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Laufberichte

Schön, wenn es diesen Lauf nicht geben müsste

 
Autor: Joe Kelbel

 

Scharfe Rechtskurve, man sieht den Kriegstrümmerberg Rudower Höhe. Nach Rudow führte eine 450 Meter langer Spionagetunnel des CIA zum Fernmeldekabel, das die russische Botschaft in Berlin mit dem Hauptqaurtier der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland verband. Nach 11 Monaten wurde der Tunnel von einem Doppelagenten enttarnt. Beim Ausbau der A100 nach der Wende wurde der versandete Tunnel wiederentdeckt, Teile sind im Allierten Museum ausgestellt.

Eberhard Schulz und Dieter K. waren schon über den Hinterlandzaun geklettert, als die Drähte Alarm auslösten. Beide warfen sich auf den Boden, drei Grenzsoldaten stellten sich vor sie, forderten sie auf, die Hände zu erheben. Eberhard Schulz wurde mit zwei Gewehrschüssen ins Gesicht getötet, er wurde 20 Jahre alt.

In keinem Bericht vom Mauerweglauf darf mein Freund Steini fehlen. Sigrid erzählt mir später begeistert, sie hätte seinen tätowierten Oberkörper gesehen, als die Ärzte im unterwegs Blut wegen dieser Studie abgenommen haben. Ich nenne Steini in meinen Berichten „den tätowierten Andenkenverkäufer“. Er und Michael nennen mich „Ente Cross“, seit sie mich vor 200 Jahren beim Chinesen erwischten.

Deswegen werde ich beim VP Bukow mit „Ente Cross“- Graffity begrüßt. Dann steht auch noch Professor Helmut von der Humbolt Uni vor mir. Er hat letzten Monat die Zeitnahme bei meinem Marathondebut in Kenia organisiert.

1972 hatte Steini einen amerikanischen Austauschschüler hier in seinem Wohnort. Sie sind auf den Aussichtturm, schauten in den Osten. Dieser Amerikaner war der erste Mauerspecht der Geschichte, denn er brach ein Stück Mauer heraus. Das ging damals relativ einfach, es war noch die Mauer der „dritten Generation“, also noch ohne die Röhre oben drauf. Ab 1975 kam die „vierte Generation“, zwei Meter tief in der Erde und 3,6 Meter hoch. Die „fünfte Generation“, die „High-Tech-Mauer 2000“ der 80er Jahre konnte trotz der Milliardenkredite von FJS wegen der anhaltenden wirtschaftlichen Krise der DDR nicht mehr  realisiert werden.
Am VP Kirchhainer Damm (km 42) rechne ich mir scherzeshalber eine Zielzeit von unter 20 Stunden aus.

 

 

1975, kurz vor der Unterzeichnung der  KSZE-Schlußakte in Helsinki, das war die vom Warschauer Pakt initiirte Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, kamen  der DDR Regierung Negativschlagzeilen über ein weiteres Maueropfer nicht gelegen. Da weder im Osten noch im Westen der tödliche Schuß auf Herbert Kiebler bemerkt wurde, brachte man den Leichnam in einen grenzfernen Wald und deklarierte seinen Tod als Selbstmord. „Abdeckungsmaßnahmen“ nennt das DDR-Protokoll in deutscher Gründlichkeit die Zusammenarbeit von Förster, VoPo, Standesbeamten, Pathologen und Staatsanwalt, die einen Selbstmord mit einem Messer, 40 Kilometer entfernt, wo Herbert das letzte Bier getrunken hat, vorgibt. Da der Familie der Abschied von Herbert verwehrt wurde, drangen sie heimlich in die Todeskapelle ein und entdeckten die Schußwunde. Immer wieder wird Herberts Mutter bei der VoPo vorstellig, um Aufklärung über die wahren Todesumstände ihres Sohnes zu erlangen. Sie kam schließlich in psychiatrische Behandlung und starb aus  Gram.

Fünf Grenzsoldaten im Alter von 18 bis 22 Jahren eröffnen das Feuer auf Eduard Wroblewski. Anwohner im Ortsteil von Lichtenrade sehen gerade das Halbfinale der Fußball-WM zwischen England und Portugal (Juli 66) und werden unfreiwillig Zeuge, wie Eduard mit 274 Schüssen an der Mauer hingerichtet wird. Erklärbar ist der hohe Munitionsverbrauch dadurch, daß es unter den Soldaten trotz hohem Druck eine unterschiedliche Einstellung und Verhaltesweise gab. Der Sohn von Eduard erzählte nach der Wende, wie es ist, von den Behörden als „Nachkömmling eines Assozialen“ betitelt zu werden.

