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Laufberichte

Ulratrail: Happy Joe

19.08.12
Autor: Joe Kelbel

In Oberstdorf ist die Kirche St Maria Loretto (1657). Hier war die gleiche Marienerscheinung wie in St. Loreto bei Ancona. Dahinter der ehemalige Eiskeller der Brauerei, im Dorfbrunnen nehme ich spontan ein Teilbad.

An der Talstation der Nebelhornbahn vorbei und vor mir ist die Rettung: die
Erdinger- Skisprung-Arena ( km 49). Cut Off Zeit knapp eingehalten. 30 Minuten Pause, denn 11 km Anstieg liegen vor uns. Drei Stunden werde ich dafür brauchen.

Beim Gasthof Breitenberg erst km 50 erreicht. Habe zu viel Wasser getrunken, mein Magen drückt, doch der Mund ist trocken. Unterhalb des Rubihorns mit Ausblick nach Fischen und der Hörnerkette, über uns die Gaisalpe (1165 m), immer mehr ausgelutschte Gelbeutel liegen auf den Wegen, Schande über meine Vorläufer!

Ein Foto mit Martin, er hat sich 20 Minuten lang die Beine im Bach wegen seiner Krämpfe gekühlt. Weiter ackert sich der Weg nach oben. In einem Waldstück haben Arbeiter schwer gewütet. Eigentlich kein Problem, über Baumstämme hinwegzuspringen. Eigentlich - aber ich bin nach einigen Versuchen von oben bis unten mit Harz verschmiert und immer noch nicht viel weiter. Ich nehme es mit Humor, genieße die Ausblicke, die Quälerei und die verklebten Hände und Klamotten, nächstes Jahr wird ´s eleganter!

Um den Schnippenkopf herum am Entschenalp Hof gibt es noch eine Dusche mit der Gieskanne, dann müssen wir den  langen Anstieg zum Sonnenkopf (1712 m) angehen. Die Qual dieses Anstieges lässt sich kaum in Worte fassen. Wie elende Hunde hecheln wir mit trockener, hängender Zunge auf allen Vieren dort hinauf.

Erschöpft lasse ich mich auf einer Bank hängen, der Blick geht hinüber zum Grünten (1738 m), oberhalb des Zielortes Sonthofen.

Der überaus trainierte Fürstbischof Clemens Wenzeslaus unternahm 1773 zusammen mit 5 wagemutigen Hofkavalieren eine vielbestaunte Extremexpedition auf den gefährlichen Grüntengipfel: 56 demütig schwitzende Bergbauern trugen die 6 Bergsteiger in gepolsterten Sesseln dort hinauf. Ja, Zeiten ändern sich, die Temperatur heute leider nicht mehr. Die Sonne knallt mit voller Wucht auf den Steilhang, dessen niedrige Büsche fette Blaubeeren tragen. Ansonsten vergessen wir mal diese Stunden, die Läufer meiner Preisklasse wissen jetzt schon, warum ich lieber schweige. Man muss ja nicht alles in Worte fassen.

Irgendwann nach endloser Zeit mit unmenschlichen Qualen höre ich im Unterbewusstsein leise Rufe. Ich hebe zaghaft den Kopf und sehe ein leuchtendes Silberkreuz über mir schweben. Der Sonnenkopf (1712 m)! Ich bin im Himmel! Mit Engelszungen loben uns Silvia, Hans, Sonja und Martin die letzten Meter hinauf, als seien wir unheilbar Kranke. Vielleicht sind wir das ja. Die Worte tun jedenfalls gut. Und das Wasser, das die netten Helfer hier hinaufgetragen haben, auch. Sabine wird an der Hand auf den Gipfel geführt, als müsste sie gleich ins Altersheim.

“Es geht nur noch abwärts. An der nächsten VP gibt es Bier, am Sonthofener Hof auch, ihr schafft den Rest in 60 Minuten, dort unten ist das Ziel sichtbar!” Wie sagte der Arzt zu mir: “Mit 80%iger Sicherheit werden sie wieder laufen können, manche Patienten mit 40%iger Sicherheit!”

Tatsächlich bin ich wacklig und unsicher, der Weg über die steile Bergwiese hinab zum Altstädter Hof (1280 m) auch. Am nächsten VP gibt es tatsächlich Bier, wenn auch brühwarmes. Doch jetzt geht es wunderbar weiter, am Beilenberger Hof vorbei zum Sonthofer Hof (1180 m). Da mache ich erst mal wieder Pause. Eine Dusche und ohrenbetäubenden Lärm mit der Kuhglocke, das macht mir und den nun eintreffenden Läufern gute Laune.

Der Rest ist schnell und einfach gelaufen. Es macht jetzt mal richtig Spaß, denn wir haben überlebt. Die Wege werden immer besser, je tiefer wir kommen. Wir sind die Sieger. Es ist nach 18 Uhr. Jetzt könnten wir alle noch weiter laufen. Es ist einfach zu schön, ein grandioser Tag. Ich werde die begehrte Trophäe, das Steinmännchen bekommen. Oh wie schön ist das Allgäu!

Im Whirlpool (freier Eintritt) des Wonnemars mache ich die Augen zu. Ab und zu kriecht ein buckliger, abgemagerter Gollum in den Blubberpool. Es sind Ultraläufer, gut erkennbar am verbrannten linken Arm.

Der lange Tag zieht nebelhaft durch die Unterwelt der Ultrawelt vorbei, ohne dass er greifbar wäre. Die Leistung, die beim Ultratrail abverlangt wird, ist enorm. Und was geboten wird, erst recht. Der Allgäu Panorama Ultratrail ist auf jeden Fall ganz oben in der Rangliste der Extremläufe anzusiedeln.

Ein ausdrücklicher Dank geht an die Helfer, die in dieser Gluthitze für uns da waren. Mann, bin ich happy!

 

Siegerliste


Ultratrail
Männer

1 KOWALCZYK, Janosch Team Leosport Männer GER 6:36:33
2 SOMMER, Michael EK Schwaikheim GER 6:40:25
3 ZIMMERMANN, Achim FC Ebershausen GER 6:46:27

Frauen

1 BESLER, Heidrun 2XU / Der LaufLaden GER 8:09:44
2 GURANTI, Barbara TV Jahn Kempten GER 8:37:58
3 SCHUHAJ, Antje TV Jahn Kempten GER 8:46:08

230 Finisher

 

Marathon

Männer

1 MÜLLER, Kay-Uwe TSV Crailsheim GER 3:17:46
2 PULFER, Peter Allgäu Outlet Raceteam GER 3:20:41
3 MINGES, Tilo Winden GER 3:23:56

Frauen

1 HAILER, Nadine TSV Moosbach GER 3:53:35
2 MERDIAN, Sabine Allgäu Outlet Raceteam GER 4:07:47
3 SCHIEBEL, Gitti TV Immenstadt GER 4:08:20

298 Finisher

123
 
 

Informationen: Allgäu Panorama Marathon
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