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Laufberichte

Vielversprechend

16.06.12

Für mich persönlich kommt jetzt der schönste Teil der Laufstrecke. Von hier aus hat man auf dem unbefestigten Weinbergsweg über die Traubenmühle hinweg bis unterhalb des im Berghang gelegenen Hotels Hohenzollern einen tollen Blick über die gesamte Länge des Tales bis quer über den Rhein hinweg, auf dessen anderer Seite die Höhen des Westerwaldes in knapp 15 Kilometer Entfernung aufragen. Nein, falsch. Aufragen würden. Wäre da nicht dieser verdammte Regen, der mein Sichtfeld gerade mal bis zur Landskrone gegenüber von Heimersheim reichen lässt.

Andererseits hat der Regen auch sein Gutes. Herbert Seifner vom TV 06 Bad Neuenahr hat mir noch kurz vor dem Start erzählt, dass man sich bemüht hätte, die obligatorische Hubschrauberspritzung der Weinberge in den Steillagen bis nach dem Lauf zu verschieben. Hat aber leider nicht geklappt, so dass der Hubi zwei Tage vor dem Lauf über die Weinberge gebrummt ist und seine Ladung versprüht hat. Auch wenn das Zeug für Menschen völlig unbedenklich ist, stinkt es trotzdem wenn die Sonne kräftig darauf scheint. Das Problem zu mindestens stellt sich diesmal nicht.

Kurz hinter dem Hohenzollern liegen knapp einen Kilometer auseinander zwei völlig unterschiedliche Welten. Unten im Tal und von der Strecke aus gut zu sehen, liegt das riesige und architektonisch trotzdem sehr anschaulich gemachte Dach, das die Reste einer großen und außerordentlich gut erhaltenen Römervilla schützt. Im März 1980 entdeckte man dort völlig überraschend beim Bau einer Umgehungsstraße das Gelände einer riesigen römischen Villa aus dem Jahr 100 nach Christus. Wandbemalungen, Fußbodenheizung, sogar Reste römischer Graffiti gibt es zu bewundern.

Gut versteckt findet sich weiter oben im Wald direkt an der Laufstrecke einer der ehemaligen Nebeneingänge zum zwischenzeitlich aufgegebenen „Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes im Krisen- und Verteidigungsfall“. Hinter dem sperrigen Namen verbarg sich im Kalten Krieg eine Fluchtburg für Politiker aus dem nahen Bonn. Heute ist der Nebeneingang zum Haupteingang für die „Dokumentationsstätte Regierungsbunker“ avanciert. Eindrucksvoll bekommt man dort zu sehen, wie im Falle eines Atomschlages etwa 3.000 Personen in einem über 17 Kilometer langen Stollensystem versuchen sollten zu überleben und zu agieren. Je nachdem wen man fragt, schwanken die Baukosten für das Objekt zwischen zwei und fünf Milliarden Euro. Bei den jährlichen Betriebskosten dagegen ist man sich mit etwa 22 Millionen Euro relativ einig.

Quer über den Parkplatz hinter dem Regierungsbunker geht es kurz steil und schmal runter.  Aufgrund des Regens ist die Stelle nicht ganz so prickelnd zu laufen. Ich weiß schon, dass es anschließend in bewährter Manier erst mal fast zwei Kilometer lang immer steiler werdend bergauf gehen wird und nehme das Gefälle als Chance, meinen Puls etwas runter zu treiben.

Danach geht es noch mal etwas abwärts, aufwärts und schon steht man bei Kilometer 9 vor der Winzerkapelle, neben der heute das Weingut Adeneuer seinen Verpflegungsstand aufgebaut hat. Taktisch saugut postiert, wird hier doch bei der zweiten Runde  der viel beschworene Kilometer 30 fällig werden. Ein Tröpfchen von Adeneuer´s No.2 wird da sicherlich bei Bedarf ein oder zwei Wunder bewirken können.

Ein paar Kilometer weiter folgt der Maubischpass, der die geographische Trennung zwischen dem Weinbaugebiet im Ahrtal und dem Obstanbaugebiet auf der anschließenden Grafschaft darstellt. Ein Maubisch ist übrigens ein nur hier anzutreffender Kuchen mit einem Aufstrich aus getrockneten Birnen.