In Lichtenrade war es, als mir 2013 die Achillessehene gerissen ist. Gehört hat niemand den Knall, es war keine Fußball-WM. Ich bin dann weitergelaufen und habe gefinisht. Ich mache ein schönes Foto von dem Haus gegenüber (1904). Hier wurde Herbert Kiebler erschoßen.

Es gibt viele Maueropfer, die nicht in der Statistik erscheinen. Christoph-Manuel ist eines von ihnen Der 14 jährige wurde von der oberen Platte der Mauer erschlagen, als er am 31. August 1990 sich ein Souvenir aus der Mauer nehmen wollte.

Wir kommen an der Gedenkstele Karl-Heinz Kube. Da er aus Teltow kam, steht in Teltow nochmal ein Gedenkkreuz für ihn. Klaus Garten wurde hier erschossen, Walter Kittel hatte sich ergeben und wurde trotzdem erschossen. Eigentlich müssten wir nun den Teltowerkanal nach Norden überqueren, aber es geht einen Kilometer weiter auf einem Begegnungstück, um in der Sporthalle von Teltow (km 59) zu pausieren. Es ist einer der drei Hauptverpflegungstellen mit den Dropbags. Hier kann man duschen und sich aufs Ohr legen. Am Ausgang lassen wir Luftballons mit einer Gedenkkarte an Karl-Heiz Kube in den heißen Mittagshimmel fliegen.

Der Königsweg ist für uns Läufer besonders grausam, weil ewig lang. Wir überqueren die Autobahn, ehemals die Transitstrecke, und schauen hinunter auf die ehemalige Kontrollstelle Dreilinden-Drewitz, an der Holger im Alter von 15 Monaten bei der Flucht nach West-Berlin starb. Es ist für mich die grausamste Mauergeschichte: Der 23-jährige Vater hat die 20-jährige Mutter und das Kleinkind auf der Ladefläche eines Lasters zwischen Leergut versteckt. Die Grenzkontrollen dauern unüblich lange, die Nerven des Flüchtlingspaares liegen blank, als der kleine Holger wegen einer Mittelohrentzündung anfängt zu weinen. Um ihn zu beruhigen, hält die Mutter dem Kind den Mund zu, ohne zu ahnen, dass auch die Nase des Kindes von dem Infekt befallen ist und das Kind deswegen keine Luft mehr bekommt. Die Flucht bleibt unendeckt, nur noch 300 Meter bis Dreilinden, bis zur Freiheit. Die Kisten werden geöffnet, „Mein Kind!“ ruft Ingrid H. … Alle Wiederbelebungsversuche der Westberliner Helfer bleiben erfolglos.

 

 

Etwa bei km 70 überqueren wir den Teltowkanal und verlassen den Königsweg, um nach rechts über die Kohlhasenbrücke das Gleisgelände zu überqueren. Hier ging eine Stichstraße in die Westberliner Exklave Steinstücken, die von 200 Westberlinern bewohnt war. Das Land wurde 1787 von Bauern außerhalb des späteren Groß-Berlins (1920) gekauft. Steinstücken war territorial nicht verbunden mit West Berlin. 1951 versuchte die DDR die Exklave zu annektieren. Nach 1961 flohen über 20 Grenzsoldaten in die Exlave, die von drei US Soldaten symbolisch bewacht wurde. An bestimmten Bäumen gab es sogenannte „Briefkästen“ in denen Grenzer Infos für nachfolgene Flüchtlinge hinterließen.

Die amerikanischen Soldaten wurden regelmäßig mit Hubschraubern eingeflogen und   Flüchtlinge ausgeflogen. Ein Luftbrückendenkmal auf dem jetzigen Spielplatz erinnert daran. Wir folgen nicht dem schmalen Weg, sondern drehen ab nach Norden.

Es gab noch zwei weitere Exklaven: Die Wüste Mark, ein Ackergelände, zu dem der Bauer nur über die Autobahn kam, und die ungenutzten Nuthewiesen. Diese zwei Gebiete wurden gegen die Zufahrt zu Steinstücken getauscht. So brauchten die Einwohner von Steinstücken nicht mehr über DDR-Gebiet aus- und einreisen, um nach West-Berlin zum Einkaufen zu gelangen.Vier Millionen West-Mark gab es für die DDR obendrauf.


