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Laufberichte

„Ab nach Kassel!“

27.11.05

Kurzweil trotz langer Laufzeit

 

„Ab nach Kassel!“ An diesen Satz wurde ich erinnert, denn Bad Arolsen liegt vielleicht 40 Kilometer nordwestlich von Kassel. „Ab nach Kassel!“ was bedeutete das denn, woher kommt diese Redewendung? Leider habe ich in Geschichte in der Schule nie aufgepasst und mich auch später nicht dafür interessiert, was ich heute sehr bedaure. Ich fuhr also unwissend Richtung Kassel und dran vorbei!


Egal - Freitag um 13.45 Uhr ging es von Stuttgart aus los. Mit etwa vier Stunden hatte ich gerechnet. In der Nacht zuvor hatte es beinahe deutschlandweit begonnen zu schneien. Die Straßen waren aber längst schneefrei. Trotzdem lief der Verkehr nicht reibungslos. Immer wieder gab es einen kleineren Stau. Der Gipfel aber war dann ein Stau von nahezu zwei Stunden bei Bad Hersfeld. Aus unseren geplanten vier Stunden bis Bad Arolsen wurden dann beinahe sieben Stunden.


Nun ja, dafür war dann das  Hotel Residenzschloss Bad Arolsen wenigstens eine Entschädigung. Schön gelegen beim Schloss, versprach es bereits durch sein Aussehen und den professionellen Empfang eine angenehme Nacht. Klaus und Margot warteten schon auf uns und nach dem Einchecken ging es auch gleich zum Essen.

 

Die Nacht war dann wie erwartet und das Frühstücksbuffet reichhaltig. Offensichtlich waren noch viele andere Läuferinnen und Läufer am Vortag angereist, denn in den Frühstücksräumen waren sie in der überwiegenden Mehrzahl. Da der Marathon erst um 11 Uhr startete, hatte man auch genügend Zeit, ausreichend und gemütlich zu frühstücken.


Kurz vor 10 Uhr waren Klaus und ich dann aber doch schon in der Twisteseehalle in Wetterburg, einem Vorort von Arolsen. Vor drei Jahren war ich bereits hier gelaufen und wusste, dass Heinrich Kuhaupt gerne ein paar Worte sprach. Die große Halle war brechend voll und tatsächlich erzählte er wohl mehr als 15 Minuten lang von 27 Holländern, vom Jubiläum (25. Marathon), vom zu schnell Laufen, von der überraschenden Streckenänderung, seiner Begeisterung über uns Läuferinnen und Läufern, von 3 km langen Steigungen, von Schleifen, von 200 Metern Gefälle und noch vielem mehr. Da er das sehr engagiert und launig vortrug, hörten die Leute tatsächlich zu und spendeten einige Mal auch ehrlichen Beifall.
Gegen 10.30 Uhr gingen wir dann die etwa 700 Meter bis zum Start auf der Staumauer des Twistesees.

 

Oh je, das konnte ja heiter werden. Ein starker Wind blies uns entgegen und verwandelte die vielleicht -3 Grad in gefühlte -13 Grad. Unglaublich, wie kalt mir innerhalb von Sekunden wurde. Glücklicherweise war wohl der größte Teil der Strecke im Wald, so dass es dort hoffentlich windstill war.


Punkt 11 Uhr ging es dann los. In der Läufermasse konnte ich mich einigermaßen vor dem Wind schützen, als ich aber kurz zur Seite ging, um ein paar Bilder zu machen, bekam ich sofort eiskalte Finger, denn die Kamera kann ich nur ohne Handschuhe bedienen. Schnell reihte ich mich wieder in die Läuferschlange ein und war wieder geschützt und nach einem Kilometer verlief auch der Uferweg so, dass der Wind nicht mehr störte. Nach etwa zwei Kilometern am Ufer des Sees entlang verließen wir das Wasser und nach etwas mehr als drei Kilometer ebener Strecke begann der erste Anstieg auf einem breiten Weg.

 

Ich hatte Elisabeth eingeholt und wir unterhielten uns angenehm. Da ich heute keinerlei Ambitionen hatte, passte ich mich ihrer Geschwindigkeit an und in einem Mix aus Joggen und Gehen schafften wir die vielleicht vier oder fünf Kilometer hoch durch den Wald. Die Sonne kam immer wieder heraus, der Wind war nicht mehr vorhanden und mir war überhaupt nicht mehr kalt. Die Handschuhe hatte ich längst ausgezogen und so versprach es, ein angenehmer Lauf zu werden – falls denn mein Trainingszustand einigermaßen passte.