Pässe sind naturgemäß steil und so wundere ich mich nicht sehr, dass ich auf Peter auflaufe, der sich mit seinem Laufshirt als echter Flachlandläufer ausweist. Nachdem er wieder zu Atem kommt erzählt er mir, dass Sonsbeck am Niederrhein liegt und die höchste Erhebung dort, der Dürsberg, eigentlich nur deswegen wirklich wahrgenommen werden kann, weil darauf ein 154 Stufen hoher Aussichtsturm steht.

Und da wir gerade so schön am Plaudern waren, hat er mir auch noch ausgiebig und lustig erzählt, wie er dieses Jahr den Steilaufstieg beim Helgoland-Marathon geschafft hat. Die Kurzversion lautet dabei etwa: Runde 1: gaaaaanz langsam trabend, Runde 2: noch viiieeeel langsamer, Runde 3: rückwärtsgehend, weil Aua, Runde 4: mit Hilfe von zwei hübschen Streckenposten. Man(n) muss sich halt nur zu helfen wissen.

Letztendlich laufen wir dann gut über 10 Kilometer fröhlich schnabelnd durch die Gegend, bis uns kurz vor einem Verpflegungspunkt ein anhaltendes menschliches Bedürfnis trennt. 

So ungefähr bei Kilometer 14,5 kommt dann der einzige Streckenteil, den man meiner Meinung nach besser in der Pfeife geraucht hätte. Dass es hoch zur „Ellig“ immer steiler wird, bin ich ja zwischenzeitlich gewöhnt. Anschließend aber die asphaltierte steile Straße runter und dabei auf 600 Metern Distanz 60 Höhenmeter zu verlieren, das tut Knie und Oberschenkeln schon beim ersten Mal weh.

Unten angekommen geht’s dann kurz parallel zur Umgehungsstraße, bevor wir in den Altstadtkern von Ahrweiler vordringen. Irritiert stelle ich fest, dass dort vor dem Hotel „Am Weißen Turm“ ein Verpflegungsstand aufgebaut ist. Habe ich da was in der Ausschreibung übersehen, oder ist das ein erstes Zeichen dafür, dass der Lauf schon in der Bevölkerung angekommen ist? Leider habe ich den Stand zu spät wahrgenommen um nachfragen zu können.

Um ein paar gut abgesicherte scharfe Ecken herum geht es über Altstadtpflaster am Blankardshof und dem dortigen Verpflegungsstand vorbei durch das mittelalterliche Ahrtor wieder aus dem Stadtkern heraus zum Ahrufer. Knappe drei Kilometer geht es dann ahrabwärts, bevor ich in den Kurpark komme. Mächtige alte Bäume überschatten hier sonst gepflegte Rasenflächen und laden zu gemütlichem Umhergehen ein. Heute bieten die Bäume in erster Linie Schutz vor dem endlos fallenden Regen. Knappe 500 Meter vor dem Halbmarathon hat es sich die Kur AG nicht nehmen lassen, hier kurzfristig einen eigenen Verpflegungsstand aufzubauen.

Aus dem Kurpark raus, rechts, und schon stehe, Quatsch, laufe ich am Haupteingang des Dorint vorbei. In knapp hundert Metern Entfernung höre ich schon Helge Höck als Moderator über Lautsprecher die vorbei kommenden Läufer begrüßen. Warum seine Stimme dabei immer wieder von Jubelgeschrei übertönt wird, kann ich erst ein paar Meter weiter erkennen.

Unmittelbar an der Halbmarathonmarke steht neben Helge eine große Gruppe durch die Bank hinweg sehr ansehnlicher Mädels mit Traumfiguren. Scheinbar eine der angekündigten Tanzgruppen. Und scheinbar haben die Mädels echten Spaß daran, uns Läufern zuzujubeln. Danke Mädels! Ihr seid Spitze!

Eigentlich müssen auch ein paar Tanzoffiziere dabei gewesen sein. Sorry Jungs, ich habe Euch völlig verdrängt, aber damit könnt ihr sicherlich leben.

Zweite Runde. Ich bin mit 02:10h super im Zeitplan und entschließe mich entgegen meiner ursprünglichen Planung dazu, die nächste Runde doch nicht als Sightseeing-Tour anzugehen. Dafür läuft es im wahrsten Sinne des Wortes einfach zu gut.