Die Gedenkstätte Griebnitzsee  steht auf einer Westberliner Halbinsel, von Mauer  und zwei Kanälen vom Rest der Welt abgetrennt war. So blieben hier zufällig sechs Mauersegmente erhalten, die leider wieder mal farblich verschandelt wurden. Die Grenze zieht sich jetzt nach Norden in die Mitte des Griebnitzsees, doch die DDR hat die Grundstücksbesitzer des Seeufers enteignet, um die Mauer am südlichen Ufer zu bauen. Gedenkstelen für die Maueropfer Willi Marzahn, Peter Böhme und Jörgen Schmidtchen. Roland Hoff wurde von 30 Schüssen getroffen, bevor er im See unterging.

Es geht entlang des wunderschönen Griebnitzsees, den die DDR-Bürger wegen er Mauer nie gesehen haben. Bei km 75 überqueren wir wieder den Teltowkanal über die Parkbrücke, die nun in einem wunderschönen Biergarten eingebettet ist, und gelangen zu der ehemaligen DDR-Exklave Klein Glienicke, die wie ein flaches „U“  weit in Westberliner Gebiet ragt, aber von allen Seiten von der Mauer umgeben und nur über diese eine Brücke zugänglich war. Auf der Brücke standen permanet DDR-Grenzler und kontrollierten jeden Einkauf der Ost-Bürger, die über den Teltowkanal zu ihren Häusern wollten.

Zwei Familien gruben sich von Klein Glienicke nach West Berlin. Gedenkstehlen für Horst Körner, Rolf Henninger, Norbert Wolscht,Rainer Gneiser und Günter Wiedenhöft.
Norbert Wolscht und Rainer Gneiser ertranken, als sie mit selbstgebauten Tauchgeräten flüchten wollten.

Rechter Hand das Schloß Glienicke.  Wir überqueren die Glienicker Brücke, die „Agentenbrücke“. Horst Plischke ertrank bei einem Fluchtversuch, Herbert Mende wurde ohne Fluchabsicht erschossen. Er sprang auf, um den Bus zu bekommen. Es geht an der Villa Schöningen vorbei. Hier baute Kaiser Wilhelm II 1890 eine Siedlung nach norwegischem Vorbild. Die  original Matrosenstation Kongnaes  (Kong = König, Naes = Landnase) wurde beim Mauerbau zerstört, hier legten die Schiffe des preussischen Königshauses an.

Die Schwanenalle führt über den Hasengraben, der von Heiligen See kommt. Von der ehemaligen Erémitage sieht man das Brauhaus Meierer, einst die Käsefabrik der preussischen Könige. Von 1945 bis 1989 zerfiel das Gebäude.

Von hier aus sieht man unsere Laufstrecke auf dem gegenüberliegenden Ufer, zu dem die Grenze nun eigentlich mittig  Ufer verlief. Die DDR wollte aber eine komplette Abriegelung des eiszeitlichen Jungfernsees durch einen „Antifaschistischen Grenzwall“ und mauerte deshalb 13 km See mit einer knapp vier Meter hohen Betonmauer zu. Die Meierer war nicht mehr zugänglich. Für uns ist sie wieder zugänglich (km 79), es gibt Freibier mit einem besonders fruchtigen Geschmack.

Es folgt wieder ein besonders einsames Stück Landschaft, wunderschön, aber anstrengend. Bei der Revierförsterei Krampnitz (km 85) gibt es Verrpflegung, dann geht es durch parkähnliche Landschaft zum Schloß Sacrow (1773). Hier war die Trainingsanlage für die Spürhunde, die die Kofferräume der Transitreisenden beschnüffelten. Hier ist unsere zweite Hauptverpflegungsstelle (km 91) mit unserem zweiten Drop-Off- Gepäck. Cut-Off (23:45 Uhr) gibt es hier auch, aber kein Thema für mich. Ich bin unerwartet fit, keine Blasen, keine Hautprobleme, keine Krämpfe, außer die im Magen.

Rainer Liebeke ertrank hier 1986.