Oben angekommen verließen wir auch bald den Wald und kamen auf freies Feld. Sofort wieder war der unangenehm kalte Wind da. Ich verabschiedete mich von Elisabeth und Klaus und ich zogen ganz langsam davon. Für diese ersten 10 Kilometer haben wir etwas länger als eine Stunde und 11 Minuten gebraucht. Tja, das sollte heute ein schöner, gemütlicher Trainingslauf werden, mehr war wohl für uns beide nicht drin. Was soll man auch gegen Jahresende noch großartige Zeiten laufen. Allerdings habe ich in 14 Tagen noch ein Highlight vor mir, den Untertage Marathon im Salzbergwerk bei Sondershausen und den Tag drauf den 7-Gebirge Marathon. Ich wollte also heute sehen, ob ich mir da nicht zuviel vorgenommen hatte. Seit dem Schwäbisch Alb Marathon vor vier Wochen hatte ich keinen langen Lauf mehr gemacht, nur noch kurze schnelle Läufe, so dass ich froh sein konnte, wenn ich heute gut durchkam.


Das unangenehme Stück über freies Feld hatten wir hinter uns gelassen und liefen wieder im Wald. Die nächsten Kilometer waren meist lange Geraden, immer wieder ging es leicht hoch und runter, aber kein Problem, wir konnten ständig joggen. Trotzdem war ich hier nicht mit mir zufrieden. Irgendwie strengte mich auch das langsame Joggen (7:10 min/km) überaus an. Nun, da musste aber noch ein kleines Wunder geschehen, wenn ich in 14 Tagen besser in Form sein wollte. Irgendwann dann sagte Klaus zu mir, ich solle mich mal umdrehen. Ah, jetzt war mir alles klar. Wir waren da wohl schon seit einigen Kilometern ständig leicht bergauf gelaufen. Beim Zurückschauen erst sah man die Steigung, die mir bisher gar nicht aufgefallen war. Klar, das war der vom Veranstalter angekündigte Anstieg ab Kilometer 16 bis etwa Kilometer 21. Wie sich doch das Auge täuschen lässt! Ich war einigermaßen erleichtert.

 

Irgendwann war es auch wieder abwärts gegangen und wir liefen jetzt auf einer Landstraße. Vermutlich war sie nicht gesperrt, aber Autos sah man trotzdem nicht. Schon nach weniger als einem Kilometer ging es rechts weg, die Straße war noch unbedeutender und bald liefen wir wieder abseits auf einer ganz schmalen Asphaltstraße, die wohl nur Zubringer zu den Bauernhöfen der Gegend war und auch diese Straße verließen wir bald und kamen wieder in den Wald.


Vielleicht 100 Meter vor der Halbmarathonmarke kam dann die dritte Verpflegungsstelle: Wasser, Iso und Tee, wie bei den vorausgegangenen leicht gewärmt und zusätzlich bekam man hier noch Bananenstückchen. Vielleicht noch hundert Meter, dann 90 Grad nach links, der Halbmarathon war geschafft und schlagartig war es lebhaft auf der Strecke. Offensichtlich kamen uns da die schnellen Läufer entgegen. Weiter vorne sah ich deren Entfernungsangabe: Km 30! Donnerwetter, die alle hatten neun Kilometer mehr hinter sich, als wir! Wir ließen uns aber nicht irritieren, sondern liefen auf dem jetzt etwas abschüssigen Waldweg gemütlich weiter unser Tempo. Hier musste man etwas mehr aufpassen, war doch zum ersten Mal der Weg stellenweise etwas rutschig.


Bei Kilometer 23 dann verließen wir den Wald und bei km 24 begann die 3-km-Schleife, die uns Heinrich Kuhaupt in seiner Rede angekündigt hatte. Der Wind wurde immer unangenehmer, der Asphaltweg stieg unablässig in die „falsche“ Richtung und als wir dann endlich die Höhe erreicht hatten, war ich durchgefroren und hatte, trotz Fausthandschuhen, eiskalte Hände.

 

Klaus verstieg sich zu der Aussage, dass das sein unangenehmster Streckenabschnitt aller gelaufenen Marathons des Jahres sei, und Klaus war dieses Jahr immerhin 37 Marathons und Ultras gelaufen. Nützte aber alles nichts, wir mussten den starken, eiskalten Wind ertragen.