Also lasse ich an der Verpflegungsstelle im Dahliengarten den Rotwein Rotwein sein und begnüge mich mit Wasser und einer Banane. Als Einheimischer habe ich den Vorteil, die meisten der angebotenen Weine schon zu kennen. Die beiden Weine, die mir noch nicht auf die Zunge gekommen sind, werde ich dann auf der zum Rahmenprogramm gehörenden Veranstaltung „Rock und Wein“ heute Abend probieren. Eine Eintrittskarte für das Festival im Wert von 10,- Euro ist neben einer Flasche Wein übrigens in jedem Startpaket enthalten. Auch hier gilt ganz klar: Keine billige Brühe, sondern Qualitätsweine werden in die Starterbeutel gesteckt.

Gerade fällt mir auf, dass man als Autor eines Laufberichtes bei mehrfach zu durchlaufenden Rundkursen einen weiteren Vorteil für sich verbuchen kann: Eigentlich reicht es, wenn man den Streckenverlauf einmal schildert. Klar gibt es auf den folgenden 21 Kilometern der zweiten Runde noch einiges zu erzählen; sei es die Geschichte vom Kreuz des Weltkirchentages bei Kilometer 27, der „Stadt im Berg“ bei Kilometer 29, den „Schwurfingern Gottes“ oder der über die vertane Arbeit für die strategische Bahnlinie 100 Jahre zuvor.

Da ich mir aber ziemlich sicher bin, dass ich am 15.06.2013 wieder am Start des Ahrathon stehen werde, schiebe ich diese Geschichten jetzt einfach mal ein Jahr vor mir her oder überlasse sie einem anderen Schreibknecht von marathon4you. Ich bin mir sicher, dass einer aus unserer Truppe hier am Start sein wird, dafür gibt die Strecke und die Atmosphäre des Laufes einfach zu viel her. Vielleicht sollte Klaus auch überlegen, unser m4y-Jahrestreffen hier zu veranstalten? Der Medoc ist jedenfalls dafür zu weit weg und der Ahrathon hat durchaus das Potential im Lauf der Jahre gleich zu ziehen.

Für mich persönlich war es nach zwei Jahren Marathonpause mit 04:45h auf einer schweren aber schönen Strecke ein gelungenes Comeback, das ich sicherlich auch meinem alten Trainingsplan von Andreas Butz aus Euskirchen zu verdanken habe.

Und wo ich gerade so schön beim Bedanken bin: Eigentlich hatte ich nicht vor, einen Laufbericht zu schreiben und deswegen auch keine Kamera mit an Bord. Thorsten Holler, der Miteigentümer von Eventfotografie24.de war so nett, mir Veranstaltungsfotos zur Verfügung zu stellen. Ihm gehört auch das Copyright an diesen Bildern.

Marathonsieger
Männer

Branse, Konrad (GER)  M55 LT SV Westum   03:04:14
Neumann, Peter (GER) M40 SC Wegberg-Radsport  03:16:21
Frings, Eule (GER)     M50 Selbstläufer Altenahr   03:18:26

Frauen
Frings, Annette (GER) W45 Selbstläufer Altenahr 03:37:14
Löhr, Jessica     (GER) W40 LT Hertha Buschhoven 04:02:42
Brzoska, Ines    (GER) W50   04:09:55

Streckenbeschreibung:
abwechslungsreicher Landschaftsmarathon (Zweirundenkurs) mit rund 840 Höhenmetern und teils steilen Anstiegen, überwiegend auf Wald- und Wirtschaftswegen.

Startgebühr:
40,- bis 65,- Euro. Frühbucher bis Ende Juli 2012 35,- Euro

Zeitnahme:
Champion-Chip

Rahmenprogramm:
Kleine Sportartikelmesse, Live Musik mit mehreren Rockbands am Abend, Familienfest am Start-/Zielbereich,

Weitere Veranstaltungen:
Halbmarathon mit 420 Höhenmetern, 5km flach, 1km flach

Auszeichnung:
Medaille, Urkunde, 1 Flasche Wein, 1 Eintrittskarte „Rock und Wein“, Give-aways.
Klassensieger erhalten eine Urkunde und ein Weinpräsent und werden vor Ort bei einer Siegerehrung mit dem Zweit- und Drittplatzierten der Klasse geehrt.
Die Gewinner von Marathon, Halbmarathon und Halbmarathon- Einzelkostüm werden in Wein aufgewogen.

Logistik:
zentral am Dorint-Hotel (an Start/Ziel), Duschen ca. 500 Meter entfernt im Schulzentrum.

Verpflegung:
zwischen 4,6 und 3 Kilometer voneinander entfernt mit Wasser, Iso, Obst, Riegel, Wein. Im Ziel auch Weizenbier.

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Informationen: Ahrathon
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