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Laufberichte

Lebensfreude pur

02.03.08
Autor: Klaus Duwe

Optimal erwischt, nennt man das: Orkan über Deutschland, Sonne, Meer und Berge in Antalya. Es hat schon seine Gründe, weshalb ich dem Marathon in Türkei von Anfang an die Treue halte. Und, ich nehme es mal vorweg, ich sehe keinen Grund, die Serie abreißen zu lassen.

Im Gegenteil. Die Veranstaltung gefällt mir immer besser. Und das liegt nicht etwa daran, weil man unterirdisch schlecht gestartet ist. Schon bei der Premiere zeigte sich die Professionalität des Öger-Organisationsteams um „Chef“ Okan Doganaslan und der Wille, sich am Niveau vergleichbarer Veranstaltungen in Deutschland zu orientieren. Kein schlechtes Konzept, wenn man deutsche Marathonis als Zielgruppe im Auge hat.

Der Marathon in Antalya ist Chefsache – sowohl bei Öger-Tours in Hamburg als auch in der Urlaubsregion an der Türkischen Riviera. Vural Öger, Gründer und Chef des Reiseunternehmens ist wieder persönlich vor Ort, Menderes Türel der Bürgermeister der Stadt sowieso, dazu der Gouverneur  Alaaddin Yüksel und verschiedene Minister.



Die Werbung zielt aber nicht ausschließlich auf Lauftouristen aus allen möglichen Ländern. Von Anfang an war es ein Anliegen der Veranstalter, den Laufsport in der Region und in der ganzen Türkei zu mehr Popularität zu verhelfen. Deshalb wirbt der beliebte Bürgermeister im Trainingsanzug auf Plakaten für den „Runtalya 2008“ und die Straßenbahn fährt im Look des Laufevents. Besonders stolz ist man auf das Medieninteresse. 16 TV-Stationen in der Türkei übertragen live vom Runtalya und auch in Deutschland wird es beim DSF einen Beitrag (ca. 20 Minuten) geben.

Der Aufwand bleibt nicht ohne Wirkung, die Teilnehmerzahlen sind im steilen Steigflug und übersteigen erstmals die 2000er Marke. Mehr als 400 davon sind für den Marathon angemeldet, über 40 % davon kommen aus Deutschland. Fast genau so viele sind für den neuen 10 km-Lauf gemeldet, am stärksten wird aber der Halbmarathon (über 1000) gebucht. Außer Konkurrenz und ohne Zeitnahme geht der Volkslauf über die Bühne, an dem man sich ohne Startgebühr beteiligen kann.

 


Am Samstag ist in der Glaspyramide, der großen Veranstaltungshalle in Antalya, die Ausgabe der Startunterlagen und die Pasta-Party. Betritt man die große helle Halle, reibt man sich verwundert die Augen. Im weiten Kreis und sehr übersichtlich sind Informationsstände der Sponsoren und die Ausgabe- und Informations-Counter aufgebaut. Die Veranstaltungsbühne nimmt einen zentralen Platz ein. Rechts und links wird gerade die Essensausgabe vorbereitet und in der Mitte der Halle sind mit weißen Decken geschmückte Stehtische platziert. Man spürt es richtig, man ist willkommen.

Während die ausländischen Läuferinnen und Läufer leicht an ihren mit Stolz getragenen Finisher-Shirts aus allen möglichen Ländern zu erkennen sind, tragen die Einheimischen meist ihr mit Halbmond und Stern geschmücktes Vereinstrikot. Für sie ist heute Feiertag, man sieht und man hört es. Freudig aufgeregt fiebert man dem Lauftag entgegen.

Schon bevor die Kochelite der Gül-Hotels mit einem Flambierfeuerwerk das Buffet eröffnet, haben sich vor den Nudel- und Soßenköstlichkeiten lange Schlangen gebildet. Der Veranstalter meint des mit der Vielfalt und der Selbstbedienung gut. Weil aber keiner auch nur eine Variation auslassen will, ist Geduld gefordert. Langweilig wird es den Wartenden nicht. Die Begrüßungsreden und die Vorstellung der Sponsoren verkürzen die Zeit. Und letztlich ist an vielen zufriedenen und glücklichen Minen abzulesen: die Warterei hat sich gelohnt.
Am Sonntag heißt es früh aufstehen, der Start zum Marathon ist um 8.00 Uhr. Die Transfers von den Hotels zum Atatürk-Stadion klappen reibungslos. Nur von einem Busfahrer ist überliefert, dass er nach dem Weg zum Stadion fragen musste. Aber pünktlich ist auch er eingetroffen. Die Temperaturen sollen heute 16 Grad nicht übersteigen, die Sonne ist meist hinter dicken Wolken verborgen. Ideal zum Laufen, nicht ganz so gut zum Knipsen.