 

Ich kam mit dem Japaner ins Gespräch, der mir schon beim Start aufgefallen war. Ich meinte, ihn schon bei ein paar Läufen gesehen zu haben und fragte ihn danach. Er war offensichtlich ein Vielläufer, denn er zählte mir sofort 5 oder sechs Läufe der vergangenen Wochen vor, jeweils im Wochenrhythmus. Nächste Woche wollte er in Mailand laufen, die Woche drauf dann in Honolulu und dazwischen kurz nach Japan zurück. Er war wohl in irgendeiner humanitären Mission unterwegs, die er aber privat bezahlte. Nun ja, vielleicht hat er ja irgendwo einen Goldschatz gefunden und muss jetzt nicht mehr arbeiten.


An der nächsten Verpflegungsstelle (km 26) gab es zusätzlich zu den jetzt bereits gut bekannten drei Getränken und Bananen auch noch Kuchenstückchen: Apfelkuchen und Nussecken. Wunderbar, wirklich ein Genuss. Wir vergaßen beinahe den eiskalten Wind, wurden aber beim Weiterlaufen sofort wieder daran erinnert. Endlich! Wir hatten die Schleife hinter uns und waren bald wieder im Wald. Trotzdem dauerte es noch viele Minuten, bis meine Hände wieder einigermaßen beweglich waren und natürlich begegnete uns niemand mehr, waren wir doch schon längst im hinteren 20stel.


Ungefähr ab Beginn der Schleife, als es ordentlich hoch ging, hatte Klaus begonnen, immer wieder mal zu gehen. Ich war dafür ganz dankbar und machte sofort mit. Jetzt, als wir wieder im Wald die zuvor (eine Stunde zuvor) leicht abschüssige Strecke hoch mussten, machten wir ebenfalls die eine oder andere Gehpause. Trotzdem erreichten wir die 30-Km-Marke in passabler Zeit: nur acht Minuten länger als für die ersten beiden 10-km-Abschnitte. Aber die fünf Stunden würden wir wohl überschreiten.


Die nächsten 10 Kilometer dann waren sowohl angenehm als auch kurzweilig. Angenehm, weil es tendenziell abwärts ging und wir, wenn ich mich recht erinnere, nicht mehr gehen mussten. Kurzweilig, weil wir Alfred eingeholt hatten und er mir vom Untertagemarathon berichtete, was mich natürlich sehr interessierte. Auch über andere Läufe unterhielten wir uns, denn Alfred kann viel erzählen. Da er heute Schmerzen in einer Wade hatte, konnte er nicht mehr so schnell laufen und daher waren diese vielleicht sechs gemeinsamen Kilometer sehr leicht für uns zu laufen, da recht langsam. Erst die letzten drei Kilometer dann zogen Klaus und ich wieder etwas an und liefen mit flottem Schritt bis ins Ziel.

 

Ein schöner Lauf, viel Sonne, noch viel mehr eiskalter Wind, eine gepuderte Landschaft, schöne Wälder. Länger war ich unterwegs als bei meinen sonstigen Marathons, aber trotzdem war es kurzweilig. Es ist einfach angenehm, wenn man gemeinsam läuft, ohne Ambitionen. Auch wenn man nicht unablässig miteinander redet, ist es trotzdem schön, wenn man seine Gedanken mit jemand austauschen kann, der darauf eingeht und vielleicht ähnliches empfindet.


In der Halle dann bekam ich dann noch meine geliebte Kartoffelsuppe, aß noch ein belegtes Brötchen und ein Stück Kuchen und dann machten wir uns wieder auf die Heimfahrt, die wir problemlos in weniger als der Hälfte der Zeit schafften.


Ach, übrigens. Man kennt ja gebildete Leute, und sowohl Klaus, als auch Elisabeth erklärten mir das mit „Ab nach Kassel!“ Der Landgraf Friedrich II aus Hessen warb um Soldaten (etwa 1771), die er nach Amerika schicken wollte. Die Männer wurden mehr oder weniger freiwillig „geworben“ und dann über die Zwischenstation Kassel und weiter über Hamburg nach Amerika verschifft. Wenn sie also geworben waren, hieß es „ab nach Kassel“! Die Recherche im Internet ergab dann aber, dass diese Interpretation wohl auch nicht ganz stimmte. Aber es wäre zu weit gegangen, wenn ich das auch noch erklären würde. Ihr könnt ja selbst etwas „googeln“, falls es euch interessiert.

 

 

Informationen: Waldmarathon
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