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Laufberichte

Oh du glänzende Vorweihnachtszeit!

11.06.11
Autor: Joe Kelbel

Für den gestandenen Marathonläufer beginnt seit 30 Jahren die Weihnachtszeit mit Heinrichs berühmter Rede vor dem Adventmarathon in Bad Arolsen.  Doch diesmal ist eine Kleinigkeit anders: Es fehlt der traditionelle, vorweihnachtliche, schwere Duft, der alljährlich aus den Toiletten im Untergeschoß der Twisteseehalle wabert.

Für diesen festlichen Flair aus Zimt und Honig wollte die Stadt mehr Miete haben, nun hält Heinrich seine berühmte Rede halt an Pfingsten am luftigen Strandbad. Der Eintritt ins Strandbad ist immer kostenlos. Zum ersten Mal seit 30 Jahren wird es warme Duschen für alle geben, und der Pächter des Strandbades sorgt für unser leibliches Wohl. Oh du glänzende Vorweihnachtszeit!

Aber sonst ist alles wie all die Jahre: glänzende Läuferaugen, unberechenbares Wetter, Nikolausmützen, der Twistesee hat 13 Grad und der Duft des Tannengrüns vermischt sich mit dem prämarathonalen Schweiß. Na gut, der Termin ist leicht verschoben.

Ich wollte unbedingt diese Weihnachtsüberschrift bringen und die Urgesteine des Deutschen Marathons, Ingrid und Heinrich wiedersehen, deswegen bin ich hier. Die beiden organisieren im 30ten Jahr diesen Marathon, aber mit der heutigen  Rede von Heinrich wird alles neu. Es geht um Gesundheit, Leichtigkeit und Frohsinn. Und dann haut mich ein einziger Satz  um, reisst mich aus dem melancholischen „ Es-War-Einmal-Denken“ und brennt sich in mein Läuferhirn:

„Ich bereue keinen einzigen Schritt!“

Dieser Satz passt wie der Marathon aufs Auge, beschreibt ein Läuferleben und diesen neuen Waldmarathon. Dieser Weg hat sich gelohnt! Heinrich hat die Weltformel des Marathonläufers gefunden!

Einige zögern noch, den ersten Schritt in den Regen zu wagen, als der Startschuß um 11 Uhr fällt. Wir sind umringt von Halbmarathonläufer und 10 km Läufer, passen uns gerne an deren Tempo an. Hinter uns starten die 5 Km Läufer. Heinrich hat einfach den alljährlichen Twisteseelauf integriert, das passt gut.

Bald geht es hoch auf den Höhenzug auf der anderen Seite des Stausees. Kein Problem, man kann die Steigung laufen. Der Marathonläufer hat die Strecke zweimal zu durchlaufen, sie ist höhenmäßig stark entschärft, die Wege gehen zu 80% durch den Wald, der Regen hört auf, die Sonne lässt das Wasser in dicken Schwaden durch das grüne Laubdach entfliehen.

Schnelles Tempo. Ab km 14 geht es nur noch bergab. Ich laufe in einem Höllenspeed, eigentlich viel zu schnell für das Programm, was ich mir für diese Woche vorgenommen habe, aber es läuft einfach wunderbar hier. Gute Luft und schnelle Läufer um mich rum und kein Eis auf dem Weg. Ich bereue keinen Schritt heute!

Der Weg am Twistesse ist bekannt. Die Schwäne haben den Kopf im Wasser. Ja, man kann Schwäne essen, man darf sie nur nicht rupfen, sondern sollte die Haut abziehen, denn das Fett unter der Haut schmeckt nicht. Das Brustfilet herauslösen und in Rotwein dünsten. Mann! Habe ich Kohldampf!

Die zweite Runde wird ruhiger. Ich kann meinen Gedanken freien Lauf lassen.  Über den kleinen Staat Waldeck, der bis 1929 Freistaat war. Über die 20jährige Prinzessin Emma von Waldeck-Pyrmont, die 1879 König Wilhelm III der Niederlande heiratete und damit zur Ahnin der niederländischen Regenten wurde. Aber eigentlich träume ich von  diesen sagenhaften Versteinerungen, die dieses Land zu bieten hat: Die Saurierspuren von Wolfhagen, die Ammoniten, die groß sind wie Lastwagenreifen und über die menschlichen Spuren aus der Eiszeit und die Goldgruben der jüngeren Zeit. Wie oft habe ich früher hier gewühlt....

Heute genieße ich jeden Schritt durch das satte Grün des Waldes. In der Lichtung gaukeln bunte Falter im Sonnenlicht. Auf einem Baumstumpf entdecke ich eine Kreuzotter, aber ich wage kein Foto, schließlich wurde Niels erst vorgestern gebissen.

Und dann bin ich wieder an der Franzoseneiche, über die ich in meinem Bericht von 2009 geschrieben habe und an der Waldschmiede, bei km 14 , von wo es wieder nur bergab geht.

Wegpunkte, die ich wiedererkenne und dann plötzlich auf der linken Seite ein eigenartiger Felsen mit einem Kreuz drinnen. Die Sage erzählt von einem Einsiedlermönch namens Volkhard, der hier gelebt hat und dann später (1171) das Kloster Volkhardingshausen gegründet hat. Es soll noch einen unterirdischen Gang zum Kloster geben, aber ich kann nur die Nischen für die Heiligenfiguren  und die Auflagen für das Dach seiner Behausung erkennen. Ist schon geil, so plötzlich auf uralte Sachen mitten im Wald zu stossen.

Links ein Fischteich, Ginsterbüsche, Waldrand und dann der bekannte Weg ins Tal der Twiste mit seinen saftigen Wiesen, dem sympatischen kleinen Ort,der viel besser als im Winter aussieht und Schwäne, große Schwäne, mir würde ja vielleicht eine Teichralle langen.

Die Wasserskianlage sehe ich das erste Mal in Betrieb. Cool. Die Leute links im Biergarten der Anlage machen die La Ola, noch cooler. Viele Spaziergänger, die wissen alle was wir laufen, voll cool.

Im Zielbereich sitzt Horst Risse und moderiert. Super cool, einst wurde er vom Vanman in den Wald verdrängt (siehe meinen Bericht von 2009) nun hat er hier den Vorsitz. Er kommt von sehr weit her, jedes Jahr, extra für diesen Marathon. Wir auch. Wir bereuen keinen einzigen Schritt!

Und dann sitzen wir im Strandbad, genießen das kühle Bier und die wärmende Sonne, schauen den Mädels mit einem Auge beim Baden zu, während das andere auf die Siegerehrung schielt. 

Wir haben Zeit, kein Schneetreiben drängt uns. Und so sitzen Läufer aus sieben Nationen an den Tischen einer Stadt, die nach diesem Ereignis wieder in den sportlichen Tiefschlaf versinkt, bis zu dem Tag, an dem der große Eventmanager Heinrich wieder die Regie übernimmt.

Gratulation an Christoph, der 1990 hier seinen ersten und heute seinen 300ten Marathon lief. Könnte er seine Schritte zählen, er würde keinen einzigen bereuen.

 

Informationen: Waldmarathon
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