 


Ich gebe meine Klamotten rechtzeitig ab, denn kalt ist es trotzdem nicht. So entgehe ich auch einem eventuellen Gedränge in den engen Gängen des Stadiongebäudes. Jetzt kann ich ungestört die Atmosphäre genießen. Ich will auch unbedingt Monika treffen, die ich gestern in der Pyramide leider verpasst habe. Sie hat beim m4y-Voting  „Marathon des Jahres 2007“ den Hauptpreis gewonnen. Die hübsche Blonde ist an ihrer m4y-Mütze leicht zu erkennen. Ihre Nervosität ist kaum geringer, als die der vielen Einheimischen, die wenig Erfahrung mit solchen Veranstaltungen haben und nur dauernd hin und her rennen. Na ja, bei ihr ist es ja auch erst der Zweite. Bevor sie mit dem Laufen begann, spielte sie ziemlich erfolgreich Tennis.

„Kann ich auch den Halben laufen?“ will sie wissen.
„Nix da, wir laufen Marathon, notfalls trage ich dich.“
Das Versprechen fällt mir nicht schwer, denn erstens ist sie ein ausgesprochenes Leichtgewicht und zweitens sind ihre Bedenken natürlich völlig unbegründet.

Erstaunlich viele Zuschauer haben sich auf dem Startgelände versammelt. Die Stimmung ist hervorragend. Dann wird die Nationalhymne angekündigt. Plötzlich ist es still und alle Türken stehen stramm, bis der letzte Akkord verklungen ist. Der Bürgermeister schreitet die erste Startreihe ab. Die Türken drängt es nach vorne, sie wollen auch einen Händedruck. 

Nur fünf Minuten sind wir über der Zeit, dann fällt der Startschuss. Die Zuschauer klatschen und jubeln begeistert und mit Gänsehaut geht’s auf die Strecke.


Schon nach 10 Minuten erreichen wir die Steilküste und haben einen wundervollen Ausblick auf das Meer und die Bucht von Antalya – die schneebedeckten Taurusberge sind nur andeutungsweise im Dunst zu erkennen. Schade. Die komplett gesperrte Straße führt jetzt direkt der Küste entlang. Links reiht sich ein Wohnturm an den anderen, rechts sind Parks und Grünlagen mit Palmen, Orangenbäumen und blühenden Sträuchern, dahinter das blaue Meer.  Frühsportler gehen spazieren, walken, joggen oder quälen sich an den öffentlichen Trimmgeräten. Manchmal gibt es bewundernde Blicke für die Marathonis und manchmal einen Gruß und Applaus.

 


Flach ist die Strecke nicht, doch am Anfang spürt man keine Steigung. Weil es sich um eine Wendepunktstrecke handelt, läuft man den kompletten Weg aber wieder zurück. Dann sieht die Sache anders aus. Aber keine Angst, als besonders anspruchsvoll würde ich sie dennoch nicht bezeichnen. Aber als besonders attraktiv, deshalb stört auch der identische Rückweg nicht, ganz im Gegenteil.

Der Service ist klasse. Wenn ich richtig gezählt habe, sind 14 (!) Getränke- und Verpflegungsstellen auf der Strecke. Meist gibt es Wasser (in kleinen Flaschen), manchmal Powerade, Orangen und Äpfel und Erfrischungsschwämme. Die meist jungen Helferinnen und Helfer sind überaus freundlich und immer gut gelaunt, alle sprechen Deutsch.