Jedes Jahr wird beim Mauerlauf die Laufrichtung geändert. Das ist gut, denn  so kann man, wenn man mehrfach teilnimmt, die gesamte Mauerstrecke bei Tageslicht erleben.

Der Besitzer des Rittergutes Groß-Glienicke starb in Stalingrad, das Herrenhaus wurde 1945 abgebrannt. Briten tauschten Teile ihrer Sektoren solange, bis das uralte Rittergut (1257) zerschnitten war und der Park im Betonwirrwarr erstickte. Der Gutskindergarten von 1900 blieb erhalten, in der Kaserne sind jetzt Flüchtlinge untergebracht.

 

 

Es wird dunkel, als ich den VP „Pagel & Friends“ bei km 98 erreiche. Der Bauunternehmer feiert hier regelmäßig seinen Geburtstag, die Party ist für Mauerwegläufer offen. Ich bin so fertig, daß ich ein Alkoholfreies trinke.

Das „Grenzeck“ ist eine Kneipe, ehemals direkt an der Mauer gelegen. Die  schwarz-weissen Fotos an der Wand hauen mich jedes Jahr vom Barhocker. Die Kleidung von Willi Bock hatte sich im Stacheldraht verfangen, ein Grenzer erschoß den am Boden liegenden.

Von Berlin Staaken durfte man die Transitstrecke nach Lauenburg/Elbe mit dem Rad befahren, da sie lediglich eine Fernverkehrsstraße war. Man musste aber die 220 km zwischen Sonnenaufgang-und Sonnenuntergang bewältigen. Irgendwann, weit nach Sonnenuntergang, rumoren Wildschweine auf dem Weg vor mir. Noch ehe ich das Licht gedimmt habe, steht neben mir eine Riesenbache, der ich nicht in die Augen sehen mag. Wir können unseren Atem hören, dann dreht sie ab und grunzt so tief, daß ich registriere, daß sie mehr wiegt als ich.

Helmut Kliem hat die Schilder übersehen, die den Grenzbereich markieren. Er kommt von der Nachtschicht, Alkohol ist im Spiel, er verfährt sich, wendet am Grenztor, fährt zurück. Eine Kalaschnikow hat, was jeder Schütze weiß, die Eigenart, bei Dauerfeuer nach oben rechts aus dem anvisierten Zielbereich auszubrechen. Die Salve traf also nicht die Reifen des Motorrades, sondern die Schlagader des Fahrers. Helmut sollte die Kinder abholen, seine Ehefrau wartete vergebens, holt die Kinder enttäuscht selbst ab. Am Abend erscheinen zwei Fremde, erkundigen sich nach ihrem Mann. Die Leiche wurde, wie üblich, umgehend eingeäschert. Der Schütze erfuhr erst nach der Wende, daß er Helmut erschoßen hatte.

Am 5. Mai 1964 meldet die DDR Nachrichtenagentur, daß Adolf Philipp einen „Überfall auf einen Grenzposten begangen hat“, und deswegen erschossen wurde.

Klaus Schulze starb 1972 im Dauerfeuer bei dem Versuch per Leiter nach West Berlin zu kommen. Die Behörden teilten den Verwandten mit, daß Klaus „unehrenhaft“ verstorben ist.
Wir laufen an der Exklave Eiskeller vorbei. Links, wo er im Alter von 19 Jahren erschossen wurde, quaken die Frösche. Vor mir liegt der nächste VP. Läufergestalten liegen auf Pritschen, ich gebe zum wiederholten Mal meinen Mageninhalt auf, was die Sanitäter und schlafenden Mitläufer erschreckt.

Ich bin jetzt beim Grenzturm Nieder Neuendorf (km 123), bin fit, hätte nie erwartet, so gut durchzukommen. Jetzt ist eine  Bestzeit drin! Das gibt neue Kraft. Ich laufe die nächsten 5 Kilometer in guter Haltung und erreiche den Ruderclub Havel (km 128). Das Wiedersehen mit den Helfern ist lustig, 2011 war hier ne Teenieparty, wo ich mit Andreas nach dem Duschen auf der Tanzfläche die Ossies aufgemischt habe. Ganz soviel Zeit habe ich diesmal nicht, ich muss auch nicht duschen.  Kurze Pause, Klamottenwechsel und weiter, ich will es jetzt wissen!

