten Etappe übersetzen. Statt wie ursprünglich geplant bis zum Gipfel, können wir wenigstens auf Pico bis zum Casa de Montanha auf etwa 1200 m Höhe laufen.

Die Stimmung an Bord der Fähre ist aufgrund des noch immer starken Wellengangs recht lustig. Auf einem schwankenden Schiff eine Treppe zu steigen, ist gutes Balancetraining.

Die Insel Pico ist 447 Quadratkilometer groß, der gleichnamige Vulkan ist mit 2351 m der höchste Berg Portugals. Um 14.35 starten wir fast direkt am alten Hafen in Madalena.

Anfangs laufen wir direkt an der Küste entlang, mit Blick zu den im Meer stehenden Felsen Deitado und Em Pé sowie zur nur 9 km entfernten Insel Faial. Noch zweifle ich nicht daran, dass ich die auf etwa 23 km verkürzte Strecke vor Einbruch der Dunkelheit schaffen werde. Später stellt sich heraus, dass eine Stirnlampe zu Recht zur Pflichtausrüstung zählt. Die Zeitlimits für die drei Etappen werden sehr locker gelegt, so dass auch langsame Teilnehmer wie ich nie unter Stress stehen. Unterwegs gibt es keine Cut-Off-Stellen.

Die ersten Kilometer führen mit nur wenigen Höhenmetern auf leichter Strecke. Da ich nicht schon am ersten Tag zu viel Energie vergeuden will, beginne ich mit sehr moderatem Tempo. Bald erreichen wir das Weinbaugebiet Lajido, das seit 2004 zum UNESCO Weltkulturerbe zählt. Um die Rebstöcke vor dem Wind zu schützen, wurden überall aus schwarzem Basalt Mauern gebaut, zwischen denen wir nun bergauf und bergab laufen. Unter uns liegt das Meer, zum Greifen nahe scheint die Insel Faial. Einmal steht eine schöne Windmühle an unserer Strecke.

Zwar wurde schon 1460 Wein auf der Insel angebaut, aber erst als nach den Ausbrüchen des Pico 1718 und 1720 die Obstplantagen und Felder zerstört waren und nur noch Rebstöcke genügend Platz für ihre Wurzeln fanden, entwickelte sich der Weinbau zum nach dem Fischfang zweitwichtigsten Wirtschaftsfaktor der Insel. Der hier kultivierte Verdelho war einmal  weltweit bekannt. Dann brachten Mitte des 19. JH Reblaus und Mehltau den Weinbau fast zum Erliegen.

Oberhalb des Weinanbaugebietes stehen immer noch sehr viele dieser Mauern, aber meist rahmen sie hier nicht mehr bewirtschaftete Obstgärten und Felder ein.  Je höher ich komme, desto natürlicher wirkt die Gegend. Als ich die Verpflegungsstelle erreiche, ist der Himmel fast wolkenlos. Nur dort, wo sich eigentlich vor mir der spitze Vulkankegel des Pico erheben sollte, drängen sich dichte Wolken. Schade, auch auf dessen Anblick hatte ich mich gefreut.

Grüne Weiden, grasbewachsene Vulkankrater, ein paar Kühe, alles wirkt noch recht idyllisch. Doch bald wird die Gegend wilder. Wacholderbäume rahmen neben den Basaltmauern unsere Strecke. Bereits die erste Etappe entwickelt sich nun zum Hammertrail. Zwischen Mauern führt unsere Route mehr oder weniger geradeaus auf den Gipfel zu. Weg oder Pfad kann man dies aber beim allerbesten Willen nicht nennen. Von niedrigen Mauern begrenzt, führt die Strecke sehr, sehr uneben buchstäblich über Stock und Stein, garniert mit einer kräftigen Portion Schlamm. Ich fühle ich im Trailrunner Paradies. Manchmal muss man so steile Stufen hinauf steigen, dass man fast die Hände dazu braucht. Normalerweise nehme ich auf kürzere Distanzen keine Stöcke mit, aber ich hatte eine Vorahnung ...

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Informationen: Azores Triangle Adventure
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