Überhaupt: mich umgeben schon die ganzen Tage nur fröhliche und freundliche Menschen. Unzählige Male werde ich auf der Straße oder am Strand von mir wildfremden Menschen angelächelt und gegrüßt. Einmal sprechen mich bei einem kleinen Trainingsläufchen drei Türken an. Sie sind auch in Sportklamotten, aber noch gemütlicher unterwegs als ich. Sie sprechen kein Deutsch, ich kein Türkisch. Egal, wir verstehen uns sofort. Sie wollen wissen, ob ich am Sonntag Marathon laufe. Mein Nicken wird mit großer Bewunderung quittiert. Sie selber laufen den Halben, geben sie mir mit Händen und Füßen zu verstehen. Ich mache Komplimente und wir wünschen uns viel Glück. Ich mache jede Wette, bevor es den Runtalya gab, hatten die drei mit Laufen nichts am Hut.

Gestern auf einer Bootsfahrt entlang der Küste: An Bord des kleinen Schiffes sind lauter Türken, aus den Lautsprechern kommen einheimische Klänge. Die junge Kapitänstochter fragt, ob mich die Musik stört. Nein, tut sie nicht, ich bin in der Türkei. Wir legen ab. Plötzlich fangen zwei jüngere Männer an zu tanzen. Dabei strahlen ihre Augen vor Glück und Freude. Als ich meinen Fotoapparat herauskrame, legen sie noch einen Zahn zu. Lebensfreude pur.

Eine Läuferin erzählt mir, sie sei an der Promenade entlang spaziert und habe sich die schönen gelben Früchte eines Strauches angesehen. Da kommt eine Türkin auf sie zu und sagt in gebrochenem Deutsch: „Nicht anfassen, nicht essen, Gift.“

 


Bei einem Fotostopp holt mich Monika ein. Das Greenhorn kommt mit federnden Schritten und über das ganze Gesicht strahlend auf mich zu. Sie hat den Daniel im Schlepp, der ihr mit seinen weit über 200 Marathons natürlich viel erzählen kann. „Er hat mir gleich gesagt, ich solle mich an die blaue Linie halten, sonst würde ich auf mehr als 42,195 km kommen.“

Die Strecke geht jetzt abwärts und in einer Linkskurve ist die Wende für die „Halben“. Gemein, sie müssen den Berg gleich wieder rauf. Für uns folgt eine kleine Durststrecke, denn  die Attraktivität der Strecke lässt vorübergehend etwas nach. Während rechts zum Meer hin schauen wir auf viel Brachland, links ein wächst Hochhaus neben dem anderen aus dem Boden. Viele Landbewohner zieht es nach Antalya und die Stadt wächst schnell. Auf 1 – 2 Mio schätzt man die Zahl, wissen tut man es nicht. Viele Wohnblocks stehen aber leer und manchmal blättert schon die Farbe ab, bevor sie bezogen werden.

Normalerweise hat man auch von hier einen schönen Blick auf die schneebedeckten Berge des Taurus-Gebirges. Heute leider nicht, der Dunst und die Wolken verhindern das.

Eine Wendepunkt-Strecke ist sehr unterhaltsam, weil irgendwann der Gegenverkehr einsetzt.  Natürlich liegen die Kenianer vorne, es wird sogar einen neuen Streckenrekord geben. Die Holländerin Kristina Loonen verpasse ich, sie muss sich in einem Männerpulk „versteckt“ haben. Sie gewinnt das Frauenrennen ebenfalls in Rekordzeit.

Klar, die Profis machen konzentriert ihren Job. Aber die Läuferinnen und Läufer dahinter haben fast immer ein Lächeln und einen Gruß für den anderen. Irgendwie kommt es mir vor, als sei es noch entspannter als anderswo. Lebensfreude ist zu spüren, pure Lebensfreude.

 


Dann beeindrucken die inzwischen unzähligen Themenhotels. Die 5-Sterne- und 800-Zimmer-Hotels sind nicht einfache Betonburgen, sondern echte Eyecatcher, oder „Nogugger“, wie der Schwabe sagt. Im „Concorde“ erkennt man sofort das legendäre Flugzeug und das schiffsförmige „Titanic“ ist nach dem Katastrophendampfer benannt. Unglaublich aufwendig sind auch das „Venezia“, das „Kremlin“ und das „Topkapi“. Verschiedene Baustellen verraten, dass viele neue Ideen bald Realität sind.