Den VP Frohnau (km 132) brauche ich nicht. Wir kommen bei der Gedenkstele von Marienetta vorbei, bitte lest dazu meinen Bericht vom letzten Jahr. Beim Naturschutzturm (so wird der Wachtturm heute genannt, km 139) war ich 2011 um ca 24 Uhr. Beate hat mich damals gerettet, als ich nervlich und körperlich an der Grenze war, an meiner und der ehemaligen.

 


 
Ganz große Klasse die drei Nachtschwärmer, die mit irgendwelchen herausgerissenen Plakaten mitten auf der leeren Straße stehen und meinen Laufstil loben. Sie wissen, was wir hier machen, sie sind jung, vielleicht werden sie mal mitlaufen. Das Mädchen begleitet mich jubelnd zum VP Oranienburger Chausse ( km 144). Ein Beifall, der sehr gut tut.

Überhaupt hat sich das Wissen über den Mauerweglauf  bei den Berlinern stark verbessert. Es gibt ja nicht nur diesen 100 Meilen Lauf. Die LG Mauerweg veranstaltet zahlreiche Läufe entlang des Patrouillenweges.

Wir kommen nach Lübars, wo am Tegeler Fließ zwei Kumpels von Steini geflüchtet sind. Steini war bei seiner Großmutter, als über Nacht die Mauer gebaut wurde. Er wurde später  von einer Schein-Großmutter nach Westen zu seinen Eltern gebracht. Für solche Fälle gab es „Scouts“, die der Schein-Großmutter ähnlich aussehende Westberliner suchten, und sich gegen Bezahlung deren Pässe ausliehen.

Steinis Kumpels versuchten es mit 16 Jahren an der Grenze nach Jugoslawien, wurden entdeckt, konnten sich aber mit einem „wir haben zu viel getrunken“ freireden. Hier am Tegeler Fließ versuchten sie es wieder, liehen sich das Auto vom Onkel und fuhren damit auf das Feld. Hier links gruben sich durch den Sand in dem Fließ und krochen unter den Drähten durch. Auf beiden Seiten waren Felder. Es war bekannt, dass die Grenze nicht immer direkt an der Befestigung verläuft, also krochen sie in Unterhosen nach Süden, bis sie auf ein Auto mit Westkennzeichen stießen. Nach mehrfachem Klingeln öffnete die Hausbesitzerin und sah zwei Gestalten in Unterhose. Das Auto des Onkels wurde beschlagnahmt und an Parteimitglieder verkauft.

Der Weg zum VP Bahnhof Wilhelsruhe ( km 154) ist mir zuwider. 2011 gab es hier in den Büschen, wo einst die Mauer den Bahndamm vom Weg trennte, Geräusche von „Buschleuten“, jetzt ist es schon hell. Die Müll- und Matrazenlager im Zaungewirr sind geblieben, auch wenn nun Gewerbebauten entstehen. Es folgen dann noch Baracken, die an die  Zeit der Mauer erinnern, eine langgestreckte  „Hundepension“ zum Beispiel. Die Hunde an der Mauer bekamen 200 Gramm Fleisch am Tag, so blieben sie agressiv.  Gerade flucht  die Pensionschefin die Hunde an, die sich anscheinend um das Frühstück reißen. Erinnerungen an den Todesstreifen.

Johannes Muschol, ein Westdeutscher, versuchte hier nach Osten zu fliehen. Er schaffte aber die drei Meter hohe Mauer nicht und wurde aus nächster Nähe erschossen. Dies ist wahrlich kein schöner Naturlauf mit Bierromantik.

Einer der letzten Kilometer führt über das damals sogenannte „Nasse Dreieck“. Es ermöglichte 617 Menschen die Flucht. 142 kletterten über die Mauer, 78 seilten sich ab, 78 sprangen in Sprungtücher der Feuerwehr, 22 nahmen Leitern, 59 kamen durch die Kanalisation. 238 Fluchtarten wurden aus „taktischen Gründen“ als„sonstige Art“ erwähnt, und bezeichnet wohl Fluchten mit guten Papieren.

Eine letzte Anstrengung bringt mich 6 Minuten über Bestzeit am häßlichen Mauerpark und der Max-Schmeling-Halle vorbei zum Jahn Stadion.  Es wäre schön, wenn es diesen Lauf nicht geben müsste!  

 

 

 

 

 

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Informationen: 100 Meilen Berlin (Mauerweglauf)
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