Genau vor dem jetzt bald fertigen „Istanbul“ ist die Marathonwende. Also das gleiche noch einmal, jetzt umgekehrt. Vor dem „Sherwood Breezes“ feuern noch immer Robin Hood, ein paar Trommler und erstaunlich viele Zuschauer die Marathonis an, bei der nächsten Getränkestelle sind es grell geschminkte und kostümierte Gestalten.

Für manche Läuferin und  manchen Läufer stellt sich jetzt heraus, dass es für einen Marathon noch nicht ganz reicht. Einige von denen, die inzwischen auf Gehschritt heruntergeschaltet haben, werden das Ziel nicht erreichen. Traurig sind sie deshalb nicht, dabei sein beim Runtalya ist für sie alles. Und vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal.

 


Alles hat zwei Seiten. Schön ist, dass man bei einer Wendepunktstrecke beide zu sehen bekommt. Als wir den Anstieg zwischen km 30 und 32 hinter uns haben, sind wir wieder hoch über dem Meer und genießen einen traumhaften Blick über das Wasser und auf die Küste. Ich bedauere alle, dass sie heute die Berge dazu nicht sehen können. Alleine schon das ist ein Grund, wieder nach Antalya zu kommen. Statt des Traumblicks gibt es immer dichtere und dunklere Wolken. Ich fürchte, dass der zweite Teil der Wettervorhersage, der Regen, heute auch noch eintritt - aber nicht solange noch irgendjemand auf der Strecke ist.

Ein-, zweimal geht es noch rauf und runter, dann kommt am Ende einer schmalen Straße das Stadion in Sicht. Einige Finisher werden von Angehörigen in Empfang genommen und zum Stadiontor geleitet. Die letzten Meter auf der Bahn zum Zielbogen gehören ihnen dann alleine. Applaus begleitet den Endspurt, geschafft.

 


Für alle Finisher gibt es eine Medaille und eine Tüte mit Erfrischungen. Duschen und Massagen gibt es ebenfalls. Heute sind nicht mehr viele Zuschauer im Stadion, zum Rumsitzen ist es zu frisch. Auch die Aktiven halten sich meist nicht lange auf und nehmen den nächsten Bus ins Hotel.

Am Abend steigt dann in einem Lokal außerhalb noch die große Abschlussfeier mit köstlichem und reichhaltigem Buffet, Musik, Folklore und natürlich mit Bauchtanz.


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Die meisten ausländischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind mit einem Reiseveranstalter nach Antalya gekommen und haben ein Besichtigungsprogramm gebucht. Das ist sehr zu empfehlen. Denn so schön der Marathon auch ist, Antalya und die Umgebung haben natürlich sehr viel mehr zu bieten.

„Sea to Sky“ heißt die neueste Attraktion. Gemeint ist die Luftseilbahn auf den 2365 m hohen Tahtali (gesprochen: Tachtalle) von der Talstation (726 m) in der Nähe von Kemer aus. Mit einer Länge von 4350 m ist sie eine der längsten freischwebenden Drahtseilbahnen der Welt. 

 


Der Tahtali dominiert das Landschaftsbild rund um Kemer und ist auch von Antalya aus zu sehen. In der Antike nannte man ihn Olimpos (Sitz der Götter). Er ist der höchste Berg im Naturpark Olimpos-Beydağlary-Milli-Park. Von November bis in oft den Juni hinein ist der Gipfel mit Schnee bedeckt. Gämse, Steinböcke und Adler leben hier. 

Am Fuße des Tahtali liegt die antike Stadt Phaselis und Chimaera, das schon in der Antike und heute noch brennende unterirdisches Gasfeld ist auch hier ganz in der Nähe. 

Weitere Sehenswürdigkeiten habe ich in meinem Laufbericht von 2006 beschrieben.
 

Marathon-Sieger

Männer

1. Mula,Philip Makau  KEN - 2:16:13,1
2. Ngeny, John Kipkoskei KEN - 2:19:32,3
3. Kioko, JohnMusila KEN -2:21:06,4

Frauen

1. Loonen, Kristina NED - 2:42:54,9
2. Günal, Yeter TUR - 2:50:01,1
3.Chmiel, Johanna POL - 2:50:14,7

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Informationen: RUNATOLIA Antalya Marathon
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